Nach sechs Jahren Krieg und circa 500.000 Toten, startet am 23. Januar in der Hauptstadt Kasachstans der erneute Versuch, im zerrissenen und zerstörten Syrien Frieden zu schaffen. Der russische Präsident Wladimir Putin schlug die zweitätigen Gespräche im Herzen Zentralasiens vor, nachdem die syrische Armee die Metropole Aleppo im Dezember eingenommen hatte.

Unter der Regie Putins, des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan und des iranischen Präsidenten Hassan Ruhani kommen Vertreter der Opposition und Repräsentanten des syrischen Präsidenten Al-Bashar Assad in Astana zusammen. Ziel ist es, eine Lösung für den komplexen Konflikt zu finden. Ein Konflikt, der zum Bürgerkrieg führt und über die syrischen Grenzen hinaus einen Stellvertreterkrieg provoziert. Syrien ist ein uneiniges, ethnisch sowie religiös gespaltenes Land, das als Spielball von internationalen Interessen seit sechs Jahren nicht zur Ruhe kommt.

Hoffnung auf einen syrischen Sommer?

Bei bisherigen Friedensgesprächen saßen beide Seiten stets in getrennten Räumen und verhandelten über Vermittler. Diesmal sitzen die syrische Regierung und die Opposition sich an einem Rundtisch gegenüber. Putin betont, die Gespräche gelten als Vorbereitung für die am 8. Februar geplanten Friedensgespräche in Genf unter Vermittlung des UNO-Sonderbeauftragten für Syrien, Staffan de Mistura. Russland lud Vertreter der neuen US-Regierung unter Donald Trump nach Astana ein sowie Vertreter aus Saudi Arabien, Katar und Ägypten. Allerdings schickt Washington, das sich gerade im Wechsel zwischen der Obama-Trump Administration befindet, seinen Botschafter in Kasachstan George Krol. Er nimmt lediglich die Rolle eines Beobachters ein.

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Brüssel entsendet eine Delegation und die UN ihren Sondergesandten für Syrien Mistura. Können die Verhandlungen einen friedlichen Sommer in Syrien vorantreiben oder zumindest vorbereiten? Die Skepsis bleibt – von Frieden ist laut der deutschen Zeitung „Die Zeit“ jedenfalls keine Rede, sondern von einer Stabilisierung des Waffenstillstandes, der seit dem 30. Dezember gilt. Auch das regierungsnahe russische Medium RT bekräftigt, dass die Gespräche keine Lösung des gesamten Konflikts beabsichtigen, sondern die Festigung der geltenden Feuerpause. Fragen wie der Verbleib des Präsidenten Baschar al-Assad werden nicht angesprochen.

Moskau übernimmt das Ruder

Während die Syrienpolitik der Vereinigten Nationen mit Trump im Weißen Haus noch unklar ist, festigt Russland seine Machtstellung in Syrien. Am 20. Januar schließt Moskau einen Vertrag mit Damaskus, um die russische Militärpräsenz auf dem Khmeimim-Flughafen bei Latakia und im Hafen von Tartus um 49 Jahre zu verlängern. Der Dumaabgeordnete Sergej Schelesnjak sagt zu diesem Deal: „Dieser wird helfen, das syrische Volk vor der terroristischen Bedrohung zu schützen und darüber hinaus die Stabilität im gesamten Nahen Osten zu sichern.“

Der Wandel der Türkei

Auffällig ist der Wandel der Türkei zum syrischen Krieg: Lange Zeit flossen über die türkische Grenze humanitäre Hilfe, Waffen und Geld an die Rebellengruppen, da Ankara den Sturz Assads bevorzugte. 2015 sah Erdogan den russisch-iranischen Aufmarsch in Syrien kritisch, es kam sogar zum Abschuss eines russischen Kampfbombers nahe der Grenze. Heute sucht er Annäherungen an Moskau und übt damit Druck auf die moderaten Rebellengruppen aus, sich an den Verhandlungen in Astana zu beteiligen. Bedeutet die Kehrtwende der Türkei auch eine Kehrtwende im syrischen Krieg? Als Gründe der neuen türkisch-russischen Freundschaft kann die passive Haltung der USA und der NATO zu Syrien gesehen werden, sowie die drei Millionen syrischer Flüchtlinge, das aufblühende IS-Netzwerk sowie der Versuch der Kurden, ein autonomes Gebiet an der Grenze zur Türkei zu schaffen. „Wir müssen pragmatisch und realistisch sein“, erklärte der türkische Vizepremier Mehmet Şimşek vergangene Woche auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos. „Die Lage vor Ort hat sich so dramatisch verändert, dass die Türkei nicht länger auf eine Lösung ohne Assad pochen kann.“

Sorgenkinder Teheran und Damaskus

Der Syrien-Experte Yezid Sayigh vom Carnegie Middle East Center schreibt: „Russland sieht sich 2017 einem Moment der Wahrheit gegenüber. Es muss bereit sein, weit mehr zu unternehmen, um das Assad Regime zu zwingen, sich an einem politischen Prozess zu beteiligen.“ Anfang des Jahres erklärt Assad im Gespräch mit französischen Parlamentsabgeordneten, nachdem die Delegation die lange umkämpfte Stadt Aleppo besucht hat, dass er uneingeschränkt bereit sei, mit einer patriotischen Opposition zu verhandeln. Vom Ausland gesteuerte Kräfte oder Islamisten sollen jedoch nicht über Syriens Zukunft bestimmen. Auch der Iran, Assads engster Verbündeter, erschwert die Friedensbemühungen. Während Moskau einen Kompromiss anstrebt, wünscht sich der Iran eine demografische Neuordnung des Landes. Andrea Böhm von „Die Zeit“ schreibt dazu: „A Shiite Crescent, ein schiitischer Halbmond vom Iran über den Irak und Syrien in den Libanon – das ist ein lang gehegtes Ziel des iranischen Regimes.“

Waffenruhe durch Wortkrieg?

Unter diesen Voraussetzungen startet die Syrienkonferenz am Montag unter heftigen Beschimpfungen. Syriens UN-Botschafter Baschar al-Dschafari bewertet die Rede von Rebellenführer Mohammed Allusch als „provokant“ und „unprofessionell“. Alle Aufständischen seien für ihn Terroristen, mit denen er eigentlich keine Gespräche führen wolle. Der staatlichen syrischen Nachrichtenagentur Sana zufolge, hoffe Al-Dschafari dennoch, dass die Gespräche in Astana dazu beitragen, die Kämpfe in Syrien zu beenden. Allusch hingegen kritisiert die syrische Armee und die Hisbollah, dass sie immer wieder die Waffenruhe unterbrechen. Zudem bezeichne er Syrien unter Assad als Terrorstaat und fordert eine Übergangsregierung im Einklang mit den verabschiedeten UN-Resolutionen. „Wir wollen Frieden, sind aber auch bereit, weiterzukämpfen“, verkündet er.

Überwachung des Waffenstillstandes

Nach zwei Tagen Gespräche haben sich die syrische Regierung und die Rebellengruppen nicht angenähert. Die Opposition macht zudem deutlich, dass sie sich nicht bereit erkläre, Verhandlungen mit dem Iran zu führen. Sie werden keinen Einfluss des Irans in Syrien dulden. Die drei Schirmherren der Astana-Gespräche, Russland, die Türkei und der Iran, haben sich auf eine trilaterale Überwachung des Waffenstillstandes in Syrien geeinigt.
Die staatlich türkische Nachrichtenagentur Anadolu-Agentur sagt am Dienstag, dass der Mechanismus es den drei Ländern ermögliche, sofort auf Verstöße gegen den Waffenstillstand zu reagieren, indem sie „ihren Einfluss“ nutzen, um Angriffe zu beenden. Ziel sei es, die Gewalt zu mindern, das Vertrauen zu stärken und eine politische statt militärische Lösung zu finden.

Steiniger Weg

Der Gastgeber Kasachstans, Präsident Nursultan Nasarbajew, weist in der von Außenminister Abdrakhomonov vorgetragenen Ansprache, darauf hin, dass der syrische Konflikt nur durch Verhandlungen gelöst werden könne. „Die momentane Situation in Syrien beschäftigt die gesamte Welt“, so das Staatsoberhaupt. Der Krieg, der nun seit fast sechs Jahren andauert, habe nichts gebracht außer Elend und Leid für das Land, in dem verschiedene Zivilisationen und Kulturen zusammenlebten.

Zumindest sitzen die Vertreter der syrischen Opposition und Regierung in Astana an einem Tisch – das ist ein kleiner (Fort-)Schritt auf dem langen, steinigen Weg zum Frieden Syriens.

Anne Grundig

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