In der Sommerschule der Technischen Universität Kasachstan arbeiteten Kasachen und Deutsche gemeinsam an einem Plan zur Stadterneuerung von Almaty. Das einstimmige Fazit: Die Identität der kasachischen Metropole muss gewahrt werden.

Wie soll das Almaty der Zukunft aussehen? Mit dieser Frage beschäftigten sich die Teilnehmer der internationalen Sommerschule an der Technischen Universität Kasachstan. In Arbeitsgruppen diskutierten 15 deutsche und 15 kasachische Studenten gemeinsam über die infrastrukturellen Probleme Almatys und suchten nach Lösungsmöglichkeiten. Heraus kamen nach dem zehntägigen Kurs unterschiedliche Konzepte, die die zentralasiatische Wirtschaftsmetropole lebenswerter und für ausländische Investoren interessanter machen sollen.

Für eine „Aufwertung des Stadtkerns“ setzt sich der Geografie-Student Henryk Alff ein. Der 25-jährige Potsdamer findet, „dass die Almatiner Innenstadt einfach attraktiver werden muss. Es geht darum, das Image von Almaty als internationales Finanzzentrum aufzupolieren“. Alff lebt bereits seit einem Jahr in der kasachischen Millionenstadt, insbesondere stört er sich an den neuesten Großbauprojekten: „Es entstehen viel zu viele große und hässliche Gebäude. Die Stadt müsste strengere Kriterien für Bauherren aufstellen.“ Wenn es nach Alff ginge, sollten Gebäude „nicht nur groß sein, sondern auch gut aussehen und ins Stadtbild passen“. Außerdem wünscht sich der Potsdamer mehr Cafés und gemütliche Straßenkneipen.

Doch nicht nur auf das Almatiner Zentrum richteten sich die Augen der jungen Stadtplaner. Auch das Umland dürfe nicht vernachläsigt werden, betonte eine Projektgruppe. Die umliegenden Städte könnten gestärkt werden, hieß es, wenn dort vermehrt Industriebetriebe angesiedelt würden. Einig waren sich alle Studenten, dass das öffentliche Verkehrsnetz im Umland Almatys ausgebaut werden müsse und dass die Stadt selbst wohnlicher werden sollte. Ein Förderprogramm für Wohngebiete wurde vorgeschlagen.

„Ich freue mich sehr über die vielen Ideen, die die Studenten in den vergangenen Tagen entwickelt haben“, kommentiert Professor Bimuhammed Schakerbai die Ergebnisse der Sommerschule. Schakerbai, der an der Technischen Universität Kasachstan Architektur lehrt, hat das Ereignis mitorganisiert. Der Professor erklärt die Grundidee: „Die Frage ist, wie wir das Geschäftszentrum Almatys in Zukunft gestalten und entwickeln sollen.“ Schakerbais größte Sorge ist, dass die Identität der kasachischen Metropole verlorengeht. „Im Zuge der Globalisierung werden alle Städte immer ähnlicher. Darin liegt eine große Gefahr“, gibt er zu bedenken. Für den Professor ist eine der wichtigsten Fragen der Stadtplanung, „wie wir diesen Prozess der Vereinheitlichung aufhalten können.“ Ein großes Lob hat er in diesem Punkt für die Studenten der Sommerschule: „Alle haben in ihren Projekten versucht, das Gesicht Almatys so zu belassen, wie es ist. Der zentralasiatische Charakter darf nicht verloren gehen.“

An den deutschen Studenten bewundert Schakerbai, „dass sie sehr analytisch denken. Sie erarbeiten sich rasch einen Überblick und suchen dann nach Lösungsmöglichkeiten. Dabei bleiben sie dicht an den Fakten und vermeiden abstrakte Theorien. Davon können wir lernen.“ Und was können die Deutschen von ihren kasachischen Kollegen lernen? „Unsere Studenten hier sind sehr praktisch. Wenn sie ein Problem haben, lösen sie es gerne mit Stift und Papier. Rasch zeichnen sie eine Gebäudeskizze, um sich die Situation zu veranschaulichen. Diese Fingerfertigkeit habe ich bei den Deutschen nicht bemerkt“, überlegt der Architektur-Professor.

Insgesamt ist Schakerbai sehr zufrieden mit der Zusammenarbeit von Deutschen und Kasachen. Er hofft, „dass wir die Sommerschule im nächsten Jahr fortsetzen können.“

Zumindest Henryk Alff ist von der aktuellen Sommerschule nicht ganz so begeistert: „Die Organisation war alles andere als gelungen“, so der Potsdamer. Sein Bruder Christoph, der extra für die Sommerschule nach Almaty gereist ist, fügt hinzu: „Das Geld hätte die Uni wesentlich besser verwenden können.“ Er spielt auf die 540 Euro an, die jeder Teilnehmer für den Kurs entrichten musste. Die Brüder Alff kritisieren, „dass zu viel Zeit für nutzlose, theoretische Vorlesungen aufgewandt wurde. Das praktische Projekt wurde vernachlässigt.“ Auch die Kommunikation bereitete Schwierigkeiten: Die Vorlesungen wurden auf Russisch gehalten, ein Übersetzer gab die Inhalte auf Deutsch wider. „Das lief nicht immer einwandfrei, die Kommunikation zwischen Professor und Studenten war beeinträchtigt“, bemängelt Henryk Alff.

Trotz dieser Kritikpunkte: Insgesamt fällt das Urteil der deutschen Studenten über Kasachstan positiv aus. Alle haben die Zeit hier genossen, viele möchten das Land wieder mal besuchen.

Von Christian Lindner

04/08/06

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