„Achterbahn“ – so lässt sich die Entwicklung der Aktienkurse in den letzten Tagen bezeichnen. Es dominiert Unsicherheit über die Entwicklung der Weltwirtschaft und einzelner Volkswirtschaften. Unsicherheit ist aber Gift für die Anleger.
Sinken die Marktpreise von Aktien stark, kann dies neben psychologischen Auswirkungen schnell auch in handfeste Finanzierungsprobleme für ein Unternehmen umschlagen. Stark instabile Aktienkurse sind deshalb nicht nur von den Käufern unerwünscht. Aktienindizes sind Gradmesser für das Vertrauen und Erwartungen von Marktteilnehmern in die wirtschaftliche Entwicklung. Wie diese aber wirklich aussehen wird, ist nur schwer zu prognostizieren. Im Moment halten sich die Pessimisten und die Optimisten unter den Bewertern die Waage: Geht es heute mit den Aktienkursen bergab, weil die Pessimisten verkauft haben, steigen sie morgen wieder, weil die Optimisten positive Zeichen sehen. Dieses Spiel ist so alt, wie es Aktien und Märkte dafür gibt.
Neu sind allerdings einige Bewertungen, die für die nächsten Monate eine „Stagflation“ voraussagen. Ausgesprochen wurde dies vor etwa zwei Wochen vom EU-Währungskommissar Joaquin Almunia. Bei einer Stagflation bleibt die Inflation, die in Zeiten einer florierenden Wirtschaft eine normale Erscheinung ist, unerwünscht hoch, obwohl die Wirtschaft nicht wächst oder gar schrumpft. So entsteht ein unangenehmer Prozess: Die hohe Inflation verringert die reale Kaufkraft der Konsumenten, so dass die Nachfrage und damit das Wirtschaftswachstum sinkt. Unternehmer können aber nur produzieren, wenn auch Nachfrage besteht, sie werden also die Produktion verringern und eventuell auch Mitarbeiter entlassen müssen.
In Europa besteht diese Gefahr auf den ersten Blick durchaus. Infolge der hohen Energie- und wachsenden Lebensmittelpreise ist die Inflation in der Eurozone im Jahr 2007 auf über 3 Prozent geklettert. Gleichzeitig sinkt in Deutschland das Wirtschaftswachstum von etwa 2,5 Prozent im vergangenen Jahr auf voraussichtlich 1,6 Prozent in diesem Jahr. Grund hierfür ist vor allem der starke Euro, der in den letzten fünf Jahren gegenüber dem Dollar um 50 Prozent teurer geworden ist. Dies bremst die Exporte aus der Eurozone in den Dollarraum und sorgt für Entlassungen. Die Ursache ist also ein sogenannter „Angebotsschock“, das heißt, der Kostendruck, dem die Unternehmen ausgesetzt sind, wird an die Verbraucher weitergegeben. Dieses Phänomen wurde erstmals vor 35 Jahren beobachtet. Damals war es jedoch allein durch die schnell gestiegenen Weltmarkpreise für Erdöl bedingt und bescherte allen großen Volkswirtschaften eine Rezession. So stieg in der Bundesrepublik Deutschland 1975 erstmals in ihrer Geschichte die Anzahl der Arbeitslosen auf eine vorher nie für möglich gehaltene Größe von über einer Million.
Im Unterschied zu damals, agieren die meisten Nationalbanken jetzt klüger und erfahrener: Deshalb bestehen heute auch definierte, maximal zulässige Inflationshöhen, die die Nationalbanken mit ihren Instrumenten zu steuern versuchen.
Außerdem sind die Notenbanken heute politisch unabhängig, das heißt die Geldexperten haben das Sagen und nicht die Politiker. Dennoch ist die Bekämpfung von Inflation und Stagflation kein Automatismus, sondern eher eine Kunst: Es müssen die richtigen Instrumente zum richtigen Zeitpunkt richtig dosiert eingesetzt werden.
Es wird sich allerdings erst noch zeigen, ob es der Nationalbank der USA mit ihrer deutlichen Zinssenkung Ende Januar gelungen ist, eine Rezession zu verhindern.
In Kasachstan stehen die Zeichen ebenfalls auf Sturm. Die Inflation ist mit etwa 18 Prozent hoch, das Wachstumstempo wird sich wohl deutlich verringern. „Beruhigen“ kann da nur die Meinung der meisten Experten, dass man bei dieser Konstellation machtlos ist, wenn nicht rechtzeitig vorausschauend an den Zinsschrauben gedreht worden ist. Wir werden sehen, ob das der noch jungen Nationalbank Kasachstans gelungen ist. Formal sieht es aber nicht danach aus.
Bodo Lochmann
01/02/08