Das Schicksal von Kasachstandeutschen in dem neunjährigen Krieg

Der bekannte Satz „Ein Soldat sucht sich den Krieg nicht aus“ wird fast immer verwendet, wenn es um den Afghanistankrieg geht. Diese Worte klingen pathetisch und traurig zugleich. Auch Soldaten deutscher Nationalität aus dem heutigen Kasachstan wurden bei den Kriegshandlungen damals eingesetzt. Geblieben sind die Erinnerungen an die Gesichter dieser Männer und ihre Lebensdaten. Die meisten von ihnen waren 19 bis 20 Jahre alt.

Viele kamen nach Afghanistan und starben bereits nach zwei bis drei Monaten. Manch einer wurde für eine mutige Tat mit einer Auszeichnung geehrt, manch anderer starb an einer Krankheit. Viele andere junge Soldaten starben durch tragische Unfälle, aufgrund ihrer Unerfahrenheit oder ihrer Unkenntnis der Lage (die Namen der administrativ-territorialen Einheiten sind in den Militärdokumenten angegeben).

Die offiziell anerkannte Zahl der toten Soldaten in Afghanistan während des neunjährigen Krieges beträgt 15.501, davon 82,5 Prozent im Kampf und 17,5 Prozent außerhalb des Kampfes (durch Unfälle, Krankheiten usw.).

20 Kriegsteilnehmer mit deutscher Abstammung bestätigt

Es ist schwer zu sagen, wie viele Deutschstämmige aus Kasachstan unter den Afghanistan-Soldaten waren. 620.000 Soldaten der sowjetischen Armee wurden nach Afghanistan geschickt. Mehr als 21.000 wurden aus Kasachstan eingezogen. Im Internet finden sich Listen der Teilnehmer am Afghanistankrieg mit Vor- und Nachnamen, aber in den meisten Fällen ist es unmöglich, die Nationalität der Soldaten zu bestimmen.

Man kann sich auf die Angaben in den Militärdokumenten verlassen, wo genau „Deutsch“ angegeben ist. Solche Listen umfassen zwanzig Personen, aber es ist nicht bekannt, wie vollständig sie sind.

Porträts von Sowjetdeutschen, die im Afghanistan-Krieg gefallen sind, auf Russisch

Ich habe eine solche Suche wegen eines Exponats im Virtuellen Museum der Deutschen aus Kasachstan durchgeführt. Es handelte sich um eine Mappe mit zehn Briefen und Fotos, die an Oleg Stein gerichtet waren – einen Soldaten aus Schymkent, der in Afghanistan kämpfte. Der Soldat starb 1981, und die Briefe an seine Feldpost gingen immer noch ein.

Erst 2018 kam O. Steins ehemaliger Kommandeur nach Schymkent, brachte die Briefe mit und wollte sie seinen Angehörigen geben. Doch es fand sich niemand, und die Mappe wurde dem Museum „Yerlik“ – einer Zweigstelle des Museums für regionale Geschichte und lokale Überlieferung in Südkasachstan – übergeben.

Erinnern an ein menschliches Schicksal

Es gab keine Informationen über Oleg selbst und seine Teilnahme an Militäraktionen in Afghanistan. Es ließ sich lediglich herausfinden, dass Oleg Aleksandrowitsch auf dem Bahnhof Tjulkubas geboren wurde und als Chauffeur arbeitete. Ende Oktober 1979 wurde er zur Armee eingezogen und zwei Monate später nach Afghanistan geschickt. Bekanntlich entsendete die UdSSR am 25. Dezember 1979 Truppen dorthin. Diejenigen Soldaten, die in die erste Gruppe kamen, hatten es besonders schwer.

Oleg Stein lieferte mit dem Auto Munition und Lebensmittel an Militäreinheiten und beteiligte sich an der Abwehr von feindlichen Angriffen auf die Kolonne. Während der Erfüllung des Kampfauftrags erkrankte er schwer und starb. Posthum wurde er mit dem Orden des Roten Sterns ausgezeichnet. An anderen Orten wurde auch ein Foto von Oleg Stein gefunden. So erhielt die Museumsausstellung eine besondere Bedeutung, und ein menschliches Schicksal geriet aus der Vergessenheit.

Ganz normale Jungs

Über jeden dieser Männer gibt es eine Geschichte zu erzählen, es gibt Veröffentlichungen ihrer Briefe, Erinnerungen von Freunden und Verwandten und Aufsätze von Journalisten. Die Geschichten über ihr kurzes Leben sehen meist nicht heldenhaft aus, sie waren ganz normale Jungs. Afghanistan wurde für sie zu einer schweren Prüfung, veränderte sie.

Viktor Redel, wohnhaft in Karaganda, Fallschirmjäger, Kommandant eines Pionierfahrzeugs, nahm während seines eineinhalbjährigen Dienstes in Afghanistan an 15 Kampfhandlungen teil. In einem Brief an seine Mutter schrieb er: „Für mich wird der Dienst in Afghanistan eine gute Schule sein, die mir für immer in Erinnerung bleiben wird. Ich habe meine Meinung sehr geändert, ich habe andere Ansichten über das Leben“.

Er starb nach dem Befehl, aus der Reserve entlassen zu werden. Während der Schlacht wurde Viktor schwer verwundet, aber er deckte den Rückzug seiner Kameraden, bis sein Auto explodierte.

„Ich bin dein letzter und einziger Sohn“

Seine Worte im letzten Brief an seine Mutter klingen wie ein Abschied: „Weißt du, hier [in Afghanistan] ist es Schicksal, Mutti. Du kannst nicht wissen, ob du mit 20 oder 30 Jahren sterben wirst. Und sie können dich zu Hause umbringen. Du brauchst keine Angst vor dem Tod zu haben. Wenn er kommt, wirst du weg sein.“ Kurz vor seinem Tod war Viktor 20 Jahre alt.

„Ihr müsst euch keine Sorgen um mich machen. Mama, warte auf mich, ich werde durch alle Schwierigkeiten hindurch zurückkommen. Ich bin dein letzter und einziger Sohn“ – so beendete er seinen Brief.

Viktor Redel wurde posthum mit der Tapferkeitsmedaille und dem Orden des Roten Sterns ausgezeichnet.

Kasachstandeutsche, die in Afghanistan in Ausübung ihres Dienstes gefallen sind (1979-1989)

Anatoli Aleksandrowitsch Waibert, Leutnant (18.06.1961-11.03.1980). In der Demokratischen Republik Afghanistan (DRA) seit Januar 1980. Lebte im Dorf Uspenowka, Region Fedorowskij, Gebiet Kustanai und wurde dort auch begraben. Ausgezeichnet mit dem Orden des Roten Sterns (posthum).

 

Nikolai Wladimirowitsch Wetstein, Gefreiter (25.07.1961-20.12.1982). In der DRA seit Oktober 1982. Lebte im Dorf Nowosjolowka, Region Karasu, Gebiet Kustanai, begraben in der Siedlung Bakan in derselben Region. Wurde (posthum) mit dem Orden des Roten Sterns ausgezeichnet.

 

Viktor Ewaldowitsch Gauer, Gefreiter (04.03.1960-29.04.1980). Seit März 1980 in der DRA. Lebte und wurde begraben im Bahnhof Talschik, Region Lenin, Gebiet Kokchetaw. Ausgezeichnet mit dem Orden des Roten Sterns (posthum).

 

Anatoli Jakowlewitsch Herter, Unteroffizier (12.07.1960-31.03.1980). In der DRA seit Dezember 1979. Lebte in Petropawlowsk, wurde im Dorf Chistoe, Region Bulajewsk in Nordkasachstan beigesetzt. Wurde mit der Medaille „Für Tapferkeit“ ausgezeichnet (posthum).

 

Edmund Pawlowitsch Girsch, Unteroffizier (04.03.1960-18.04.1980). In der DRA seit April 1980. Lebte und ist begraben im Dorf Donskoje, Region Enbekshilder, Gebiet Kokchetaw. Ausgezeichnet mit dem Orden des Roten Sterns (posthum).

 

Peter Iwanowitsch Gunger, Unteroffizier (07.08.1962-20.02.1982). In der DRA seit Dezember  1981. Lebte im Dorf Tonkoschurowka, Region Moskowskij, Gebiet Nordkasachstan und wurde dort begraben. Ausgezeichnet mit dem Orden des Roten Sterns (posthum).

 

Iwan Sergejewitsch Del, Stabsfeldwebel (14.07.1956-01.01.1984). Seit November 1982 in der DRA. Er lebte im Dorf Assa, Region Dschambul im Gebiet Dschambul, und wurde dort begraben.

 

Viktor Klimentiewitsch Latikant, Gefreiter (27.09.1960-05.10.1980). In der DRA seit Dezember 1979. Lebte im Dorf Burnoje, Region Juwalinskij, Gebiet Dschambul, begraben im Dorf Ewgenijewka, gleiche Region und gleiches Gebiet. Wurde (posthum) mit dem Orden des Roten Sterns ausgezeichnet.

 

Waleri Gugowitsch Raab, Offizier (16.03.1956-24.02.1980). In der DRA von Dezember 1979 bis Januar 1980 (?). Lebte im Dorf Oktjabr, Region Talgar, Gebiet Alma-Ata. Begraben im Dorf Nikolajewka in derselben Region. Wurde mit der Medaille „Für Tapferkeit“ ausgezeichnet (posthum).

 

Viktor Viktorowitsch Redel, Unteroffizier (12.03.1963-01.04.1983). Seit November 1981 in der DRA. Er lebte in Karaganda und wurde dort begraben (auf dem Friedhof von Selenaja Balka). Er wurde mit der Medaille „Für Tapferkeit“ und dem Orden des Roten Sterns (posthum) ausgezeichnet.

 

Oleg Aleksandrowitsch Stein, Gefreiter (29.07.1960-15.11.1981). In der DRA seit Dezember 1979. Lebte und wurde begraben im Bahnhof Tjulkubas, Region Tjulkubas, Gebiet Tschymkent. Ausgezeichnet mit dem Orden des Roten Sterns (posthum).

 

Tamara Wolkowa, Kandidatin der Geschichtswissenschaften, Honorarprofessorin der Deutsch-Kasachischen Universität

Übersetzung ins Deutsche: Annabel Rosin

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