Als Hochschullehrer kann ich den für die Inflationsbekämpfung in Kasachstan Verantwortlichen nur ein dickes „Ungenügend“ ausstellen. Und das nun schon zum vierten Mal hintereinander.

Genau so lange zeigt die Kurve des Inflationstempos nach oben, und zwar mit eher wachsender Geschwindigkeit. Um nicht weniger als 8,4 Prozent sind im Durchschnitt im Jahr 2006 die Verbraucherpreise hierzulande gestiegen. Das ist viel, weil die vor etwa vier Jahren öffentlich verkündeten Pläne für das vergangene Jahr höchstens vier Prozent versprachen. Die zentrale Folge der unerwünscht hohen Inflation – die Verringerung der Kaufkraft einer Geldeinheit – trifft vor allem die Bezieher von staatlichen Transferleistungen, insbesondere die Rentner. Zwar werden deren Ruhestandsbezüge indexiert, also jährlich der Inflation angepasst, aber dabei geht man immer von den viel zu geringen, weil zu optimistischen staatlichen Prognosen aus. So bleibt trotz nominaler Rentenerhöhung kaufkraftmäßig jährlich bis zu 3 Prozent weniger im Portmonee und das bei durchschnittlich 13.000 Tenge (rund 83 Euro) Rente pro Monat.

Sucht man nach den Ursachen, so bleibt man gleich wieder an einer altbekannten hängen. Die Geldmenge wächst ungerechtfertigt und unvernünftig stark im Vergleich zur Warenmenge. Geplant war für 2006 eine Ausweitung der Geldbasis um 40 Prozent, was aufgrund der prognostizierten Wirtschaftsdaten gerade noch zulässig schien. Entwickelt hat sie sich aber fast dreimal so schnell, was irgendwie unverständlich ist. Schließlich sind die Grundmechanismen der Geldmengenregulierung prinzipiell bekannt, auch wenn die Aussage gilt, dass hierbei mehr Gefühl als Mechanik gefragt ist. Doch die Geldmenge kann es nicht allein sein, die die Inflation aus den Fugen geraten lässt, auch wenn das der entscheidende Faktor sein sollte. Die Lebensmittelpreise sind mit über sieben Prozent etwas langsamer gestiegen als der durchschnittliche Preisindex. Hier ist als nichtmonetäre Ursache vor allem die generell zu langsame Ausweitung des Volumens der materiellen Produktion zu benennen. Mit anderen Worten: Das Angebot an Waren ist geringer als die Nachfrage. Das mag auf den ersten Blick verwundern, sind die Geschäfte doch zumindest in den großen Städten voll, und von „Defiziten“ sowjetischer Zeit ist nichts zu spüren. Doch dass die Läden voll sind, ist letztlich nur den Importen und der noch ziemlich niedrigen Gesamtkaufkraft geschuldet, nicht also einer überbordenden heimischen Warenproduktion. Diese hat in den meisten heimischen Produktionsbereichen (Fleisch, Kartoffeln, Obst, Gemüse) noch lange nicht das schon zu Ende der 1980er Jahre vorhandene Niveau wiedererreicht. Zwar wächst das gesellschaftliche Gesamtprodukt Kasachstans ziemlich schnell, doch letztlich zum überwiegenden Teil infolge der hohen Energie- und Rohstoffpreise auf den Weltmärkten, also nur wertmäßig. Physisch hat sich in vielen Branchen das Produktionsvolumen nur wenig oder manchmal auch gar nicht entwickelt. Das gilt auch für den Export, der in den letzten beiden Jahren wertmäßig um etwa die Hälfte, physisch (also in Bezug auf die Menge der exportierten Gütermenge in Tonnen oder Kubikmeter) nur um etwas mehr als drei Prozent gewachsen ist. Also müsste die heimische Produktion deutlich gesteigert werden, um auf vernünftige Inflationszahlen zu kommen.

Die Preise für technische Konsumgüter und Textilien sind mit 7,1 Prozent ebenfalls unterdurchschnittlich gestiegen. Da es sich hier fast ausschließlich um Importwaren handelt, kann man dieser Entwicklung eigentlich nur zuschauen bzw. langfristig eine sinnvolle Eigenproduktion aufbauen. Da tut sich aber nicht allzu viel. Bleibt als letzte Kategorie der Dienstleistungssektor. Er hat sich mit 11,6 Prozent als zentraler Preistreiber erwiesen. Dabei geht es weniger um die „kleinen“ Dienstleistungen wie Frisör oder Schuster, sondern vor allem um kommunale Dienstleistungen, wie Energie und Wasser. Das ist ein heißes, vieldiskutiertes Thema. Hier wird gern auf die „Monopolisten“ geschimpft oder auf das staatliche Antimonopolkomitee, das Preistreibereien der Monopolisten mit administrativen Maßnahmen verhindern soll. Das Problemchen ist allerdings, dass die Mehrzahl der Monopolisten nicht kostendeckend produziert, weil die Tarife für ihre Leistungen viel zu niedrig sind. Es ist zwar verständlich, wenn aus sozialen Gründen Preisanstiege verhindert werden sollen, aus ökonomischer Sicht ist das aber eher irrwitzig. Da die Anlagen zur Erzeugung und Übertragung von Energie, Wasser u.a. hochgradigst abgenutzt sind, muss hier umfassend investiert werden, oder wir stehen in absehbarer Zeit sehr schnell und sehr oft ohne Strom und Wasser da. Hier ist also die Alternative: höhere Teilinflation (höhere Tarife) oder im Dunkeln sitzen. Ersteres wird wohl bald kommen, wobei das Zweite infolge der großen Versäumnisse in der Vergangenheit nun auch nicht mehr auszuschließen ist.
Für 2007 haben Regierung und Nationalbank sehr vorsichtig in Aussicht gestellt, die diesjährige Inflation bei sieben Prozent halten zu können. Das wäre eine enorme Leistung. Der Januar – traditionell eher eine Periode mit weniger schnell wachsenden Preisen – aber zeigt eine etwas höhere Jahresrate als 2006. Zumindest bisher sieht es eher wieder nach „ungenügend“ aus.

Bodo Lochmann

23/02/07

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