Cornelia Riedel, ehemalige Redakteurin des deutschen Teils der DAZ, hat Ende August Abschied von Lesern, Kollegen, Freunden und Zentralasien genommen. Sie übergab die Leitung der deutschsprachigen Redaktion ihrem Nachfolger Ulf Seegers. Im Interview mit Natalja Salipjatskich spricht sie über ihre Erfahrungen in Kasachstan.

Am Ende eines jeden Projekts zieht man oft Bilanz – ob man alles geschafft hat, was man sich vorgenommen hatte. Haben Sie das Gefühl, als Redakteurin der DAZ Ihr Bestes getan zu haben?

Während meiner Zeit in Almaty haben wir in der Redaktion jede Menge geschafft. Das Layout der Zeitung wurde neu gestaltet, wir haben neue Abonnenten gewonnen, eine Zukunftsstrategie für die DAZ entwickelt und das Blatt in Schulen und Universitäten jungen Lesern vorgestellt. Natürlich hat man immer das Gefühl, dass man hätte mehr machen können. Und spannende und wichtige Themen, die in der DAZ stehen sollten, gibt es ja auch immer. Doch natürlich konnten wir diese nur im Rahmen der Möglichkeiten einer staatlichen Zeitung in Kasachstan, wie die DAZ eine ist, ins Blatt bringen. Ich habe neben meiner Arbeit als Redakteurin auch junge Leute, Germanistikstudenten und Deutschstämmige, in den Journalismus eingeführt und ich glaube, dass ich in diesem Bereich etwas erreicht habe.

Sie haben in St. Petersburg Journalistik unterrichtet und dort die Traditionen des russischsprachigen Journalismus kennen gelernt. Gibt es aus Ihrer Sicht Unterschiede zwischen dem Journalismus in der GUS und Deutschland?

Als ich in der russischen Kulturmetropole gearbeitet habe, ist mir aufgefallen, dass der Journalismus dort sehr nah an der Literatur ist, in Deutschland ist das anders. Die Studenten, die in St. Petersburg Journalistik studierten, haben mir gesagt, dass sie Schriftsteller und Literaten werden wollen. In Deutschland ist es nach meiner Erfahrung eher das Interesse am Zeitgeschehen, das zum „Journalist-werden-wollen“ motiviert.
Den Journalismus in Kasachstan einzuschätzen, ist für mich immer noch schwierig. Ich glaube aber, das besonders die Ausbildung noch verbessert werden muss, damit neugierige junge Leute das nötige Handwerkszeug bekommen, gute Journalisten zu werden, und so den Dingen, den positiven wie den negativen, auf den Grund gehen können. Was ich in Kasachstan besonders schätze, ist die Tatsache, dass es sehr viele interessierte junge Leute gibt.

Wie würden Sie den Zustand des Journalismus in Kasachstan bzw. in Zentralasien einschätzen? Wo sehen Sie Chancen für die Entwicklung der Medien in Kasachstan?

Generell ist es ja so, dass gut ausgebildeter Nachwuchs mit erweitertem Horizont, der kritisch und offen für Neues ist, ein Land weiterbringt. Ich denke, dass besonders junge Journalisten gefragt sind, die den Mut haben, auch mal etwas Neues auszuprobieren und Grenzen zu überschreiten.

Was ist für Sie das Besondere an Zentralasien, was macht für Sie den Unterschied zu Deutschland aus?

Einer der wichtigsten Unterschiede für mich sind sicher die vielen Veränderungen, die hier täglich passieren. In Deutschland sind viele Dinge dagegen recht festgefahren. Bis zum Schluss gewöhnungsbedürftig war für mich der Straßenverkehr, und das doch eher raue Miteinander im öffentlichen Raum, das läuft in Deutschland doch wesentlich ruhiger und rücksichtsvoller ab.

Kasachstan ist ein weltliches, modernes, sich schnell entwickelndes Land. War es für Sie als ausländische Journalistin schwierig, sich zu integrieren?

Nach meinen Erfahrungen in St. Petersburg hatte ich keine Probleme, mich hier einzuleben. Was mir sofort aufgefallen ist: Es gibt hier im Vergleich zu Russland zumindest keine offene und offensichtliche Feindschaft gegenüber Ausländern, keine aggressive nationalistische Stimmung unter den Ethnien – im Gegenteil – die Leute in Kasachstan leben relativ respektvoll miteinander.

Wie stellen Sie sich die DAZ in zehn bis 20 Jahren vor? Was wird sich aus Ihrer Sicht bis dahin verändern?

Ich hoffe, dass es in 20 Jahren die DAZ noch in dieser Form gibt und sich ihr deutschsprachiger Leserkreis erweitert und die Zeitung von Jahr zu Jahr besser wird. Doch ich habe auch die Befürchtung, dass mit der weiteren Integration der Deutschstämmigen in Kasachstan das Interesse an der Zeitung und der deutschen Sprache abnimmt.

Ihr Vorgänger Matthias Echterhagen sagte am Ende seiner Zeit in Almaty, er habe vor allem Geduld in Zentralasien gelernt. Was nehmen Sie aus dem Orient mit nach Deutschland?

Ich finde es ganz erstaunlich, wie die Leute hier in Kasachstan mit Problemen umgehen. Ohne Stress, ohne Hektik; mit Gleichmut wird vielen Dingen begegnet, die einen Deutschen sicher in Rage bringen würden. Manchmal kommt das dem Europäer auch wie Gleichgültigkeit vor, aber oft hat man hier auch einfach keine Wahl, glaube ich. Ja, das ist vielleicht diese „Geduld“, von der mein Vorgänger sprach, die mir gefällt, die ich mir teilweise bewahren möchte und von der sich viele Europäer etwas abschauen könnten.

Frau Riedel, vielen Dank für das Interview!

14/09/07

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