In diesem Jahr feiert Kasachstan ein sehr wichtiges Datum – den 30. Jahrestag der Ratifizierung des Übereinkommens über die Rechte des Kindes. Dieses Jahr markiert ebenfalls den 30. Jahrestag der UNICEF-Aktivitäten in Kasachstan. In den letzten Jahren hat Kasachstan große Fortschritte im System zum Schutz der Kinderrechte gemacht. In all diesen Jahren hat UNICEF gemeinsam mit der Regierung und der Zivilgesellschaft daran gearbeitet, dass in naher Zukunft kein Kind mehr der elterlichen Fürsorge beraubt wird.

Nach Angaben der Agentur für strategische Planung und Reformen der Republik Kasachstan, des Amtes für nationale Statistik, belief sich die Gesamtzahl der Waisen und Kinder ohne elterliche Fürsorge im Jahr 2022 auf mehr als 22.000. „Die meisten Kinder, die ohne elterliche Fürsorge in Heimen leben, sind Sozialwaisen – sprich: sie haben Eltern, denen aber aus dem einen oder anderen Grund die elterlichen Rechte entzogen wurden“, sagt Elvira Jauschewa, Leiterin des Bereichs Öffentlichkeitsarbeit bei UNICEF Kasachstan. Die Praxis, Kinder in Heimen unterzubringen, wird durch Armut, sozioökonomische Benachteiligung und andere Schwachstellen begünstigt.

UNICEF hat die Aufgabe, mit der kasachischen Regierung und der Zivilgesellschaft zusammenzuarbeiten, um die Zahl der in Heimen untergebrachten Kinder zu verringern, eine qualitativ hochwertige familiäre Erziehung für jedes Kind zu gewährleisten und Familien mit sozialen Diensten und Unterstützung zu versorgen.

„Ein Großteil unserer Arbeit erfolgt unter anderem durch ein Programm zur Unterstützung der Wiedereingliederung von Kindern, die aus Konfliktgebieten in Syrien und im Irak nach Kasachstan zurückgekehrt sind. Insbesondere entwickelt UNICEF gemeinsam mit der Regierung Standards und schult Fachleute vor Ort, um die Situation zu bewerten sowie das erforderliche Leistungspaket zu ermitteln und bereitzustellen, das den Bedürfnissen eines bestimmten Kindes und einer bestimmten Familie entspricht“, so Jauschewa.

Schritte zur Deinstitutionalisierung von Waisen und Kindern ohne elterliche Fürsorge

Gemäß dem Übereinkommen über die Rechte des Kindes haben alle Kinder das Recht, in einem unterstützenden und fördernden familiären Umfeld aufzuwachsen. Das Leben in einem Heim kann langfristig negative Folgen für das Leben eines Kindes haben. „Egal wie gut und wunderbar ein Waisenhaus ist – jedes Kind träumt von einer Familie“, meint Jauschewa.

Kinder, die in Heimen leben, sind anfälliger für emotionale Vernachlässigung, Gewalt und Ausbeutung. Sie haben oft Schwierigkeiten, während ihrer Kindheit und im Erwachsenenalter positive Beziehungen aufzubauen, was zu Gefühlen der Isolation und Einsamkeit führen kann. Bei diesen Kindern kann es insbesondere in der frühen Kindheit zu Verzögerungen in der geistigen, sprachlichen und sonstigen Entwicklung kommen, und es ist wahrscheinlicher, dass sie mit dem Gesetz in Konflikt geraten, was zu einem ständigen Kreislauf der Heimunterbringung führt.

Kasachstan hat große Fortschritte bei der Umwandlung von Waisenhäusern in Kinderbetreuungszentren oder bei der Einrichtung von familienähnlichen Heimen gemacht. Nach Angaben von UNICEF leben jedoch immer noch mehr als 12.000 Kinder in Heimen. 24 Prozent von ihnen sind Kinder mit Behinderungen.

Neuen Daten zufolge gibt es landesweit 36 Unterstützungszentren für Kinder in schwierigen Lebenssituationen. Im Jahr 2017 gab es nur drei solcher Zentren. Sie bieten spezielle soziale Dienstleistungen mit der Möglichkeit eines dauerhaften oder vorübergehenden (Tages-)Aufenthalts; sie bieten auch Informationen, Beratung und rechtliche Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Prävention von schwierigen Lebenssituationen.

Jedes der 36 Zentren bietet acht spezielle Sozialdienste an: Sozialfürsorge, sozialmedizinische, sozialpsychologische, sozialpädagogische, sozialarbeiterische, soziokulturelle, sozioökonomische und soziojuristische Dienste. Die Zentren arbeiten auch aktiv an der weiteren Unterbringung der Kinder, einschließlich der Rückkehr in eine Blutsfamilie oder der Unterbringung in Familien kasachstanischer Staatsbürger.

„Kasachstan hat die negativen Auswirkungen der Heimunterbringung auf Kinder erkannt und richtet die Aktivitäten der Betreuungszentren neu aus, so dass sie nicht nur Kinder unterbringen, sondern auch Dienste anbieten, um Kinder wieder mit ihren Herkunftsfamilien zu vereinen und sie in Pflegefamilien unterzubringen“, erklärte Jauschewa. Die Zentren sind jetzt in Astana, Almaty, Aqtöbe, Kostanai, Ekibastus, Schtschutschinsk und anderen Städten in Kasachstan tätig.

Verschiedene Formen der Unterbringung von Kindern in Familien

Derzeit gibt es im Land verschiedene Formen der Unterbringung von Kindern in Familien: Adoption, Vormundschaft, Pflegefamilie, Patenschaft und Gastfamilie. Besonders wichtig ist die Initiative zur Schaffung von professionellen Pflegefamilien, die das Leben von Kindern ohne elterliche Fürsorge, insbesondere von Kindern mit Behinderungen, verbessern können.

Diese Initiative sollte nicht nur den Aufbau eines Netzes qualifizierter Pflegefamilien umfassen, sondern auch deren kontinuierliche Unterstützung und professionelle Betreuung, um zu verhindern, dass sie erneut in einem Waisenhaus landen, und um sicherzustellen, dass jedes Kind eine unterstützende Familie findet. „Es ist wichtig, dass eine ausreichende Zahl von Familien, die bereit sind, ihr Zuhause und ihr Herz für diese Kinder zu öffnen, in diesen Prozess einbezogen wird“, so Jauschewa.

Insgesamt gibt es in Kasachstan

80 Pflegeelternschulen, deren Anzahl in den einzelnen Regionen variiert. „Dennoch gibt es leider immer noch Schwierigkeiten beim Zugang zu Bildungsprogrammen für potenzielle Pflegeeltern“, sagt Jauschewa, und verweist auf die begrenzten Kapazitäten der Kinderbetreuungszentren. „Dies unterstreicht die dringende Notwendigkeit einer öffentlichen Finanzierung solcher Dienste mit der Möglichkeit ihrer späteren Übertragung auf den zivilen Sektor, um einen breiteren und effektiveren Zugang zu einer hochwertigen Ausbildung zu gewährleisten.“

Was könnte verbessert werden?

Ein Bereich, auf den UNICEF aufmerksam machen möchte, ist die Ausweitung der Dienstleistungen für gefährdete Kinder. Kinderbetreuungszentren und Jugendsozialeinrichtungen sind wichtig, um auf Situationen zu reagieren, in denen sich Kinder bereits in Schwierigkeiten befinden. Vormundschafts- und Treuhandstellen spielen eine zentrale Rolle bei der Gewährleistung der Rechte und des Wohlergehens von Kindern, wie in Artikel 67 des Ehe- und Familiengesetzes der Republik Kasachstan betont wird.

Obwohl die Vormundschaftsbehörden erhebliche Anstrengungen unternehmen, um den Schutz der Kinder zu gewährleisten, sind sie mit einer Reihe von Einschränkungen konfrontiert. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, die Praktiken des Kinderschutzes weiter an die internationalen Standards anzugleichen, wie sie im Übereinkommen über die Rechte des Kindes und in den UN-Leitlinien für alternative Betreuung festgelegt sind.

Gleichzeitig müssen Mechanismen zur frühzeitigen Verhinderung der Kindesaussetzung entwickelt und gezielte Dienste und Programme für Risikogruppen unter gefährdeten Familien und Kindern angeboten werden. In diesem Zusammenhang unterstützt UNICEF die Fachministerien bei der Überprüfung bestehender Konzepte für Familienunterstützungszentren, damit diese Zentren zu Schlüsseleinrichtungen werden können, die umfassende und gezielte Dienstleistungen zur Verhinderung von familiärer Benachteiligung anbieten und Programme für Risikogruppen umsetzen.

UNICEF empfiehlt die Annahme einer umfassenden Strategie zur Umgestaltung des Systems der Betreuung von Waisen und Kindern ohne elterliche Fürsorge. Ein wichtiger Teil einer solchen Strategie sollte die Umverteilung von Mitteln von stationären Diensten zu gemeindenahen Diensten (Familienbetreuung) sowie die Verbesserung des derzeitigen Mechanismus der finanziellen Unterstützung für bedürftige Familien sein, wobei der Schwerpunkt auf der Unterstützung durch Fallmanagement liegen sollte.

Laut UNICEF-Sprecherin Elvira Jauschewa ist es „effektiver, in die Entwicklung und den Ausbau des Netzes sozialer Dienste zu investieren und zu verhindern, dass Kinder in ein Heim kommen, um so die Belastung des Staatshaushalts für den Unterhalt von Waisenhäusern zu verringern“. UNICEF arbeitet auch mit der Regierung und dem nationalen Statistikamt zusammen, um die Verfügbarkeit, Vergleichbarkeit und Qualität der Daten über Kinder in alternativer Betreuung zu verbessern.

Es bleibt weiter zu analysieren, warum Kinder in Kasachstan zu Waisen werden oder ohne elterliche Fürsorge auskommen müssen. Auch müssen Maßnahmen maximiert werden, um eine Heimunterbringung zu verhindern. Nur dann lässt sich ein Umfeld schaffen, in dem jedes Kind die Möglichkeit hat, in einer unterstützenden Familie aufzuwachsen und sich zu entwickeln.

Autorin: Irina Radu.

Übersetzung: Annabel Rosin.

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