Barbara Anna Bernsmeier ist seit Juni und noch bis Ende des Jahres Institutsleiterin am Goethe-Institut in Almaty. Während ihres Studiums der Literaturwissenschaften mit Schwerpunkt Slawistik sowie russische Sprache und Literatur bewegte sie sich öfters in und um die Region Zentralasien und stieg recht früh in das Netzwerk der Goethe-Organisationen ein. Mit uns hat sie über ihre letzten Wochen als Institutsleiterin, den aktuellen Status der deutschen Sprache in Zentralasien und zukünftige Veranstaltungen im Goethe-Institut gesprochen.

Frau Bernsmeier, wie kam es zu Ihrem Interesse an Zentralasien?

Neugier, Abenteuerlust und Abenteuerdrang. Während meines Studienjahrs in Südrussland war ich viel in Kasachstan unterwegs; 2018 war ich das erste Mal in Almaty, da ich eingeladen wurde, hier einen Workshop zu leiten. Ein Jahr später habe ich dann auch die anderen zentralasiatischen Länder das erste Mal besucht. Ich finde es spannend zu sehen, was die letzten 30 Jahre an Entwicklungen mit sich gebracht haben, wo die Länder gerade stehen, wie man mit dem (post-)sowjetischen Erbe umgeht. Mir ist dabei wichtig, dass wir als Goethe-Institut die jeweiligen Sprachen in den einzelnen Ländern kommunizieren und bei der Entwicklung mithelfen.

Was sind Ihre Pläne für Ihre restliche Zeit als Institutsleiterin? Was möchten Sie verändern, welche Schwerpunkte setzen Sie?

Es gibt Themen, die uns schon länger beschäftigen, aber jetzt konkreter gefasst werden. Wir als Goethe-Institut in Almaty sind neben Kasachstan auch für Kirgisistan und Turkmenistan verantwortlich. Wir möchten uns innerhalb Kasachstans klug über Almaty und Astana hinaus entwickeln. Unsere Kultur- und Bibliotheksarbeit, aber auch Sprachkurs- und Prüfungsangebote möchten wir weiter nach Westkasachstan ausbauen. Beispielsweise gibt es erste Kooperationen mit Atyrau. Im nächsten Jahr möchten wir auch Zentralkasachstan mit Karaganda und Balqasch näher in den Blickwinkel nehmen. Für mich ist es wichtig, dass wir in allen Regionen feste Partner haben, mit denen wir vor Ort Programmarbeit durchführen können und die auch selbst in der Kulturszene aktiv sind. Dabei sind wir erfreulicherweise schon auf der Realisierungsebene.

Wie beeinflusst die geopolitische Lage Ihre Arbeit? Welche grenzüberschreitenden Projekte führt das GI noch fort, welche sind eingefroren worden?

Ein kleines aktuelles Beispiel: Es gibt aus dem Bereich Bildungskooperation Deutsch aktuell eine Ausstellung in Tadschikistan. Diese möchten wir im nächsten Jahr in Kirgisistan zeigen, die Grenzen zwischen den beiden Ländern sind aber bis auf weiteres geschlossen. Wir sehen also, dass auch innerhalb der fünf zentralasiatischen Länder noch viel getan werden muss und Konflikte immer wieder aufschwellen. Wenn ich mit kultur- und zivilgesellschaftlichen Akteuren aus den Ländern spreche, höre ich immer wieder, dass viele sich das Goethe-Institut in einer Vermittlungsrolle zwischen den fünf Ländern wünschen. Ich hoffe, dass wir – vor allem in Turkmenistan – in Zukunft vorsichtig verschiedene Projekte wieder aufbauen können. Wir arbeiten seit dem vergangenen Jahr auch intensiver in Projekten mit unseren Kolleginnen und Kollegen in der Ukraine, insbesondere zum Thema Postkolonialismus.

Durch die Mobilisierung in Russland kamen ja sehr viele russländische Menschen nach Kasachstan, darunter auch viele Künstler. Haben Sie Beobachtungen zu Veränderungen in der Kulturszene gemacht?

Was ich in meiner kurzen Zeit hier gemerkt habe, ist, dass viele Russinnen und Russen in Almaty nicht aus den europäisierten Städten Moskau und Sankt-Petersburg kommen. Ich habe das Gefühl, dass dadurch die Kommunikation deutlich einfacher ist. Sibirien und Kasachstan haben gewisse Verbindungen. Ich merke an vielen freien Kulturorten hier in Almaty, beispielsweise im Dom 36, dass russische Kulturschaffende dort aktiv mitwirken. Ich sehe allerdings nicht, dass hier Parallelstrukturen wie eigene Theater oder Buchläden entstehen, wie es in Tbilisi der Fall ist. Wir als Goethe-Institut schauen natürlich immer in erster Linie, dass wir kasachstanische Künstlerinnen und Künstler stärken. Aufgrund unserer bedingten Mittel unterstützen wir bewusst einheimische Künstler, beispielsweise aus Kasachstan und Kirgisistan.

Wie schätzen Sie den aktuellen Status der deutschen Sprache in Zentralasien ein?

Aktuell sehen wir in Kasachstan und Kirgisistan ein großes Entwicklungspotential. Das liegt natürlich unter anderem daran, dass in letzter Zeit Memoranda von Deutschland und Zentralasien unterzeichnet wurden und somit die Zusammenarbeit, auch im Bereich der Bildung, zukünftig verstärkt werden soll. Ebenfalls spielt auch der Fachkräftemangel in Deutschland eine große Rolle, den man mit Migration aus den zentralasiatischen Ländern angehen möchte. Der Bedarf an Sprachkursen und Prüfungen steigt dadurch enorm.

Der Nachwuchs an Deutschlehrkräften für Schulen ist auch ein großes Thema; deren Ausbildung muss deutlich verbessert werden. Dabei müssen auch Prüfungen und Sprachvorbereitungen gerade für diese Berufsgruppe angeboten werden, was aktuell an vielen Universitäten nicht gang und gäbe ist. Allgemein ist das Interesse da und steigt stetig, was sich auch in den aktuellen Zahlen der Kursteilnehmer und Prüfungsinteressenten widerspiegelt. An der Qualität und auch an der des Unterrichts muss weiterhin gearbeitet werden.

Welche Projekte und Veranstaltungen des Goethe-Instituts sind in nächster Zeit geplant?

Wir feiern nächstes Jahr unser dreißigjähriges Jubiläum. Das wird 2024 natürlich in unserem Fokus stehen, wir sind gerade bei der Konzeptplanung. Es wird dezentrale Veranstaltungen über das ganze Jahr verteilt geben. Im Herbst soll es dann eine größere Abschlussveranstaltung geben. Es wird auch mediale Begleitung geben. Für den Rest dieses Jahres steht noch die Deutschlehrerinnen- und Deutschlehrertagung in Astana Ende Oktober bevor. Wir laden auch einmal im Monat zu unserem neuen Veranstaltungsformat „Wisssenstransfer“ ein, bei dem wir verschiedene Partnerinnen und Partner einladen, um spezifisches Alltagswissen mit anderen zu teilen. Außerdem planen wir, Trainings zu Medien- und Digitalkompetenz im Kulturbereich durchzuführen, vermutlich auch in Atyrau und Karaganda. Das möchten wir dann auch im kommenden Jahr in einem größeren Rahmen als Projekt weiterführen.

Welchen persönlichen Zukunftsausblick haben Sie nach Ihrer Zeit in Almaty?

Ich werde wahrscheinlich nur kurzfristig nach Deutschland zurückkehren. Der „Goethe-Welt“ bleibe ich aber treu und möchte auch weiterhin innerhalb dieser Strukturen arbeiten. Ich bin schon gespannt, was mich erwartet, kann aber im Moment noch nicht sagen, wohin es mich verschlägt. Nach Zentralasien komme ich aber sicher nochmal zurück.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Annabel Rosin

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