In meinem Haus ist zuletzt die Treppe weggekracht. Fast zumindest. Also, die Stufen haben sich abgesenkt. Das Ganze wurde von dem Schild des Vermieters eingeläutet, das da lautete: „Bitte die Treppe nur einzeln betreten!“ Gott sei Dank wiege ich nicht so viel. Trotzdem habe ich mich nur einzeln, auf leisen Sohlen und mit angehaltenem Atem darauf bewegt. Dann hieß es, die Treppen würden erneuert. Vorübergehend wurde ein Ast unter die Treppe geklemmt, bis dann der Totalabriss erfolgte.
Die zwei Tage, die es hätte dauern sollen – „wir mögen uns bitte darauf einstellen“, was hieß: ein- oder ausgesperrt zu bleiben, verzögerten sich zunächst um einen Tag und dauerten schließlich eine ganze Woche inklusive Wochenende. Mann, war das eine Tortur. Der Lärm, der Staub, das mühselige Durchkommen… Dann war irgendwann Ruh, zuletzt wurde die zweite Hälfte abgerissen. Dasselbe Theater noch mal und nicht minder lang; aus den angekündigten zwei Tagen wurde wieder eine Woche. Nun, man wird ja mit jedem Mal wissender und somit auch souveräner. Die fachkundige Absicherung der Geländer – dünner Ast draufgelegt und mit einer Plastiktüte verknotet – war mir schon bekannt. Beim ersten Mal habe ich es noch fotografiert und jedem erzählt, weil ich es so kurios fand; diesmal entlockte es nicht mehr als ein kaum sichtbares Schulterzucken. Also, mit dem Abreißen von halben Treppenhäusern komme ich inzwischen prima zurecht, das nehme ich im Vorbeigehen mit links.
Nur der Transfer von „Belästigungen durch fehlende Treppe“ auf „Belästigungen durch Erneuern der Böden“ ist mir nicht gelungen. Daran fehlte das wirklich spannende Element: „Wie komme ich rauf und runter?“, übrig blieb einzig der Lärm. Eine Woche lang hallte die Kreissäge vom Zuschneiden der Dielen durchs Haus. Zwei Tage lang ungebremst in die Wohnung, weil man meine Wohnungstür aushebeln musste, um ordentlich arbeiten zu können. Da ich irgendwo meinen Zorn lassen wollte und ihn nicht gegen die Arbeiten an sich richten konnte, suchte ich mir die nicht erfolgte Ankündigung der Beeinträchtigungen als Ziel aus. Das heißt, es wurde schon angekündigt: Eines Tages hämmerte und klingelte es wild an der Wohnungstür. Ich reagierte nicht sofort, weil ich inmitten einer Telefonkonferenz steckte. Als die anderen wild diskutierten, stahl ich mich schnell und heimlich davon, um im Flur nach dem Rechten zu sehen. Also, der Kram aus dem Flur müsse sofort weg und die Wohnungstür raus. Ich würde hier jetzt gar nichts tun und räumen, von wegen Telefonkonferenz und so, peng! Dann räumten sie eben selbst, woraufhin mein Kram drei Tage lang im Regen stand! Nach der Telefonkonferenz einigten wir uns darauf, dass sie mal ganz kurz die Wohnungstür rausnehmen dürften. Ich müsse Geschäfte tätigen, ob sie verstehen. Ja ja, sie nickten, nur ganz kurz. Aus ganz kurz wurden circa 7 Stunden, an je 2 Tagen! Dennoch war ich bemüht, mich gut mit ihnen zu stellen, das bringt sicher einige Pluspunkte im Erleuchtungssystem, sind ja auch nur arme Handwerker, die bemüht sind, ihren Job gut zu tun. Und da ich ein paar Worte Russisch von ihnen aufschnappte, dachte ich, ich tu uns allen einen Gefallen, ab und zu mit ein paar russischen Sätzen durchs Treppenhaus zu spazieren. Keine Reaktion, man sprach eigentlich gar nicht mehr mit mir, Blicke auf den Boden… ja, was ist denn nu los?! Ach, man weiß ja nie, was in russischen Männern vorgeht, ob sie sich schämen oder Mordstrategien aushecken oder… Da man Freunden mehr verzeiht als Feinden, habe ich meinen alten Ärger über dieses unprofessionelle, unangekündigte, unsichere, unverhältnismäßig lange Handwerkstreiben wieder rausgeholt.
Zuletzt dann, am vorletzten Tag der Bauarbeiten bemerkte Emrah, mein Mitbewohner, dass das Handwerkerauto ein polnisches Autokennzeichen hat. Hmpf! Fettnapf. Ich hörte also auf, Russisch zu reden. Und jetzt fingen sie auch endlich an, ein wenig mit mir zu sprechen, ein klitzekleinwenig zwar nur, aber immerhin! Am Ende waren wir dann alle froh, als das endlich vorbei war. Und über das geteilte Leid, dass wir beide während dieser Zeit nicht ordentlich arbeiten konnten – ich wegen dem Lärm nicht und die Handwerker, weil ich meine Tür und den Flur nicht gleich freigegeben haben, haben wir uns dann fast ein wenig angefreundet.
Julia Siebert
20/06/08