Junge Designer aus Kasachstan versuchten sich im Bereich Öko-Mode. Maria Haidenreich war unter den Finalisten des prestigeträchtigen Wettbewerbs.

Ausländer, die nach Kasachstan kommen, können nicht verstehen, warum man sich in diesem Land so schlecht kleidet. Nicht im Sinne von Armut, hier sind sie eher überrascht von der Fadheit und der Eintönigkeit. Ausnahme sind die Bewohner von Almaty und Nur-Sultan, die keine Angst davor haben, mit Mode zu experimentieren.

Ujat – wie ein Stop-Wort

Aruzhan Iskakowa ist eine der talentierten jungen Designer. Die 22-Jährige aus Aktobe studiert im letzten Studienjahr an der Technischen Universität Almaty.

Bei uns läuft es folgendermaßen ab: Zeichnen dürfen wir, aber unsere Ideen richtig umsetzen ist bereits ein Problem. Viele Designer sind durch die lokale Mentalität und durch Stereotype in Bezug auf die Kleidung gelähmt. Es ist so, dass Spezialisten nicht alles herausbringen können, was sie wollen. Selbst wenn es schön ist, finden sich diejenigen, die sagen, dass es „Ujat“ ist…

Aruzhan kam dank des Tanzens in die Welt der Mode und des Designs. Irgendwann tanzte einmal ein Mädchen im Hip-Hop-Stil, danach brachte sie es ihr bei. Parallel dazu arbeitete sie als Stylistin für Tänzer. Irgendwann in dieser Zeit dann packte sie die Modeindustrie.

Wir haben nach Kostümen für die Tänzer gesucht und verstanden, dass das ein Mangelartikel ist. Genau solche Kostüme, wie wir gebraucht haben, waren sehr schwer zu finden.

Die Prüfungen, die Verteidigung des Diploms, der Abschluss – all das findet bei Aruzhan in ein paar Monaten statt, aber bereits jetzt denkt sie an ihre Zukunft. Vielleicht eröffnet sie eine Butik oder ein Bekleidungsgeschäft. Und auch ein Studium steht noch auf dem Plan. Am besten im Ausland. Dort sind die Kenntnisse und die Perspektiven besser.

Viele fragen: „Warum haben wir in unseren Entwurfsskizzen das eine, und in Wirklichkeit sieht es völlig anders aus?“. Ich zum Beispiel stelle mir, wenn ich zeichne, sofort vor, wie die Kleidung an den Menschen „sitzen“ wird. Das Zeichnen ist das eine, aber wenn es zur Fertigung geht, dann stehen wir vor dem Problem: Werden wir den geeigneten Stoff finden oder nicht?

Erst vor kurzem hatte Aruzhan die Möglichkeit, ihre Fertigkeiten in die Tat umzusetzen. Zur Plattform dafür wurde der landesweite Wettbewerb für junge Designer. Noch eine Woche vor Ende der Bewerbungsfrist hatte sich die junge Frau noch nicht entschieden. Sie zeichnete Skizzen, schickte sie ab, und… schaffte es ins Finale!

Ich bin zwar am Ende nicht die Gewinnerin geworden, aber dieser Wettbewerb hat mir Selbstvertrauen gegeben. Das Finale zu erreichen, ist für mich bereits ein großer Erfolg. Ich werde auch weiterhin versuchen, Kasachstan und vielleicht Europa zu erobern, sagt Aruzhan Iskakowa mit einem Lächeln.

Talent muss entwickelt werden

Der Wettbewerb, um den es geht – der New Generation Open Way 2020 – ist in Kasachstan sehr beliebt. Leider mussten die Organisatoren in diesem Jahr vom üblichen Format abweichen, deshalb fand der größte Teil der Veranstaltung im Online-Format statt.

Wie sich herausstellte, konnten alle Interessierten daran teilnehmen, aber junge, angehende Designer wurden bevorzugt. Von Hunderten von Bewerbern erreichten nur 18 die Finalrunde. Unter den Arbeiten sind die außergewöhnlichsten Kostüme zu sehen: abgetragene Jeans,, Lumpen aus alten Anzügen, Fahrradreifen – all diese mutigen Ideen wurden von den jungen Designern umgesetzt.

Die beste Arbeit laut Jury, zeigte Almas Kerimbekow. Er präsentierte einen Anzug aus alten Fahrradreifen, die in seiner Arbeit als Imitation von Leder dienten. Einer der Preise ist die Präsentation seiner eigenen Kleiderkollektion (15 Arbeiten) auf der Kazakhstan Fashion Week.

Ebenso sind aufgrund der Pandemiebedingungen alle 18 Teilnehmer automatisch Finalisten im Wettbewerb junger Designer des New Generation Open Way 2021. Dies ist ein großes Plus, da sich die Designer mit den Ratschlägen der Jurymitglieder nun noch besser vorbereiten können.

Wir veranstalten diesen Wettbewerb zum neunten Mal. Die Aufgabe ist einfach: talentierte Jugendliche entdecken, und eine neue Generation junger Designer Kasachstans schaffen. Bisher bewältigen wir das, sagt eine der Organisatorinnen des Wettbewerbs, die PR-Direktorin der Kazakhstan Fashion Week Botagoz Aldongarowa.

Nach Meinung der Jurymitglieder läuft bei den talentierten Designern in Kasachstan alles wie geschmiert. Sie halten nicht nur mit der Zeit Schritt, sondern überraschen auch mit ihrer Fantasie. Übrigens bewertete die Jury nicht nur die Arbeiten, sondern gab auch Ratschläge und führte Workshops durch.

Das Thema des Wettbewerbs war Ökologie. Und dieses Mal haben die Jungs und Mädels uns überrascht: viele Arbeiten sahen technologisch interessant aus. Sie haben kreativ aufgezeigt, wie man alten Sachen ein neues Leben geben kann, so Botagoz mit Bewunderung.

Zeit zu überraschen

Eine weitere Finalistin des Wettbewerbs war die Künstlerin und Designerin Maria Haidenreich aus Almaty. Seit frühester Kindheit zeigte sich bei dem Mädchen ein Talent für Kreativität – sie malte wunderschön, was auch ihre Lehrer glücklich machte.

Ich wusste immer, dass ich Modedesignerin werden würde. Jetzt ist die Zeit, zu überraschen. Ich glaube, wenn ich das nötige Wissen habe, dann kann ich etwas erschaffen, das die Welt erschüttern wird, sagt Maria voller Selbstbewusstsein.

Einst folgten die Vorfahren unserer Heldin der Einladung der Zarin Katharina. Viele Jahre lang dienten die Haidenreichs Russland treu und rechtschaffen, bis sie in den 1940er Jahren nach Kasachstan mussten.

Neben dem Modellieren und Entwerfen von Kleidung liebt es Maria, Neues kennenzulernen. Vor drei Jahren erhielt sie ein Stipendium für das Studium an einem internationalen College in Schanghai. In China studierte die junge Frau bei bedeutenden Designern Asiens und Europas. Das Erlernte hat die vertraute Welt Marias auf den Kopf gestellt. Davon inspiriert, schuf sie einige interessante Werke, welche auch von ihren Lehrern gewürdigt
wurden.

Ich hörte auf den Rat der Lehrer, die mich überzeugten, an mich selbst zu glauben und so viel wie möglich an Wettbewerben teilzunehmen. Und so beschloss ich, auch an dem Festival der jungen Künstler Kasachstans teilzunehmen, so Maria.

Und es lief sogar sehr gut: die junge Frau schlug sich bis zur finalen Etappe durch. Die Erstellung des Musters dauerte ungefähr einen Monat. Es flossen alte Jeans, Hemden und Lumpen darin ein.

Die Ökologie liegt mir nahe. Ich glaube, dass jeder Bewohner der Erde nicht nur daran denken sollte, dass er hier und jetzt lebt, sondern auch an die zukünftigen Generationen. Unsere Arbeit als Designer ist es, aufzuzeigen, dass wir mit den Dingen schonender umgehen müssen. Man muss innerhalb angemessener Grenzen sparsam sein.

Und selbst wenn die junge Frau nicht gewonnen hat – für sie war es wichtig, die Meinungen der Jurymitglieder zu hören, oder auf die unbezahlbaren Ratschläge in den Workshops, die im Wettbewerbsprogramm mit eingeplant waren, zu hören.

Übrigens hat Maria vor, sich neue Kenntnisse in Europa anzueignen. Genauer gesagt in Italien.

Italien und Frankreich sind Länder, in denen sich die Mode rasant entwickelt. Ich habe Venedig ausgewählt – die Akademie der Bildenden Künste. Ich bin 20 Jahre alt und werde schrittweise diese Welt erobern, genau wie ich es beabsichtigt habe. Und dann werden wir weiter sehen. Ich würde mir wünschen, dass meine Kollektionen in der historischen Heimat ausgestellt werden – in Deutschland und Österreich. Und natürlich auch in Kasachstan. Dem Land, welches immer in meinem Herzen bleiben wird, so Maria Haidenreich über ihre Pläne.

Konstantin Sergejew

Übersetzung: Philipp Dippl

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