Viele Kinder kommen jedes Jahr mit fehlenden Gliedmaßen zur Welt. Doch nur wenige von ihnen erhalten Unterstützung. Eine Organisation in Kasachstan möchte das ändern und sammelt Spenden, damit die Betroffenen Prothesen bekommen und endlich Dinge tun können, die für die meisten Menschen selbstverständlich sind.

Wie oft denkt man über Menschen nach, die mit körperlichen oder geistigen Besonderheiten geboren wurden? Wenn sie auf solche Menschen treffen, versuchen die meisten von uns, einfach wegzuschauen. Und gleichzeitig danken sie Gott dafür, dass sie mit allen Gliedern geboren wurden. Dabei unterschätzen wir vollkommen, dass diese Leute viel stärker sind, als es auf den ersten Blick den Anschein erweckt. Ihr ganzes Leben lang sind sie bestrebt, nicht nur ihrer Umgebung, sondern auch sich selbst zu beweisen, dass sie trotz ihrer besonderen Situation wie andere Sport treiben, eine akademische Ausbildung haben und glückliche Familien gründen können. Aber trotz ihrer großen Willenskraft und Unabhängigkeit ist jeder von ihnen froh über Unterstützung.

Unterstützung für Kinder mit Fehlbildungen

Zum Glück gibt es in unserem Land nicht nur Leute, denen die Schicksale anderer egal sind, sondern auch solche, die in Eigenregie handeln. Zu ihnen zählen die Köpfe hinter dem Wohlfahrtsfonds „Cyberfonds“. Die Gründerin und Direktorin der Organisation Gulzat Murzagulova verbindet dabei durchaus eine persönliche Note mit ihrer Arbeit: Sie hat selbst Erfahrungen mit solchen Beschwerden und Erlebnissen gemacht. Denn ihre eigene Tochter hat bei der Geburt die Diagnose auf Aplesie – also eine geringe Entwicklung – der Harnleiter erhalten.

Doch obwohl sie seit vielen Jahren damit zu kämpfen hat, hat sie sich mit solchen Schicksalen nicht abgefunden, und kämpft weiter dafür, dass es ihrem Kind und anderen besser geht: „Jedes Jahr wächst die Zahl der Kinder, die mit Fehlbildungen geboren werden. Die Unterstützung, die es gibt, erreicht viele nie. Aber Kinder, denen Hände oder Beine fehlen, sind angewiesen auf fremde Hilfe. Wir können ihnen ein vollwertiges Leben ermöglichen. Das ist die Kategorie von Menschen, die auf sich selbst achten können, wenn wir ihnen helfen. Sie können auch am ökonomischen und sozialen Leben der Allgemeinheit
teilhaben.“

Endlich selbständig Fahrrad fahren

Ihren Worten ließ Gulzat vom „Cyberfonds“ Taten folgen. Ihre Organisation sammelt Spenden dafür, dass die betroffenen Kinder eine Prothese erhalten. Und das mit Erfolg: In den letzten zwei Jahren haben bereits 22 Kinder „Cyberhände“ – also Armprothesen – bekommen, dank anderen Leuten im Land, denen die Schicksale nicht gleichgültig sind. Die Prothesen, die die „Cyberhelden“ bekommen, hat der 21-jährige Programmierer Maulen Bekturganov entworfen. Es handelt sich dabei um den Archetypen bionischer Handprothesen, der mehr als 20 Bewegungen ausführen kann. Dabei fragt man sich natürlich, wozu man etwas erfinden muss, das es schon gibt. Die Antwort ist jedoch einfach: Die Armprothesen, die in Kasachstan hergestellt werden, sind billiger als die sehr teuren Modelle im Ausland – dafür aber nicht schlechter.

Die Emotionen der Kinder, die ihre „Cyberhände“ bekommen, sind laut Gulzat kaum mit Worten zu beschreiben: „Wenn unsere Cyberhelden zum ersten Mal ihre Cyberhände benutzen, löst das einen wahren Sturm an Gefühlsregungen aus. Und in diesem Moment erfreuen sie sich an Dingen, die für andere ganz natürlich und selbstverständlich sind. Ein Junge hat mir begeistert gesagt, dass er jetzt Fahrrad fahren kann. Ein Mädchen war froh, weil sie seitdem bei Auftritten selbst das Mikrofon in den Händen halten und singen kann. Und ein 6-jähriger Cyberheld freut sich einfach darüber, dass er jetzt selbständig eine Banane schälen kann.“

Die Suche nach einem Sponsor

Ein Problem, vor dem der Fonds steht, ist wie so oft die Frage des Geldes – trotz der vielen Spenden für Prothesen. „Wir haben aktuell keine Finanzierungsquelle für die Tätigkeiten des Fonds“, sagt Gründerin Gulzat Murzagulova. „Deshalb können wir keine Profis anstellen. Alle, die uns jetzt helfen, machen das entgeltfrei.“ Das Problem: Jeder von ihnen habe Familie und müsse diese versorgen. Sie könnten sich daher nur zu einem relativ geringen Teil einbringen in die Arbeit des Fonds. „Die Entwicklung und Realisierung der Projekte erfordert aber von jedem Mitarbeiter 100 Prozent Einsatz“, sagt Gulzat. Um die finanziellen Schwierigkeiten zu überwinden, suchen die Mitstreiter des „Cyberfonds“ weiterhin nach Sponsoren. Denn Gulzat hat noch weitergehende Pläne, die sie in Zukunft umsetzen will. „Sobald wir einen Sponsor gefunden haben, gehen wir über zur nächsten Phase: Wir wollen auch Kindern helfen, die Probleme mit den Beinen haben, und für sie Fußprothesen entwickeln lassen.“

Xenia Sutschkowa

Teilen mit: