Igor Petrov ist seit 2020 leitender Direktor bei Robert Bosch mit Zuständigkeit für die Länder Zentralasiens. Wir haben mit ihm über die Zusammenarbeit mit kasachischen Partnern, Karrieremöglichkeiten und aktuelle technologische Trends wie E-Mobilität und Wasserstoff gesprochen.
Herr Petrov, die Firma Bosch produziert und vertreibt Technik für den Automobilsektor, aber auch Haushaltsgeräte, Elektronik und Industrietechnik. Welche Ihrer Produkte sind aktuell weltweit und in Zentralasien besonders gefragt?
Bosch ist mit einem Umsatz von über 77 Milliarden Euro einer der größten deutschen Konzerne. 59 Prozent des Umsatzes entfielen 2020 auf die Lieferung von Autoteilen. Die aktuelle Situation im Zusammenhang mit Lieferproblemen bei elektronischen Bauteilen betrifft BOSCH deshalb. Dafür gibt es Bereiche, die im Zuge der Pandemie ein unerwartet großes Wachstum gezeigt haben. Haushaltsgeräte und Elektrowerkzeuge zählten hier im vergangenen Jahr zu den wachstumsstärksten Segmenten, weil die Menschen während der Lockdowns viel Zeit zuhause verbracht haben.
Wie kann man sich die Zusammenarbeit von Bosch als deutschem Unternehmen mit lokalen Partnern hier in Kasachstan vorstellen?
Für unsere thermischen Geräte und Elektrowerkzeuge, die wir hier verkaufen, haben wir Lager in Almaty. Dort kommen die Lieferungen aus den Bosch-Werken an, dann verkaufen wir sie an Zwischenhändler, und die wiederum an die Endkunden. Aus den Lagern in Almaty beliefern wir auch die anderen Länder Zentralasiens, wo wir ebenfalls Zwischenhändler haben. Wir achten aber auch darauf, dass die technisch anspruchsvollen Produkte richtig installiert und in Betrieb genommen werden. Wir liefern zum Beispiel Heizkessel an große Industrieanlagen. Vor kurzem etwa hatten wir so ein Projekt mit einem der Autohersteller. Dort gibt es einen separaten Heizraum, in dem sechs riesige Heizkessel stehen. Damit diese Systeme effizient arbeiten, muss man wissen, wie man sie anschließt und bedient. Wir investieren deshalb viel Mühe, um unsere Partner zu schulen, zu zertifizieren und bei der Inbetriebnahme und Abnahme unserer Geräte mitzuwirken, damit alles gut funktioniert.
Von wo werden die Heizkessel und die anderen Produkte für die Region hauptsächlich geliefert?
Bosch hat Hunderte Fabriken auf der ganzen Welt. Die Ausrüstung, die hierher kommt, wird außerhalb Zentralasiens hergestellt – teils in der Tschechischen Republik, teils in Deutschland und in Russland. Wir haben ein Werk in Engels bei Saratow, das sowohl Elektrowerkzeuge als auch Heizgeräte herstellt. Ein Teil der Haushaltsgeräte wird in einem Werk in St. Petersburg produziert. Natürlich wünscht sich jede Regierung, dass internationale Unternehmen Lokalisierung betreiben und vor Ort produzieren, um Arbeitsplätze zu schaffen. Bosch erwägt das auch, aber jede Lokalisierung muss wirtschaftlich gerechtfertigt sein. Um etwa über eine Lokalisierung hier in Kasachstan zu reden, müssen wir noch ein gutes Stück an Weg zurücklegen und das Verkaufsvolumen steigern. Vielleicht wird das in einiger Zeit relevant sein.
Welche Qualifikation und Ausbildung benötigt man, um Mitarbeiter in Ihrem Unternehmen zu werden?
Je nach Position gibt es eine Reihe von formalen Anforderungen, also „Hard Skills“. Da geht es etwa darum, ob man mit Microsoft Teams arbeiten kann, oder ob man etwas von Buchhaltung versteht. Nicht weniger wichtig sind aber die „Soft Skills“: Teamfähigkeit, Kommunikationsfähigkeit, Empathie, Verständnis für andere, Toleranz gegenüber anderen Meinungen. Denn man arbeitet ja in einem internationalen Team. Auch Sprachkenntnisse sind gefragt. Klar ist auch, dass Bosch technisch komplexe Produkte verkauft. Wer im Vertrieb arbeitet, den sollte Technik nicht erschrecken. Das gilt auch für unsere Mitarbeiter im Backoffice: Sie schreiben Rechnungen und kommunizieren mit Kunden. Da wird auch ein gewisses Verständnis für das Produkt vorausgesetzt. Immer wichtiger ist heutzutage zudem die Fähigkeit, aus der ständigen Informationsflut die tatsächlich benötigten Informationen herauszufiltern.
Sie sind selbst schon sehr lange als Manager tätig und leiten die Niederlassung eines großen Unternehmens. Was ist für Sie die Basis guter Führung, und über welche Eigenschaften sollte ein guter Leiter verfügen?
Ein Team zu führen, bedeutet für mich in erster Linie Verantwortung. Persönliche Verantwortung für den Menschen, für das Arbeitsergebnis. Und es macht mir große Freude zu sehen, wie die Kollegen, mit denen ich arbeite, Fortschritte machen, in ihrer Professionalität wachsen. Als ich einmal in Deutschland war, gab es eine Ausstellung mit Gemälden eines Künstlers. Dort waren Piktogramme ausgestellt, die zeigten, wie sich verschiedene Kulturen unterscheiden. Beziehungen zwischen Leiter und Team waren in Form von Kreisen dargestellt. In der asiatischen Kultur steht der Leiter außerhalb der Kreise und ist höher angesiedelt. In der europäischen Kultur ist der Punkt, der den Leiter darstellt, einer der Punkte innerhalb des Kreises. Das ist näher an meinem Verständnis, weil ich glaube, dass die Menschen, die wir rekrutieren, motivierter sind, ihren Job gut zu machen. Meine Aufgabe ist es, ihnen dabei zu helfen, gute Ergebnisse zu erzielen. Manchmal ist es aber notwendig, auf inakzeptable Dinge hinzuweisen.
Im Automobil-Bereich sehen wir einen gewaltigen Wandel hin zur E-Mobilität. Welche Chancen und Herausforderungen bringt das für Bosch?
Der Elektromotor wird Benzin- und Dieselmotoren ersetzen. Bosch hat den Wandel hin zu Elektrofahrzeugen früh erkannt und jährlich Hunderte Millionen Euro in diesem Bereich investiert. Das trägt jetzt Früchte. Der Auftragsbestand von Bosch für die kommenden Jahre beläuft sich allein im Bereich der Elektrofahrzeuge bereits auf mehrere Milliarden. Der Umstieg ist aber eine Herausforderung – nicht nur für Zulieferer, sondern auch für Hersteller. Man muss die gesamte Infrastruktur und Produktion von Komponenten für Verbrennungsmotoren aufrechterhalten, und parallel die notwendigen Investitionen tätigen, um Komponenten für Elektrofahrzeuge zu produzieren. Um solche Investitionen zu tätigen, sind sehr große Verträge erforderlich. Bosch meistert das. Unser Anspruch ist es, weltweit führend bei der Lieferung von Komponenten für Fahrzeuge zu bleiben, E-Autos inbegriffen.
In welchem Maß ist Bosch vom aktuellen Chipmangel betroffen, der die Autoindustrie und andere Branchen vermutlich noch mindestens bis 2022 bremsen wird?
Das Problem betrifft uns direkt. Die Liefermengen von Autokomponenten sind durch das Werk des Autoherstellers begrenzt. Aus diesem Grund gibt es einen Mangel an Autos auf dem Markt. Ich lese zum Beispiel Nachrichten aus Lettland, wo die Wartezeit auf ein neues Auto drei bis vier Monate beträgt. Der Markt für Zweitfahrzeuge ist in dieser Situation stark gewachsen. Es lässt sich also nicht verbergen, dass es Lieferschwierigkeiten bei Autoteilen und in anderen Industrien gibt, wo Halbleiter benötigt werden.
Gibt es das Problem auch bei Haushaltsgeräten?
Ja. Wir würden mehr Produkte verkaufen, wenn es das Defizit nicht gäbe. Es wurde eine Arbeitsgruppe gebildet, die rund um die Uhr die Bedürfnisse unserer Partner abarbeitet. Das geschieht im Dialog mit den Zulieferern. Grundsätzlich sind alle neuen Technologien ein Treiber der Nachfrage nach elektronischen Komponenten. Daher wächst der Druck vom Markt, die Nachfrage nach Mengen. Ich denke aber, die Marktmechanismen werden sich anpassen, und das Problem 2022 behoben sein.
Bosch bietet auch Lösungen im Bereich Erneuerbare Energien. In Kasachstan genießt dieses Thema ebenfalls eine hohe Priorität. Welche Projekte verfolgen und planen Sie aktuell in dem Bereich?
Grüne Energien sind ein wichtiger globaler Trend, ebenso wie die Dekarbonisierung. Was letztere betrifft, hat Bosch sich auf globaler Ebene zum Ziel gesetzt, ein „CO2-neutrales“ Unternehmen zu sein. Das haben wir bereits 2020 erreicht. In Bezug auf grüne Energien und insbesondere Wasserstoff können wir noch einmal zum Thema Auto zurückkehren. Es gibt die Vision, dass Wasserstoff hier ein neuer Kraftstoff werden kann, auch weil Autos damit ähnlich schnell betankt werden können wie mit Benzin.
Kasachstan und Usbekistan wollen Wasserstofflieferanten für den Weltmarkt sein. Tatsächlich profitieren sie von günstigen klimatischen Bedingungen, weil es viel Sonne als erneuerbare Energiequelle gibt. Die Rolle von Bosch besteht darin, Werte für die Endverbraucher zu schaffen. Wir produzieren nicht selbst Wasserstoff. Aber wir bieten eine Technologie an, die Wasserstoff als Energiequelle nutzt und Eigenschaften erzeugt, die für den Menschen nützlich sind. Ein einfaches Beispiel: Wir haben bereits Heizkessel, die Wasserstoff als Energieträger verbrauchen und Wärme in Haushalten, Betrieben usw. bereitstellen können.
Vielen Dank für das Gespräch.
Die Fragen stellten die Jungen Redakteure der DSD-Schulen in Almaty: Amina Amiraliyeva, Kira Grebenyuk, Ayaulym Zhumabekova, Marietta Khabil, Malika Gabitova, Nuray Kali (68. Schule); Alyona Tishkina, Kamila Knak, Anna-Maria Klan (18. Schule); Bogdan Mironov (Nazarbayev Intellectual School Biologie/Chemie).
Dieser Beitrag ist Teil eines Projekts, das vom Institut für Auslandsbeziehungen aus Mitteln des Auswärtigen Amtes gefördert wird.