In Bischkek demonstrierten zwei Wochen nach dem einjährigen Jubiläum der Tulpenrevolution mehr als 1.500 Menschen für mehr Ordnung und Gerechtigkeit in Kirgistan. Unser Bischkeker Autor Viktor Zoi war vor Ort und berichtet.
Es glich ein wenig den Feiern zum 1. Mai in der ehemaligen Sowjetunion – die Leute hielten bunte Luftballons und Flaggen in den Händen, es wurde getrommelt und gepfiffen, nur Plakate und laute Ausrufe verrieten den wirklichen Sinn der großen Menschenansammlung im Zentrum von Bischkek.
Ungefähr 1.500 Bürger demonstrierten am 8. April in der kirgisischen Hauptstadt gegen die aktuellen politischen Entwicklungen und bekundeten damit ihre Unzufriedenheit. Die friedlichen Demonstranten kritisierten vor allem die zunehmende organisierte Kriminalität und forderten mehr Gerechtigkeit, Rechtssicherheit und Ordnung.
Zwei Ereignisse gingen den Protesten in Bischkek voraus: Ryspek Achmatbajew, ein berüchtigter Vertreter der organisierten Kriminalität und Kandidat für einen Posten im kirgisischen Parlament, wurde aus der Kandidatenliste gestrichen. Daraufhin kamen einige seiner Anhänger am 31. März aus dem Issyk-Kul-Gebiet nach Bischkek und organisierten noch am selben Tag eine Kundgebung gegen die Entscheidung des Wahlkomitees. Nach ungeprüften Angaben bestand der größte Teil der Ryspek-Anhänger aus bezahlten Lohnarbeitern. Unabhängig davon waren diese Proteste erfolgreich, der Kriminelle wurde nach einer gerichtlichen Entscheidung wieder in die Kandidatenliste eingetragen.
Viele Bischkeker waren enttäuscht und empörten sich über die Entscheidung der Regierung in dieser Sache. Obwohl mehrere Bürger den Verlauf der Ereignisse erahnten, hatten sie dennoch Hoffnung, dass die Regierungsvertreter den Einzug Achmatbajews ins Parlament verhindern würden. Besonders der Präsident Kirgisiens zeigte in dieser Hinsicht seine Inkompetenz. Kurmanbek Bakijew scheint vermutlich vergessen zu haben, was er dem Volk versprochen hat.
Als Organisator der Demonstration nahm auch der bekannte junge Politiker Edil Baisalow, Leiter der Koalition für Demokratie, an den Protesten teil. Die Veranstaltung wurde sehr kurzfristig organisiert: Erst eine Woche zuvor tauchte im Netz die Information auf, dass am 8. April eine Demonstration in Bischkek stattfinden soll. Diese Mitteilung rief die Menschen energisch zur Teilnahme auf. Die Forderungen an die Regierung sind klar: Das Volk Kirgisiens will in einem Land leben, in dem das Gebot „gleiches Recht für alle“ gilt. Die Regierung sollte der Bevölkerung ein ruhiges Leben zusichern und mehr Gesetzlichkeit und Ordnung gewährleisten. Außerdem sollte der friedliche Zug zeigen, dass das Volk gegen Korruption und den Einzug krimineller Führer ins Parlament ist.
Es wurden einige Versuche unternommen, die Veranstaltung zu stören. Die Stadtverwaltung erklärte den 8. April als Tag der Gesundheit, obwohl dieses Fest ursprünglich am 7. April gefeiert wird, und veranstaltete im Stadtzentrum einen Marathon. Außerdem hatte die Stadtverwaltung vorgeschlagen, den Protestmarsch in den weit von der Innenstadt entfernt gelegenen Gorki-Park zu legen.
Ungeachtet aller Hindernisse begannen sich die Teilnehmer der Demonstration um kurz nach 10 Uhr zu sammeln und bald drauf in Bewegung zu setzen. Die Demonstranten gingen in Kolonnen die Bischkeker Sowjetskaja-Straße entlang bis zum Tschu-Prospekt. Angeführt wurde der Menschenzug durch einen LKW, auf dem Edil Baisalow stand und durch einen Lautsprecher skandierte: „Wir sagen ‚nein’ zu Kriminalität und sagen ‚ja’ zu Gesetzlichkeit und Ordnung!“ Die Demonstrierenden antworteten ihm im Chor. An der Kundgebung nahmen außer Vertretern von NGOs (Nicht-Regierungs-Organisationen) auch verschiedene Jugendinitiativen teil. Während die Menschen friedlich durch die Stadt zogen, schlossen sich einige Bewohner Bischkeks an. Als sie schließlich den Tschu-Prospekt erreichten, ging die Zahl der Teilnehmenden weit über 1.500 Menschen hinaus.
Bei den Kundgebungen kam es aufgrund der guten Organisation zu keinen größeren Zwischenfällen. Die Polizei sorgte für Sicherheit auf der Straße, obwohl Staus auf der Sowetskaja-Straße und ihren Kreuzungen nicht zu vermeiden waren. Autofahrer auf der Gegenfahrbahn bekundeten durch ständiges Hupen ihre Zustimmung zu der Veranstaltung. Allem Anschein nach fand das Ereignis großen Anklang bei den Medien, da inmitten der Demonstranten mehrere Fotografen, Kameramänner und Reporter, auch ausländischer Rundfunk- und Fernsehsender, gesichtet wurden.
Der friedliche Zug endete gegen 13.30 Uhr auf der Kreuzung des Tschu-Prospekts und des Friedens-Prospekts, obwohl ursprünglich geplant war, bis zum Ausgangspunkt der Demonstration zurückzugehen. Trotzdem waren sowohl die Veranstalter, als auch die Teilnehmenden mit der Veranstaltung zufrieden.
Von Viktor Zoi, Bischkek
14/04/06