Auf Barbara von Münchhausens Abschiedsfeier versammelten sich VertreterInnen kasachischer und deutscher Kultur– und Bildungsinstitutionen, um für ihren jahrelangen Einsatz im Kultur– und Sprachbereich zu danken. Nach acht Jahren verlässt die Goethe-Institutsleiterin Almaty. Es ist die längste Zeit, die sie je in ihrem Leben in einer Stadt verbracht hat. Aktuell ist das Goethe, neben seiner Kultur– und Spracharbeit, auch an der EXPO 2017 präsent. Auf der Weltausstellung wird unter anderem die neueste Tanztheater-Inszenierung „Karagos“ nach dem Stück von Muchtar Auesow gezeigt. Darüber, über Vergangenes und Zukünftiges, sowie über das, was es heißt, sich zu verabschieden, sprach die DAZ mit ihr.
Es ist der Sommer der EXPO, wie ist das Goethe-Institut da momentan involviert?
Wir haben eine Aufführung von „Karagos“. Es ist ein Tanztheater in Kooperation mit dem Deutschen Theater Kasachstan. Der Choreograph Florian Bilbao von der Deutschen Oper Berlin wurde eingeladen, und Jan Siegele komponierte die Musik zum Stück. Bernhard von Posen hat sich als Dramaturg am Projekt mitbeteiligt und den Text aufbereitet. Das ist eine ganz herausragende Kooperation.
Wie ist die Arbeit mit dem Deutschen Theater Kasachstan?
Wir arbeiten immer eng mit dem Deutschen Theater zusammen. Es werden ständig Sprachtrainings für die Schauspieler angeboten. Die jungen Leute werden nicht nur zu Goethe-Sprachkursen eingeladen, wir stellen auch eine Sprachtrainerin, speziell für das Deutsche Theater. Über die Jahre hinweg gab es immer wieder viele gemeinsame Projekte. „Karagos“ ist aktuell ein größeres Projekt.
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Wie kam „Karagos“ zustande?
Es war ein Wunsch seitens des Deutschen Theaters. Wir haben darüber gesprochen, was wir zusammen zur EXPO anbieten könnten und dem Theater-Team fiel etwas in Richtung Tanztheater ein. Über die Goethe-Zentrale bekamen wir eine Empfehlung für Florian Bilbao, der übrigens auch mit dem „Ilhom“-Theater in Taschkent arbeitet.
Das Goethe Digital Infolab Astana arbeitet eng mit euren EXPO-Projekten zusammen. Wie läuft das?
Interessant ist nicht nur das Einbinden des Infolabs ins EXPO-Geschehen, sondern vor allem der neue Parcours, den wir für unsere Spiel-App „Urbane Ecken“ entwickelt haben. Es bezieht das EXPO-Gelände mit ein, und die jungen Spieler können sich ihren Preis direkt im Deutschen Pavillon abholen. Wir haben auch im Deutschen Pavillon eine gewisse Präsenz, indem wir auf einem Touchscreen unsere großen Umweltprojekte, nämlich „Gletschermusik“ und „Urbane Ecken“, präsentieren. Nicolas Journoud, künstlerischer Leiter und Illustrator des Projekts „Urbane Ecken“, hat die gesamte Präsentation sowie das Merchandise-Design vorbereitet.
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Habt ihr noch weitere Pläne für die EXPO?
Ja, es gibt da noch eine Theaterproduktion aus Berlin. „Die Dicke – spielt Medea“ von Julia Raab. Das wird im September im Rahmen eines Gruppenfestivals auf der EXPO aufgeführt. Unser Höhepunkt bleibt gewiss das Tanztheater „Karagos“ mit Florian Bilbao und dem Deutschen Theater Kasachstan.
Die Premiere des Stücks lief in Almaty.
Die Weltpremiere war am 2. Juli und im selben Monat wurde das Stück auf der EXPO aufgeführt. In Zukunft wird es sicher noch einmal in Astana gezeigt werden, und vermutlich wird es im nächsten Jahr in Russland bei einem Theaterfestival aufgeführt. Aber das ist noch in Planung.
Acht Jahre ist mehr als der normale Zeitraum eines Einsatzes, den man als Goethe-Institut-Leiterin verbringt. Wie ist es für dich, nach so langer Zeit dieses Land zu verlassen und all das Erarbeitete, das entscheidend auf die hiesige Kulturlandschaft eingewirkt hat, hinter dir zu lassen?
Es war eine äußerst intensive Zeit und man kann schon sagen, dass es besonders ist, dass man in acht Jahren wirklich außerordentlich viele Leute kennenlernt und viele gute Partnerschaften aufbaut. Es ist sehr traurig, wenn man sich dann verabschieden muss. Andererseits ist es auch ein Glücksgefühl, dass man Einiges erreichen konnte und die Projekte, soweit sie weitergeführt werden, werden von meinen KollegInnen übernommen, also habe ich diesbezüglich gar keine Wehmutsgefühle. Es ist eher die Trennung von Menschen, die es einem schwer macht.
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Wie kam es dazu, dass du acht Jahre hier geblieben bist? Ist dir Almaty so sehr ans Herz gewachsen?
Das war der Wunsch von mir und meinem Mann. Es ist nicht immer möglich, sich diesen zu erfüllen, aber dieses Mal gab es besondere Umstände, die es erlauben, dass wir hier bleiben konnten.
Nun Georgien – warst du dort schon mal beruflich oder privat unterwegs?
Ich war zweimal beruflich in Georgien, vor vielen Jahren einmal zu einer Konferenz, und jetzt vor kurzem zur Wohnungssuche. Dabei ist immer besonders interessant, dass man nicht nur Projektpartner kennenlernen kann und Wohnungen sieht, sondern bereits einige Besonderheiten kennenlernt. So kann man sich auch schon ein bisschen orientieren und ein wenig darauf einstellen, wie es dann möglicherweise wird.
Meinst du, es wird sich sehr von jetzt oder anderen Einsätzen unterscheiden?
Ja, ganz bestimmt. Die größte Herausforderung wird sein, dass ich gleich zum Deutschlandjahr nach Georgien komme.
Wie damals, als du in Almaty anfingst?
Genau. Das hat in Georgien schon im April begonnen und geht dem Höhepunkt zu. Eine weitere Herausforderung folgt im Herbst nächsten Jahres – Georgien wird das Schwerpunktland der Frankfurter Buchmesse. Dafür bereitet das Goethe-Institut auch sehr viel vor.
Das sind bereits zwei große Projekte und ein anderes ist, dass wir parallel zwei Goethe-Zentren in zwei Ländern der Region aufbauen. Ich bin für Armenien und Aserbaidschan mitverantwortlich. Sowohl Baku, wie auch Jerewan sollen vom Auswärtigen Amt je ein Goethe-Zentrum bekommen. Das wird interessant werden. Es ist eine Aufbauarbeit, die zwar jemand anders leiten wird, aber die ich natürlich begleiten werde.
Kann man das mit dem Infolab in Kasachstan vergleichen oder ist das was Größeres?
Nein, das ist zwar noch kein volles Institut, aber bereits ein richtiges Goethe-Zentrum. Und das ist etwas Besonderes, das hatte ich noch nie in meiner Laufbahn.
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Große Herausforderungen – das Deutschlandjahr, die Buchmesse und zwei Goethe-Zentren. Für die ersten eineinhalb Jahre ist auf jeden Fall vorprogrammiert, dass du dich nicht zurücklehnen und dich der Nostalgie widmen kannst.
Nein, bestimmt nicht. Ich werde auch ziemlich lang keinen Urlaub haben, weil ich einfach so viel zu tun haben werde.
Aber bist du jemand, der auch Orte schwer verlassen kann, oder nimmst du das leicht als neue Herausforderung, neues Glück?
Ich war in meinem Goethe-Leben unterschiedlich lange an unterschiedlichen Orten, aber acht Jahre war ich noch nie an einem Ort. Tatsächlich lebte ich sechs Jahre in Bratislava. Aber dafür war ich an anderen Orten wie in Minsk oder in Kairo kürzer, aber nie, weil ich das wollte, es war immer irgendwie Schicksal.
Das heißt, dass ich eigentlich jemand bin, der zufrieden ist, dort zu arbeiten, wo er gerade ist. Ich koste die Zeit, solange das möglich ist, aus, dränge aber nicht auf eine Versetzung. Ich bin mein ganzes Leben immer gereist und habe festgestellt und nachgerechnet, dass die acht Jahre in Almaty, die längste Zeit war, die ich in meinem Leben an einer einzigen Adresse gelebt habe.
Selbst als Kind sind wir als Familie viel gereist. Mein Vater ist amerikanischer Diplomat gewesen und ich war in Thailand, natürlich öfters in Amerika, in Italien, Marokko, im Iran und vielen anderen Ländern.
Das ist ja fast schon eine Ehre für Kasachstan.
Nein, nein. Wie du vorhin sagtest, ist es Schicksal, Zufall, Umstände und so weiter – aber dennoch ist es etwas Besonderes.
Wie würdest du jetzt auf diese acht Jahre zurückblicken, also abgesehen von den wertvollen Partnerschaften – rein für dich persönlich? Was ist das, was du vielleicht für dich ganz privat gelernt oder mitgenommen hast?
Was ich hier in Almaty an Veränderungen bemerkt habe und was mich fasziniert hat, ist, wie sich junge Künstlergruppen und Initiativen gebildet haben, die es früher nicht gab. Junge Leute haben, weitestgehend unabhängig von irgendwelchen größeren Entwicklungen, ihre Initiativen vorangebracht. Sie haben unerschrocken das umgesetzt, was sie im Sinn hatten. Das finde ich sehr beeindruckend.
Zu Beginn, vor acht Jahren, war das nicht so. Da gab es die etablierten Institutionen, aber kaum solche Gruppierungen. Auch heute Abend ist eine ganze Reihe ihrer VertreterInnen aus verschiedensten Sparten hier. Architektur, Karikatur, Film, Kunst, Sozialengagement – alles ist dabei. Es sind alles junge Leute, die irgendwann zu mir ins Büro kamen. Das Kunstfestival Arbat-Fest hat zum Beispiel kürzlich bei uns im Goethe-Institut zwei Monate lang Kunstschulungen betrieben. Auch die LGBT-Gruppe kommt regelmäßig zu uns. Das sind alles Sachen, die Vertrauen erfordern und eine gewisse Aufbauarbeit benötigen. Wenn man nur ein, zwei Jahre vor Ort ist, ist das anders, als wenn man die Möglichkeit hat, eine langfristige Vertrauensbasis mit den Menschen aufzubauen.
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Was sind so deine zwei bis drei Höhepunkte bzw. Meilensteine?
Ein Höhepunkt zu Beginn war sicherlich der Umzug in das neue Gebäude. Das hat außerordentlich viel Energie gekostet und wäre auch fast nicht gelungen. Wenn wir dieses Haus, wo wir jetzt sind, nicht gefunden hätten, hätten wir möglicherweise schließen müssen. Das Auswärtige Amt legt Wert drauf, dass die Goethe-Institute in Erdbebengebieten der Euro-Norm entsprechen und hatte damals eine Ansage gemacht. Es geht einfach darum, dass wir unseren Kunden gegenüber eine gewisse Verantwortung haben und sie auf keinen Fall in irgendeiner Weise gefährden dürfen. Anfangs war es sehr schwierig, ein entsprechendes Gebäude zu finden, aber dann hatten wir viel Glück und alles hat geklappt.
Das andere große Projekt ist natürlich die „Gletschermusik“ – ein Umweltprojekt. Umweltthemen in Zentralasien anzuschneiden ist meiner Meinung nach enorm wichtig, gerade die Gletscherschmelze.
Vor allem, wenn man sich in Almaty direkt unterhalb dieser prachtvollen Berge befindet, und sie jeden Tag sieht.
So haben wir sehr eng mit Konstantin Makarewitsch, einem kürzlich leider verstorbenen Gletscherforscher vom Geologischen Institut, zusammengearbeitet. Er hat seit den 50er Jahren den hiesigen Tienschan-Gletscher abgemessen. Damals war er noch vier Kilometer lang – heute sind es nur noch zwei und die Eismasse hat um 2/3 abgenommen.
Wenn man diese Zahlen hört und weiß, dass Almaty 70% seines Trink– wie auch Nutzwassers aus den Gletschern bezieht, kann man die zukünftigen Auswirkungen dieser Klimaveränderungen erahnen.
Deswegen war das ein wirkliches Herzensprojekt von mir. Man kann guten Gewissens sagen, dass es gelungen ist, weil wir erst Ende Juli das bereits 17. Gletschermusikkonzert in Ancona, in Italien, bei einem Festival abhielten. Es ist ein Zeichen dafür, dass das Projekt und das Thema ankommen und gefragt sind. Wir haben ein gutes Label gefunden, das die Musik erfolgreich produziert hat. Das waren wahrscheinlich die zwei absoluten Höhepunkte, unabhängig von sehr vielen weiteren interessanten, wichtigen und guten Kooperationen.
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Kommt das Projekt auch nach Tiflis?
Die Gletschermusik wurde vor kurzem wieder in Almaty im Rahmen eines Musikfestivals gespielt. Ob es später auch nach Tiflis kommt weiß ich noch nicht, das müsste man sehen. Es gibt auf jeden Fall eine Homepage, auf der man sich zum Hintergrund und zur Geschichte informieren und auch den Film von Christian Frei dazu sehen kann, der die Expedition begleitet hat.
Ich habe von Anfang an darauf geachtet, und denke, dass es bei der Komposition entscheidend ist, dass man der Musik anhört, dass sie aus Zentralasien stammt. Beliebige Musik kam nicht in Frage. So ist eine sehr außergewöhnliche Kooperation aus traditioneller kirgisisch-kasachischer Musik und zeitgenössischer elektronischer Musik entstanden.
Wenn man sich die alten Kulturen hier in der Region anschaut, hatten die Menschen in früherer Zeit ein ganz besonderes Verhältnis zur Natur. Ich glaube deshalb, dass man zu Recht sagt, man solle nicht nur nach vorn schauen, wohin sich alles weiterentwickelt, sondern auch zurück: Was hatten die Vorfahren für ein Verhältnis zu den Bergen, den Gletschern?
Apropos Berge – bei Tiflis gibt es natürlich Berge, aber die sind ein wenig weiter weg. Wirst du denn diese Schönheit vermissen?
Ja, natürlich. Das ist etwas Einmaliges hier. Aber jeder Ort hat ja irgendwie etwas Einzigartiges.
Worauf freust du dich in Georgien am meisten, ganz privat, außerberuflich?
Naja, in Georgien ist das Besondere natürlich, dass man relativ schnell am Schwarzen Meer, aber auch in den Bergen ist. Ich freue mich auch auf Swanetien – das muss großartig sein. Das, was mich sehr interessiert, ist die uralte Kultur, die es dort gibt. Ich bin in der Schule mit Medea und dem Goldenen Fließ aufgewachsen. Das sind alles Sachen, die schon seit der Kindheit in meinem Kopf eine gewisse Präsenz haben. Auf solche Erkundungen freue ich mich besonders.
Kannst du dir vorstellen, dass du irgendwann nach Deutschland zurückkommst? Dass du länger, als acht Jahre in Deutschland bleibst?
Ja, ich bin eigentlich jemand, der sich überall gut einfindet. Wenn man mir jetzt sagen würde, ich muss in die Antarktis, dann würde ich auch dort meinen Weg finden, eine interessante Kulturarbeit zu machen. Da habe ich keine Angst.
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An welchen Ort würde es dich in Deutschland ziehen?
Mit Sicherheit nach Berlin. Nicht nur, weil Berlin mir sehr am Herzen liegt, sondern auch weil die ganze Familie meines Mannes in Berlin lebt. Das könnte ich mir gut vorstellen.
Ist Berlin dann so eine Art Wahlheimat?
Naja, Berlin ist einfach der Ort, wo wir in Deutschland unsere Freunde, Bekannten und Verwandten haben. Wo unser nächster Ort ist, weiß ich noch nicht… Im Moment stellen wir uns auf Tiflis ein.
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Hast du Heimatgefühle? Es kann ja auch irgendetwas aus der Vergangenheit sein.
Nein, das habe ich nicht. Weil ich einfach so oft an so vielen verschiedenen Orten war. Ich habe schon besonders starke Gefühle, wenn ich an bestimmte Abschnitte denke, aber direkt Heimat würde ich nicht sagen. Dazu waren es zu viele Umzüge in meinem Leben.
Vielen Dank für das Gespräch und alles Gute bei der nächsten Etappe!
Das Interview führte Julia Boxler.