Erna Wormsbecher wird 1947 als Deutsche in Sibirien geboren, in ihrer Familie ist sie die Einzige, die „nicht zu Hause“ geboren wurde – an der Wolga. In ihrem berührenden Buch „Stalin, Nähmaschine und ich“ (Berlin 2017) erzählt sie aus der Perspektive eines Kindes über das Leben der verbannten Wolgadeutschen. Bei der Deportation ist ihre Mutter „im letzten Moment noch ins Haus zurückgegangen, hat die Nähmaschine vom Fuß getrennt, in eine Decke eingewickelt und auf den Wagen gebracht.

Erna Wormsbecher, „Stalin, Nähmaschine und ich“

Diese Entscheidung hat später unserer Familie das Leben gerettet“, ist im Buch nachzulesen. Das Nachkriegskind Erna Wormsbecher selbst und die Nähmaschine, die so alt wie Stalin ist („das machte sie berühmt“), stehen im Mittelpunkt der Erzählung. Auch ihre Geburt in Sibirien hatte mit dem Namen Stalin zu tun, denn sie „galt automatisch als Volksfeind.“ Die Welt ihrer Kindheit ist eine Barackenwelt – das Lieblingsbild ihrer Kindheit war „Mama an der Nähmaschine“ und ihre Erzählungen von „zu Hause“. Die deutsche Gemeinde in den Baracken hielt zusammen.

„Es verschmolzen Dialekte, sozialer Status, Herkunftsorte – sogar katholischer und lutherischer Glauben wurden nur bei der Heirat beachtet. Wir waren alle Deutsche“, schreibt sie. Seit 1995 lebt Erna Wormsbecher mit ihrer Familie in Deutschland, seitdem engagierte sich die studierte Pädagogin mit 30 Jahren berufliche Erfahrung bei zahlreichen Integrationsprojekten. Buchbestellungen unter erna_wormsbecher@web.de

Melanie Fischer, „Lebensgeschichten. Von weißen Fliegen und vielen Ivans“

Die Kommunikationsdesignerin Melanie Fischer hat die Geschichte ihrer Familie zum Thema für ihre Abschlussarbeit Kommunikationsdesign (2016) an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig gemacht.

Herausgekommen ist ein ungewöhnliches Buch mit dem Titel „Lebensgeschichten. Von weißen Fliegen und vielen Ivans“ – eine kulturgeschichtliche Dokumentation des Alltags in der Sowjetunion von 1930 bis 1980 und danach in Deutschland am Beispiel der Familiengeschichte von Oskar und Cäcilie (geb. Lukanowski) Rohrer, der Großeltern von Melanie Fischer. Der Großvater Oskar Rohrer war langjähriges Mitglied der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland und leidenschaftlicher Leser der „Volk auf dem Weg“ und der Heimatbücher.

Die authentische und berührende Publikation basiert inhaltlich auf mehrstündigen Interviews mit den Großeltern, die im Schwarzmeergebiet jeweils 1935 und 1940 geboren wurden und nach mehrfachen Wanderungen 1980 schließlich nach Deutschland kommen durften. „Mit meiner Arbeit möchte ich verbinden und bewahren. Auf der Suche nach Erinnerung, Identität und Perspektiven der Wahrheit wird die Vergangenheit einer Familie aufgearbeitet. Auf diese Weise werden wichtige Erinnerungen bewahrt, was nicht nur für uns persönlich wichtig ist, sondern auch für unsere Nachkommen“, schreibt Melanie Fischer.

Nina Paulsen

Dieser Text ist ein Auszug eines Artikels aus „Volk auf dem Weg“ (Ausg. 11-2018).

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