14 Tage, vier Länder, ein Ziel: Die Erforschung der wirtschaftlichen, städtischen und naturräumlichen Strukturen in Zentralasien. Im April reisten Bachelor– und Masterstudierende des geographischen Instituts der Humboldt-Universität zu Berlin nach Kirgisistan, Kasachstan, Tadschikistan und Usbekistan. Ein Reisebericht.

In der Hauptstadt Bischkek startete die Exkursion unter stadt– und physisch-geographischen Themenschwerpunkten. Die postsozialistischen Stadtstrukturen, formelle und informelle Siedlungen und Siedlungsaktivitäten sowie das Vorhandensein von Basaren als typisches Element der orientalischen Stadt, wurden eindrucksvoll vom stadtgeographischen Soziologen Prof. Dr. Emil Nasritdinow durch einen Vortrag sowie eine Stadtführung veranschaulicht.

Die Reiseroute der Gruppe.
Die Reiseroute der Gruppe.

Eine Wanderung durch den Nationalpark Ala Archa ermöglichte das Nachvollziehen von geomorphologischen, geologischen und hydrologischen Prozessen im Naturraum. Ein Besuch bei der deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) erklärte landwirtschaftliche Nutzungssysteme Kirgistans und verdeutlichte die Wichtigkeit zwischenstaatlicher Entwicklungszusammenarbeit.

Stadtgeographie in Almaty

Von Bischkek aus verlief die Reiseroute nach Almaty, der ehemaligen Hauptstadt Kasachstans. Im Vordergrund standen dort Grenzhandelsökonomien, die wirtschaftliche Einbindung und internationale Entwicklungszusammenarbeit, das Verkehrssystem mit seinen Transportnetzen sowie das kasachische Bildungssystem. Dazu wurden die Unternehmen BASF sowie Knauf besucht und es gab einen transkulturellen Austausch mit Studierenden und Offiziellen der Deutsch-Kasachischen Universität (DKU). Zudem wurde der Agglomerationsraum Almaty hinsichtlich seiner Prägung als (post-)sozialistische Stadt, seines Verkehrssystems und der Wasserwirtschaft genauer analysiert.

Die Journalistin und Geographieabsolventin der Humboldt-Universität zu Berlin, Edda Schlager ermöglichte einen tieferen Einblick in das Leben, die Ökonomie und Ökologie Almatys, indem sie eine Stadtführung durch Almaty unter stadtgeographischen Aspekten gab und bei einem Abendessen jegliche Fragen beantwortete.

Entwicklungszusammenarbeit in Tadschikistan

Historische Strukturen, aktuelle politische, ökonomische sowie stadtplanerische Entwicklungen und die zentralen Funktionen der Stadt im tadschikischen Städtesystem stellten die Themenschwerpunkte in der Stadt Duschanbe und ihrem Agglomerationsraum dar. Der Weg zum nächsten Ziel, der Stadt Chudshand, wurde über einen Gebirgspass und durch das Ferghana-Tal bestritten, was durch seine naturräumliche Gliederung und Vielfalt sehr beeindruckte. Außerdem konnten landwirtschaftliche Strukturen sowie geologische und geomorphologische Besonderheiten im Kontext der Zergliederung Tadschikistans untersucht werden. Das Treffen mit Vertreterinnen der Welthungerhilfe in Duschanbe und der Besuch mehrerer Projektstandorte im Ferghana-Tal untermauerten eindrücklich die Wichtigkeit von Entwicklungszusammenarbeit in Tadschikistan.

Mit dem Kleinbus nach Usbekistan

Eine Medresse in Usbekistan.
Eine Medresse in Usbekistan. | Foto. Autorin

Die Weiterreise von Chudshand nach Taschkent, der Hauptstadt Usbekistans, erfolgte mittels Kleinbussen, Reisebus und einem Fernzug, wodurch Unterschiede in der verkehrlichen Infrastruktur der Länder im Gegensatz zu Deutschland, beziehungsweise Europa, sehr deutlich wurden. Politische und ökonomische Funktionen Taschkents stellten den Schwerpunkt des Besuchs der Hauptstadt dar. Dazu erfolgte ein wissenschaftlicher Austausch mit der US-Botschaft in Taschkent sowie mit den Joint-Venture-Unternehmen Deutsche Kabel und Claas.

Das nächste Ziel der Exkursion war die Stadt Samarkand, wo touristische und stadtgeographische Gesichtspunkte im Mittelpunkt standen. Hier hatten die Studierenden die Möglichkeit, in Kleingruppen kleinere Feldforschungen zu unterschiedlichen Themen wie beispielsweise dem Verkehrssystem, Grünflächen oder dem Einzelhandel durchzuführen.

Das Leben des Nomadentums konnte durch eine Übernachtung in einer Jurte am Aydarsee nordöstlich der Stadt Nurata verinnerlicht werden. Die orientalische Stadt Buchara stellte das Endziel der Exkursion dar. Hier wurden Themenaspekte der Oasenwirtschaft und Textilindustrie erforscht.

Vier Länder mit sehr viel Entwicklungspotential

Alle vier bereisten Länder weisen ein hohes ökonomisches und touristisches Wachstumspotential auf, was durch weitere Projekte in der Entwicklungszusammenarbeit sowie eintretende Synergieeffekte durch ausländische Direktinvestitionen und Joint Ventures gestärkt werden kann. Durch ihre Zugehörigkeit zur eurasischen Wirtschaftsunion könnten Kasachstan und Kirgisistan im Laufe ihrer weiteren ökonomischen Entwicklung profitieren.

Besonders Kasachstan ist durch das große Angebot an Rohstoffen zurzeit schon wirtschaftlich am stärksten entwickelt, was sich in der Infrastruktur und Architektur des Landes widerspiegelt. Sicherlich spielen hier auch die politischen Unterschiede der Länder eine Rolle: Tadschikistan und Kasachstan befinden sich in einer beispielhaften politisch-präsidialen Kontinuität im Gegensatz zu Usbekistan und Kirgisistan, welche im weitesten Sinne noch im Prozess des politischen Aufbruchs stecken.

Jedoch verhalten sich die Staaten hinsichtlich ihrer momentanen touristischen Infrastruktur sehr konträr: Kasachstan und vor allem Usbekistan sind durch ein großes Angebot an touristischen Freizeitaktivitäten, verkehrlichen, tourismusörtlichen und kurörtlichen Einrichtungen sowie Beherbergungs– und Gastronomieeinrichtungen sehr attraktive Reiseländer, was auch durch die Vielzahl der zu beobachtbaren Reisegruppen, meistens europäische Bildungsbürger, die sich vor allem an Sehenswürdigkeiten, Museen und Ausgrabungsstandorten versammeln, belegt wird.

Auch das Angebot an Souvenirgeschäften, die Möglichkeit, Postkarten zu verschicken, und die Sprachenkenntnisse der Verkäufer sind Indikatoren für einen weiter entwickelten Tourismussektor als in Kirgisistan und Tadschikistan. Besonders Usbekistan hat den Vorteil, noch viele Elemente einer orientalischen Stadt aufzuweisen und so touristische Magnetwirkungen zu nutzen. Der politische Wandel des Landes kann diese Entwicklung positiv beeinflussen. Die Naturräume der vier Länder gestalten sich ganz unterschiedlich und sind durch ihre Vielfalt sehr interessant, wobei besonders Kirgisistan durch seinen Nationalpark Ala Archa oder auch den Issyk-Kul-See positiv auffallen.

Es wäre spannend, die gleiche Reiseroute in zehn bis fünfzehn Jahren zu wiederholen, um wirtschaftliche, politische oder stadtgestalterische Entwicklungen feststellen zu können.

Natalie Schmiede

Teilen mit: