Nach drei Jahren Produktionszeit ist diesen November endlich das lang erwartete Nationalepos „Köschpendiler“, auf Russisch „Kotschewnik“, in den kasachischen Kinos angelaufen. Die internationale Produktion ist der teuerste kasachische Film aller Zeiten und hat sogar schon einen Verleiher für Westeuropa.
Ein einsamer Reiter wird von wild aussehenden Kriegern umzingelt. Sie wollen ihn zu ihrem Herrscher Galdan-Ceren bringen, der von der großen Weisheit des Reiters gehört hat. Bevor sich der Mann jedoch entschliesst, der Aufforderung des Herrschers Folge zu leisten, zeigt er noch seine körperlichen Qualitäten und verprügelt sämtliche Krieger mit links. Danach lässt er sich ins Lager der Dsungaren, einem mongolischen Stamm, bringen, wo er nochmals seine Weisheit unter Beweis stellen muss, indem er das beste Pferd in der Herde durch bloßes Hinsehen auswählen muss. So beginnt das kasachische Nationalepos „Nomaden“, das Anfang des 18. Jahrhunderts spielt und den Werdegang Ablai-Khans erzählt, des großen Einers des kasachischen Volkes. Der Film ist eine internationale Produktion, und kostete die für kasachische Filme ungewöhnlich hohe Summe von etwa 33 Millionen Dollar; und ist somit der teuerste Film aller Zeiten in Kasachstan. Regie führte zuerst Iwan Passer, der später durch Sergej Bodrow ersetzt wurde.
Strikte Trennung zwischen Gut und Böse
Die etwas märchenhafte Story ist schnell erzählt: Besagter Reiter namens Oraz, gespielt von Jason Scott Lee, wird zum Lehrer des jungen Mansur (Kuno Becker), der später den Namen Ablai-Khan erhalten soll. Mansurs Mutter wurde von Scharisch, einem dsungarischen Krieger, getötet. Der kleine Mansur hätte ebenfalls dieses Schicksal erleiden müssen, wenn nicht Oraz das Baby gerettet hätte. Er bringt ihn zu seinem Vater Abulkhair, dem Sultan, und bittet darum, den Jungen aufziehen zu dürfen. In den folgenden Jahren lernt das Kind alles, was ein zukünftiger Herrscher können muss, gemeinsam mit anderen Jungen, die Oraz unter seine Fittiche genommen hat. Sein bester Freund wird Jerali (Jay Hernandez).
Erwachsen geworden, stellt sich Mansur der Aufgabe, die zerstrittenen Stämme Kasachstans im Kampf gegen die Dsungaren zu einen. Nebenher gewinnt er noch das Herz von Gaukhar (Ajana Jesmagambetowa), und muss in einem dramatischen Kampf auf Leben und Tod seinen Freund Jerali töten. Dies wurde natürlich von den Dsungaren eingefädelt, deren oberster Krieger Scharisch (Mark Dacascos) den undankbaren Part des Oberbösen einnimmt. Er hat nicht nur Mansurs Mutter umgebracht, sondern raubt auch Gaukhar und zwingt sie, seine Nebenfrau zu werden. Davon bekommt Mansur jedoch nichts mit, er hat jetzt erst endeckt, dass er der Sohn des Sultans ist, und gewöhnt sich nur schwer an sein neues Leben.
Die Figur des Mansur wird von Kuno Becker gespielt, einem Mexikaner mit deutschen Wurzeln. Es stellt sich die Frage, warum die Hauptrolle in einem Nomadenfilm nicht mit einem Kasachen besetzt wurde, zumal Ablai-Khan eine der wichtigsten Figuren in der kasachischen Geschichte ist. Auch sonst nimmt man es mit der Historie nicht so genau. Die Pferde tragen englische Zaumzeuge, die in der kasachischen Steppe des 18. Jahrhunderts sicher noch nicht bekannt waren, die Dsungaren erhalten Unterstützung von einem Europäer, der ihnen Kanonen verkauft. Wer dieser geheimnisvolle Blonde ist, wird leider nicht erklärt. Der Erzählstil erinnert an ein Märchen, die Handlungen der Personen scheinen oft unmotiviert. Wer schon ein paar Filme in seinem Leben gesehen hat, weiß genau, was als Nächstes passieren wird.
Natürlich verlieben sich beide jungen Männer in dieselbe Frau, natürlich muss einer von ihnen sterben, um dieses Dilemma zu lösen. In diesen Situationen kommt leider anscheinend niemals jemand auf die Idee, einfach mal das Mädchen nach ihrer Meinung zu fragen. Sie muss mit dem vorlieb nehmen, der überlebt. Der Film beschäftigt sich viel zu lange mit den Nebenhandlungen, wie der Liebesgeschichte, oder den Prüfungen, denen Mansur nach seiner Gefangennahme durch die Dsungaren ausgesetzt wird. Das eigentliche Thema des Filmes, die Vereinigung der kasachischen Stämme kommt denn auch viel zu kurz. Nachdem die Dsungaren die Festung von Mansurs Vater Abulkhair angreifen, kommt ihnen ein anderer Stamm zu Hilfe. Danach sieht man schlecht choreographierte Schlachtszenen, und eine Stimme aus dem Off erzählt bedeutungsschwanger, dass diese Kämpfe 100 Tage gedauert hätten.
Ein Mexikaner in der kasachischen Steppe
Die nächste Szene zeigt Mansur, nun Ablai-Khan, wie er zum Führer der Kasachen gewählt wird. Wer hätte gedacht, dass diese Einigung so einfach vonstatten geht? Diesem Prozess hätten getrost ein oder zwei weitere Szenen gewidmet werden können. Überhaupt scheint der Film gegen Ende zuwenig Zeit zu haben, manche Handlungsfäden werden nicht mehr erwähnt. So erfährt der Zuschauer weder, was mit dem Verräter am Hof des Sultans geschieht, noch was aus Gaukhars Bruder wird, der auch von den Dsungaren gefangengenommen wurde. Zu viele Geschehnisse werden in die letzten 15 Minuten gepresst, das Ende allerdings ist beschaulich: Ein weiter Blick über die Steppe, und die Stimme des Lehrers, Oraz, schließt mit den Worten – nein, nicht Ablai-Khans, sondern natürlich Nursultan Nasarbajews.
09/12/05