Claus Dieter Storm ist im Rahmen des kasachstanisch-deutschen Lehrerentsendeabkommens als Fachberater für Deutsch in Kasachstan. Er betreut ausgewählte Schulen mit vertieftem Deutschunterricht und ist Prüfungsvorsitzender für das Deutsche Sprachdiplom

An den Schulen herrscht Ruhe. Seit dem Wechsel an der Spitze des Bildungsministeriums wartet man ab. Bildungsreform? War da was? Gilt das noch? Mal sehen!

Mir scheint, als glaube man gegenwärtig gar nicht mehr so richtig daran, dass die angekündigte Bildungsreform wirklich durchgeführt werden wird. Es passiert der alte Herrschaftsreflex: „Ein neuer Herr – und die Diener warten ab.” Denn allen ist klar: Der neue Herr ist nicht der alte Herr. Stimmt ja auch.

Aber was nun? Entweder kommt es bei den Lehrern zu einer „Angststarre”: Die neue Herrschaft hat sicherlich eigene Vorstellungen! Was wünscht die neue Herrschaft? Welche Richtung gibt sie an? Vielleicht will sie ja alles ganz anders machen als der Vorgänger! Also erst einmal – nichts tun!

Oder es kommt zu der schief gewickelten, rückwärts gerichteten „Hoffnungsstarre”: Vielleicht passiert jetzt ja erst einmal gar nichts, und alles bleibt beim alten! Also bloß nichts berühren! Und sich nicht rühren!

Beides aber ist grundfalsch. Das Bildungsministerium hatte in der „Kasachstanskaja Prawda” (16. Oktober 2004) die Ziele und Grundzüge der anstehenden Reform mitgeteilt. Das war klar und deutlich und schon lange überfällig. Nichts deutet darauf hin, dass das abgeändert werden wird. Mehr noch: Jeder Schritt zurück wäre für Kasachstan ein Schritt ins bildungspolitische Abseits und würde sich von den international gültigen Bildungsstandards – noch weiter als jetzt schon – entfernen.

Was Kasachstan jetzt, wo die Grundlinien der Reform auf dem Tisch liegen, braucht, ist die intensive, detaillierte, lebendige Diskussion. Dazu bedarf es aber der Bereitschaft der Lehrer, sich zu Wort zu melden, Vorschläge zu machen und auf die Ausgestaltung der Bildungsreform Einfluss zu nehmen und die Reform vorantreiben zu helfen.

„Herr Storm, Sie Traumtänzer!”, rufen mir jetzt vielleicht einige zu, „das gibt´s doch gar nicht, dass die Betroffenen der Regierung bei einer Reform helfen! Dafür ist doch die Regierung da!” Ist das so?

Was zum Beispiel die Fremdsprachenbildung in den Schulen und Hochschulen betrifft, so sollten sich die Sprachlehrer zu Wort melden: Welchen Anteil sollte die Fremdsprachenbildung im Bildungssystem haben? Wie früh sollte man damit beginnen? Wie könnte eine Spezialisierung aussehen? Und was heißt es für die Fremdsprachen, wenn das operative Ziel heißt, dass das Zentrum der Bildung sich ändern solle – weg vom bloßen Wissen und Kennen, statt dessen hin zur zielorientierten Fähigkeit, sie kompetent anwenden zu können?

Das vom kasachstanischen Bildungsministerium unterstützte Deutsche Sprachdiplom an sechs Schulen in Kasachstan zeigt, wie solche Fähigkeiten konkret aussehen könnten. Die DSD-Schulen besitzen hier Erfahrung und Kompetenz. Auch könnte sich der nationale kasachstanische Deutschlehrerverband mit Überlegungen zum Fremdsprachenlernen zu Wort melden. Und dadurch die Vermutung widerlegen, dass an den Schulen Ruhe herrscht.

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