Zuletzt ist der Vater meiner Freundin gestorben. Und als wäre das nicht schon traurig und schlimm genug, ärgern uns nun die Behörden. Was es alles zu regeln und erledigen gibt, wenn gestorben wird! Nun gut, so verwunderlich ist es nun auch wieder nicht, wenn man bedenkt, was man Jahr für Jahr alltäglich behördlich regeln muss und mit wem man es alles zu tun bekommt.
Die Krankenkasse, diverse Versicherungen, die Bank, GEZ, Telekom usw. usw. Und die wollen jetzt alle informiert werden. Der Gestorbene ist ja raus aus dem Dilemma, doof ist es für die Hinterbliebenen. Vor lauter Trauer weiß man gar nicht, wo einem der Kopf steht. Dass man sich gerade noch pflegt und ernährt, reicht an sich. Durch die tränengefüllten Augen geht einem eh die Klarsicht verloren, und dann muss man sich auch noch durch die Unterlagen kämpfen. Ich hatte nicht erwartet, dass einem die Sachbearbeiter mit viel Mitleid, Beileid oder tröstenden Versen von Goethe begegnen. Dennoch – dass der Todesfall genauso bürokratisch-sachlich aufgenommen wird wie der Vermerk, dass sich die Adresse geändert hat (auch wenn es tatsächlich im Grunde genommen recht vergleichbar ist), irritiert schon.
Natürlich geht es nicht, dass sich die Menschen jeden Einzelfall zu Herzen nehmen, sonst geht man ja kaputt. Aber was ich bei der Rentenversicherungsanstalt erlebt habe, hat schon den Vogel abgeschossen. Per Telefon wollte ich uns den Antrag auf Witwenrente zuschicken lassen. Ja, gut. Die Adresse gebe ich durch. War es das? Nein, noch nicht: Ob es dann reicht, die vielen verschiedenen Unterlagen und Dokumente in Kopie beizulegen? „Nein, natürlich nicht.“ Aha, natürlich. „Das muss alles persönlich im Original vorgezeigt werden.“ Dazu denke ich laut: „Aber dann macht es ja keinen Sinn, das vorher per Post zu erhalten, wenn wir sowieso in jedem Fall doch persönlich hindackeln müssen…“ „100 Punkte für Sie!“ lobt die Sachbearbeiterin mein detektivisches Talent. Mir scheint, ich bin versehentlich in einer Quiz-Show gelandet. Ich will es dann doch noch mal ganz langsam und sehr deutlich nachvollziehen: „Es gibt schon die Variante, das Ganze per Post zu erledigen, ja?“ „Ja!“ „Ja, und wie denn, wenn doch alles im Original…???“ Man muss es beglaubigen lassen, erfahre ich. Zu der Frage, wo und von wem: „Das weiß ich doch nicht!“ so die Dame vom Amt. „Vielleicht von einem Notar?“ versuche ich die Rollenverteilung in dieser Quiz-Sendung zu tauschen. „Das ist aber doch zu teuer“, hilft mir die Dame weiter. Oh, sie meint es also doch gut mit mir! Ich versuche ein Resümee: Es gibt also Variante A – schriftlich, was allerdings nur dann funktioniert, wenn wir die Dokumente in Kopie beglaubigen lassen, was aber teuer ist, oder Variante B – persönlich vorbeikommen. Somit fällt Variante A eher weg und übrig bleibt B. Ein klares Ja von der Quiz-Meisterin! Gut, sage ich, dann kommen wir vorbei. „Dann kann ich also den Umschlag jetzt in die Tonne kloppen!!“ Nachdem wir uns gerade so schön aufeinander eingespielt hatten, ist die Stimmung nun wieder gekippt und die Dame beleidigt. Was sich unmittelbar zeigt, als ich nach einem Termin frage. „Einen Termin haben wir erst wieder im November frei!“ Stille in der Leitung. Ich bin wohl am Zug: „Ja, und das heißt?“ wage ich die Frage. Sie hat mich eindeutig in der Hand, hierzu kann ich keine Lösung anbieten. Fast wünsche ich mir, dass in unserem Land die Bestechung ein reguläres Hilfsmittel wäre, dann käme ich mir nicht gar so hilflos und ausgeliefert vor. Aber nach einer kurzen quälenden Schweigeminute, in der meine Ansprechpartnerin ihre Macht wahrscheinlich so richtig ausgekostet hat, gibt sie auch ohne Bestechung zu, dass wir einfach so vorbeikommen können, dann aber mit einer längeren Wartezeit rechnen müssen. Endlich haben wir es geschafft. Zumindest den ersten Schritt. Denn der eigentliche Akt steht uns ja noch bevor – der Gang auf das Amt! Dafür besorge ich mir lieber eine große Flasche Baldrian. Sonst begehe ich noch eine Straftat.
19/09/08