Tadschikistan ist in den letzten Jahren vor allem durch seinen chronischen Energiemangel in die Schlagzeilen geraten. Ein Kooperationsprojekt von deutschen Entwicklungsorganisationen kämpft daher für Energieeinsparung im Pamirgebirge, um die Lebensbedingungen der Bevölkerung zu verbessern.

/Bild: DED / Holger Weiße. ‚Das Pamirgebirge – „Dach der Welt“ in 3.600 bis 4.400m Höhe. Die Versorgung der Bevölkerung mit Energie ist eine Herausforderung.’/

Es ist Abend in Chorog, dem Verwaltungszentrum der Autonomen Region Berg-Badachschan im tadschikischen Pamirgebirge. Zwei Männer gehen auf der Straße am Fluss entlang, der durch die von hohen Bergen umschlossene Stadt fließt. Mit einer Taschenlampe beleuchten sie ihre jeweils nächsten Schritte, so dass sie nicht in Pfützen treten oder über einen Stein stolpern. Es ist dunkel in Chorog, ein wenig Licht fällt aus beleuchteten Wohnungen auf den Weg, und über der Stadt, über den hohen Berggipfeln funkeln ein paar Sterne. Mehr Straßenbeleuchtung gibt es nicht.

Wasser aus dem Hahn gibt es nur selten

In den meisten Haushalten von Chorog fließt nur ein paar Stunden am Tag Wasser aus dem Hahn. In verschiedenen Eimern wird das frische Wasser gesammelt, um über den Tag verteilt zum Kochen, Trinken, Waschen und für die Klospülung verbraucht zu werden. Außerhalb der Stadt schöpfen die Menschen das Wasser aus kleinen Quellen und Bächlein.
Im Vergleich zu Deutschland, wo jede Straße und jedes Geschäft beleuchtet sind und die alltägliche warme Dusche zum Standard gehört, muss hier ein traumhaft sparsamer Energieverbrauch herrschen. Hat es also etwas mit Zynismus zu tun, wenn deutsche Entwicklungsorganisationen auf diesem wenig beleuchteten Fleck Erde für die Verbreitung energieeffizienter Technologien in den Haushalten werben? Ein Kooperationsprojekt des Deutschen Entwicklungsdienstes (DED), der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) und des tadschikischen Landnutzungskomitees GBAO hat ebendies zum Ziel für die Autonome Region Berg-Badachshans (GBAO) im tadschikischen Pamir. Das Projekt „Nachhaltige Nutzung Natürlicher Ressourcen in GBAO“ bemüht sich um die Verbreitung von energieeffizienten Technologien in den Privathaushalten der Region, um den Druck auf die knapper werdenden natürlichen Ressourcen zu verringern.

Brennstoff ist Mangelware

Energieversorgung ist in ganz Tadschikistan ein omnipräsentes Problem. Der größte Teil des Landes hat besonders im Winter keine regelmäßige oder durchgängige Stromversorgung, und in vielen Orten müssen die Frauen mit Eimern oder Kanistern Wasser an öffentlichen Hähnen holen gehen. In der schroffen Berglandschaft des Pamirs ist die landesweite Energiekrise noch verschärft. Die Gebiete liegen auf einer durchschnittlichen Höhe von etwa 3.600 bis 4.400 Metern über dem Meeresspiegel und damit größtenteils oberhalb der Baumgrenze. Holz, verwertbar als Brennstoff, wächst spärlich und langsam im Pamirgebirge. Zu Sowjetzeiten wurde Kohle zu subventionierten Preisen über weite Strecken in die Region geliefert, mit der es die Bevölkerung auf dem Dach der Welt auch während der langen und kalten Winter warm hatte. In den Tälern wuchsen dichte Auenwälder am Fluss entlang.

Heute stellt Kohle im GBAO keine relevante Energiequelle mehr dar. Sie ist ohne (sowjetische) Subventionierung unbezahlbar geworden für die meist sehr arme Bevölkerung. Nun speisen die Pamiri ihre Feuer zu etwa 90 Prozent mit Holz und getrocknetem Tierdung. Die Auenwälder wurden und werden in der Not völlig ungeregelt abgeholzt. An vielen Stellen weht Sand über die kahle Fläche, wo einst Bäume standen. Desertifikation nennen dies die Geographen. Auch die Nutzung von Tierdung als Brennstoff in großen Maßen stellt ein Problem für die Region dar. Dung ist eine natürliche Ressource, die die Umwelt für ihre Regeneration benötigt. Wenn er verheizt wird, anstatt auf dem Boden liegen zu bleiben, fehlen der Erde wichtige Nährstoffe. So verschlechtert sich die Bodenqualität in der Region.

„Einsparkraftwerk“ kann die Lebensbedingungen verbessern

Wie immer hat auch hier die Zerstörung der Natur eine direkte Wirkung auf den in ihr lebenden Menschen. Nur etwa drei Prozent der Flächen sind landwirtschaftlich nutzbar. Die ohnehin sensible Fruchtbarkeit der Erde sinkt. Die Menschen, die weitgehend von Selbstversorgung leben, werden dadurch in noch stärkere Armut getrieben. Hinzu kommen immer längere und gefährlichere Wege, die Familienmitglieder zurücklegen müssen, um das rare Brennholz zu beschaffen. Nicht selten sind sie dafür 24 Stunden unterwegs. Abgesehen von der Gefährlichkeit dieser Reisen auf schlecht gesicherten Gebirgswegen, fehlt diese Zeit für andere Arbeiten oder für Hausaufgaben. Die Knappheit natürlicher Ressourcen und ihre nicht nachhaltige Nutzung ziehen beträchtliche wirtschaftliche und gesundheitliche Probleme für die Pamirbewohner nach sich.

Heike Volkmer lebt seit einem Jahr in Chorog und arbeitet für den DED in dem Projekt „Nachhaltige Nutzung Natürlicher Ressourcen in GBAO“. Noch zwei weitere Jahre wird die junge Geographin aus dem Spreewald in diesem Rahmen für den Bereich Energieeffizienz auf Haushaltsebene zuständig sein. Zu ihren Aufgaben gehört es, zusammen mit der lokalen Bevölkerung und technischen Experten neue energieeffiziente Technologien für die Haushalte in der Region zu entwickeln und diese zu verbreiten. Wichtig ist dabei, dass diese Technologien auch den Bedürfnissen und Möglichkeiten der Pamiris entsprechen. Dazu gehören zum Beispiel effizientere Öfen oder solare Wassererhitzer, sowie auch die Wärmeisolierung von Häusern, isolierende Fenster und Türen. Die Dringlichkeit dieser Maßnahmen in dieser Region besteht nicht unbedingt in der Senkung des CO2-Ausstoßes, wie es in den westlichen Industrienationen häufig der Fall ist, wenn von Energieeffizienz die Rede ist. Hier ist es die nackte Bedrohung von Lebensraum, und eine daraus resultierende Verarmung der Bevölkerung, die durch die Verbreitung von neuen energieeinsparenden Technologien und Bewusstseinserweiterung für Energie, Energieverbrauch und die nötigen natürlichen Ressourcen vermindert werden soll. Es ist das Prinzip „Einsparkraftwerk“, das als Idee hinter dem Projekt steht. Der Begriff wurde von Rüdi Kunz geprägt, einem Schweizer, der lange Jahre in der Desertifikationsbekämpfung in Zentralasien gearbeitet hat. Energie wird gewonnen, nicht indem der Natur und ihren knappen Ressourcen durch Einsatz von Technologie mehr Energie abgewonnen wird. Sondern indem mithilfe verbesserter Technologien der Energiebedarf gesenkt wird, ohne die Lebensqualität der Menschen dabei einzuschränken. Dies ist mit der Verbreitung energieeffizienterer Technologien in der Region zu erreichen.

Das malerische Pamirhaus – isoliertechnisch eine Katastrophe

Es ist ein sonniges Frühlingswochenende Ende April, an dem der erste der zwei vom Projekt organisierten Workshops zur Wärmeisolierung eines Hauses in der Nähe von Chorog beginnt. Heike Volkmer lenkt den Geländewagen, in dem einige der Projektarbeiter sitzen, die holprige Straße am Fluss entlang, in das Dorf Tawdem, das einige Kilometer von Chorog entfernt liegt.
Die Bäume haben erst vor Kurzem begonnen zu grünen. Dorfbewohner haben lange, schlanke Baumäste zum Auswurzeln in den Fluss gelegt. Es ist ein hoffnungsvoller Anblick, der davon erzählt, dass die Pamirbewohner mit der Aufforstung in ihrem Gebiet begonnen haben, die überlebenswichtig für sie sein kann.

In dem fünftägigen Workshop soll Wissen weitergegeben und ein Bewusstsein geschaffen werden, wie der Energieverbrauch im Haushalt auf eine Weise gesenkt werden kann, dass Mensch und Natur davon profitieren.

Das ausgewählte Beispielhaus ist ein typisches Pamirhaus. Vom ästhetischen Standpunkt her ist es malerisch: Sein Herzstück besteht aus einem annähernd quadratischen Raum, das sich, an den Aufbau einer Sauna erinnernd, zu den Seiten über ein oder zwei Ebenen nach oben stuft. Auf der niedrigsten Ebene in der Mitte des Raumes steht der Ofen, mit dem häufig sowohl geheizt als auch gekocht wird. Darüber befindet sich in der ebenfalls abgestuften Holzdecke am höchsten Punkt das traditionelle Dachfenster, von dem der Raum beleuchtet wird und durch welches das Ofenrohr den Rauch nach draußen befördert. Teppiche und längliche Kissen bieten einladende Sitzgelegenheiten. Hier hält sich meist die gesamte Familie auf, die häufig mehrere Generationen umfasst: Hier wird geschlafen, gekocht, gegessen – gelebt.

Für einen Energieeffizienz-Experten ist ein solches Haus eine Katastrophe. Wände und Dach weisen nicht mehr wärmedämmendes Material auf als Stein und ein paar Lehmschichten. Die verschiedenen Bodenebenen sind ebenfalls lediglich mit Steinen und Lehm aufgefüllt und von einer dünnen Betonschicht abgedeckt. So sitzen und schlafen die Bewohner nur durch dünne Stoffschichten geschützt auf wärmeableitendem Grund. Die Tür ist schlecht eingepasst und bildet verschwenderische Spalten mit dem Türrahmen. Die Fenster, einschließlich das traditionelle Deckenfenster, stellen ein besonderes Problem dar. Glas ist in der Gegend Mangelware und teuer. Häufig bessern die Bewohner kaputte Stellen nur mit Plastikfolie aus. Das Dachfenster, häufig ganz ohne Glasscheiben und mit vielen Ritzen, ist in vielen Fällen faktisch nur ein großes Loch im Dach, durch das die nach oben steigende Hitze ungehindert und schnell den Wohnraum verlässt. Mit ihren ohnehin schon knappen Ressourcen beheizen die Hausbesitzer auf diese Weise häufig ungewollt die Umgebung mit, statt ihren eigenen Wohnraum.

Unter der fachkundigen Anleitung eines Spezialisten für Wärmeisolierung von Häusern, der extra für die Durchführung der Workshops für einen Monat aus seiner kirgisischen Heimat in den Pamir gekommen ist, wird das Haus nun renoviert. Boden und Dach werden mit einer wärmeisolierenden Schicht ausgestattet. Zusätzlich weichen die Tür und das alte Dachfenster neu entworfenen, energieeffizienteren Versionen. Ein neues Doppelglasfenster wird auf der Südseite der Hauswand eingebaut. Auf diese Weise bleibt die mühselig generierte Wärme länger im Raum, und das Südfenster stattet das Haus zusätzlich noch mit der vermutlich simpelsten Form von Solarenergie aus. So wird deutlich weniger Brennstoff gebraucht, um bessere Ergebnisse zu erzielen.

Technologien zu verbreiten reicht nicht aus

Jedoch wäre es nicht ausreichend, allein verbesserte energieeffiziente Technologien zu entwickeln und in der Region zu verteilen, um die angespannte Energiesituation auf dem Pamir zu verbessern. Der Workshop in dem Demonstrationshaus soll gleich auf mehreren Ebenen das Bewusstsein der Bevölkerung für Fragen der Energieeffizienz sensibilisieren, Wissen und die nötigen handwerklichen Fertigkeiten vermitteln. Einerseits werden Handwerker aus der Region ausgebildet, so dass sie in Zukunft die Technologien herstellen und die wärmeisolierenden Renovierungsmaßnahmen durchführen können. Gleichzeitig werden technische Berater auf dem Gebiet der Wärmeisolierung geschult. Heike Volkmer erläutert das Konzept: „Die technischen Konsultanten werden so ausgebildet, dass sie ab dem nächsten Monat zusammen mit Kreditberatern in die Dörfer gehen, die Wärmeisolierung von Häusern verbreiten und die Hausbesitzer individuell beraten können. Mit den Modellhäusern wollen wir auch der lokalen Bevölkerung die Möglichkeit geben, sich die Vorteile der Wärmeisolierung direkt vor Ort anzuschauen und „einen von ihnen“ über die Umsetzung und Vorteile der Wärmeisolierung zu befragen. Damit schaffen wir natürlich auch Bewusstsein und machen Reklame für Wärmeisolierung von Häusern.“

Bewusstsein zu schaffen zählt DED-Fachkraft Heike Volkmer neben dem Entwickeln von einsetzbaren und nachbaubaren Technologien unter pamirischen Bedingungen zu den größten Herausforderungen ihrer Arbeit. Wenn die direkte und indirekte Verbesserung der Lebensbedingungen durch energieeffiziente Technologien in den Haushalten nicht verstanden und nicht angenommen werden, werden sie wirkungslos bleiben. Somit wird Bewusstseinsbildung einer der wichtigsten Bestandteile in Heike Volkmers Arbeit der nächsten zwei Jahre bleiben. Für sie wäre das größte Ziel erreicht, wenn das Projekt zur Verbreitung von energieeffizienten Technologien eines Tages von den lokalen Kollegen selbstständig weitergeführt würde, auch ohne die Unterstützung durch DED und GTZ.

Die Autorin Friederike Müller arbeitet für den DED in Tadschikistan.

Von Friederike Müller

15/05/09

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