In wenigen Wochen finden in Deutschland die vorgezogenen Bundestagswahlen statt. Der Generalkonsul der Bundesrepublik in Almaty Matthias Kiesler sprach mit uns über die Hintergründe, die Auswirkungen auf die Außenpolitik und die Wahlmöglichkeiten für Deutsche im Ausland.
Herr Kiesler, im November 2024 scheiterte die Ampel-Koalition. War das vorhersehbar? Worin sehen Sie die Gründe des Scheiterns?
Wie Sie wissen, gibt es verschiedene Sichtweisen darüber, warum es zum Bruch der Koalition gekommen ist. Ich bitte um Verständnis, dass ich als Generalkonsul und damit Vertreter der Bundesregierung dies nicht kommentiere oder gar beurteile.
Was kann die kommende Regierung von den jüngsten Geschehnissen lernen?
Grundsätzlich gehen die Wähler davon aus, dass eine Regierung in Deutschland vier Jahre hält. Das ist ja auch die Regel in Deutschland und so sind auch die Bestimmungen im Grundgesetz angelegt. Die Väter und Mütter des Grundgesetzes waren 1949 zu Recht der Ansicht, dass der Bundestag nur unter besonderen Bedingungen aufgelöst werden kann und Neuwahlen angesetzt werden können. Also nicht so wie in der Weimarer Republik nach dem 1. Weltkrieg, als es immer wieder und in kurzen Abständen Neuwahlen des Parlaments gab und dies zur Instabilität der jungen Demokratie beigetragen hat.
Zurück zur jetzigen Situation: Wenn es unüberbrückbare Differenzen zwischen den Koalitionspartnern gibt, kann es auch vorkommen, dass die Regierung dann keine Mehrheit mehr im Bundestag hat. Daher hat Kanzler Scholz im November die sogenannte „Vertrauensfrage“ gestellt, die den Weg für die vorgezogenen Neuwahlen am 23. Februar geebnet hat. Es liegt mir fern, konkrete Empfehlungen zu geben. Bei den Verhandlungen des Koalitionsvertrags, der die Zusammenarbeit einer zukünftigen Bundesregierung regelt, kommt es auf jeden Fall auf Kompromissfähigkeit an – ein wichtiges Merkmal einer funktionierenden Demokratie.
Woran fehlt es Ihrer Meinung nach aktuell in Deutschland?
Das ist eine sehr allgemeine Frage. Die Herausforderungen sind in den letzten Jahren größer geworden, gerade auch in Zusammenhang mit der sogenannten Zeitwende nach dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine. Ich bin aber fest davon überzeugt, dass Deutschland die Kraft aufbringt, diese Herausforderungen zu meistern.
Wer hat Ihrer Meinung nach die besten Chancen, neuer Kanzler oder Kanzlerin zu werden?
Meinungsumfragen über die Wahlaussichten der Parteien erscheinen fast täglich. Aber wie es am Abend des 23. Februar aussehen wird, wenn die Wahllokale geschlossen haben, weiß keiner, auch ich nicht.
Inwieweit beeinflusst die deutsche Regierung die Arbeit der deutschen Auslandsvertretungen in Kasachstan? Was könnte der Regierungswechsel diesbezüglich für Sie bedeuten?
Die Deutschen Auslandsvertretungen, also auch das Generalkonsulat Almaty, sind Teil der Bundesregierung und setzen die Politik der Bundesregierung im Ausland um. Es gibt eine Kontinuität der Außenpolitik auch nach einem Regierungswechsel, weil es einen parteiübergreifenden Grundkonsens über die großen Linien der Außenpolitik gibt – etwa in unser Europapolitik und bei der engen transatlantischen Partnerschaft mit den USA.
Unter der derzeitigen Regierung unter Bundeskanzler Scholz hat Zentralasien erheblich an Gewicht in unserer Außenpolitik zugenommen: darin dürfte sich nichts ändern.
Zur Bedeutung für mich: Die Leiterinnen und Leiter von Botschaften und Generalkonsulate sind sogenannte „Karrierediplomaten“, also Beamte. Mit einer neuen Regierung gibt es bis auf wenige Ausnahmen keine Personalwechsel, anders als etwa beispielsweise im diplomatischen Dienst der USA.
Was wünschen Sie sich von der zukünftigen Regierung? Wo sollten Prioritäten gesetzt werden?
Wie schon gesagt, ich gehe fest davon aus, dass Zentralasien und insbesondere Kasachstan weiterhin im besonderen Fokus unserer Außenpolitik stehen wird. Meine Aufgabe und die meines Teams wird es weiterhin sein, diese Beziehungen zu vertiefen.
Welche Möglichkeiten gibt es für deutsche Staatsangehörige in Kasachstan, an den Bundestagswahlen am 23. Februar teilzunehmen?
Auch Deutsche im Ausland können an der Bundestagswahl teilnehmen, und zwar per Briefwahl. Dazu müssen sie sich rechtzeitig in das Wählerverzeichnis der Gemeinde eintragen lassen, in der sie zuletzt gemeldet waren. Die Registrierung kann diesmal auch per E-Mail erfolgen. Besondere Regelungen gelten für Deutsche im Ausland, die zuvor nicht in Deutschland gemeldet waren. In diesem Fall ist zur Wahlteilnahme der Nachweis einer persönlichen Vertrautheit mit den politischen Verhältnissen in Deutschland erforderlich.
Die Fristen sind diesmal besonders knapp bemessen. Noch bis zum 2. Februar 2025 können sich Deutsche im Ausland in das Wählerverzeichnis eintragen lassen. Der Versand der Wahlunterlagen durch die Gemeinden beginnt ab dem 4. Februar 2025. Um sicherzustellen, dass die Wahlunterlagen schnellstmöglich wieder in Deutschland ankommen, öffnet das Auswärtige Amt den amtlichen Kurierweg und setzt Sonderkuriere ein. Detaillierte Information, wie wir es hier in Almaty machen werden, sind auf der Website und der Facebookseite des Generalkonsulats zu finden.