Übersetzungsprogramme haben ihre Tücken. Das musste Kolumnistin Julia Siebert herausfinden, als sie romantische Botschaften in Fremdsprachen austauschen wollte.

 

Internet ist toll. Damit kann man sich allerhand erschließen – zum Beispiel Fremdsprachenkenntnisse – und allerlei transportieren – zum Beispiel Erotik. Nur sollte man beides nicht miteinander verknüpfen.
„Ich will dich spüren“ wollte ich jemandem übermitteln. Aber auf Italienisch, weil sich schöne Dinge auf Italienisch oder Französisch in einigen Fällen schöner anhören als im trocken-nüchtern-sachlichen Deutsch. Zudem befanden wir uns aufgrund eines Lieblingslied-Austausches gerad im Italienisch-Modus, da wäre Deutsch ein Stilbruch gewesen. Kein Problem, dachte ich, zack – das erstbeste Übersetzungsprogramm aufgerufen, hopp – mein schönes Sätzlein eingetragen und zupp – rasch übermittelt. Aber das Übersetzungsprogramm, das mir bisher ALLES brav übersetzt hat, was ich übersetzt haben wollte, hat mir partout die Aussage verweigert. Nicht mal in einer vagen Annäherung wurden mir adäquate Lösungen angeboten. Als folge das Programm einem Ehrenkodex, jegliche Erotik aus dem Spiel zu nehmen, bot es mir Sätze an wie: „Ich möchte ein Konto eröffnen.“ „Ich möchte die blaue Hose.“ „Ich möchte ein Eis essen.“ Möchten darf man in diesem Programm manches, spüren darf man nur „etwas“ oder „die Wirkung von etwas“. Meine Güte, warum zickt das Programm so rum? Es geht hier ja nicht um Pornografie. Aber das Programm scheint mir sagen zu wollen: „Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps. Deine erotischen Formulierungen kannst du dir sonst wo herholen, ICH bin ein anständiges Programm, pft!“
Gut, dann halt nicht, bastel ich mir den Satz eben selbst Stück für Stück zusammen. Aber wer schon manche Fremdsprache lernen durfte, weiß: Wort-für-Wort-Übersetzungen führen nur in seltenen Fällen zum richtigen Ergebnis. Wenn dabei nicht der Sinn verlorengeht, dann zumindest die grammatikalische Richtigkeit oder die stilistische Ästhetik. In diesem Falle scheint es unproblematisch, was kann man schon bei „ich möchte dich….“ falsch machen? Jedoch – fische ich das falsche „spüren“ aus der Liste, kloppe ich womöglich mit einem Streich die ganze Erotik in die Tonne. Und so ist´s: Spüren kennt das Programm angeblich nicht, ich solle „Spuren folgen“ oder „Spuren hinterlassen“. Danke, ein andermal gern, jedoch nicht jetzt. Zeitgleich hatte mein Kommunikationspartner an der anderen Seite der Leitung dasselbe Problem, mit einem anderen Programm. „Ich umarme dich“ wollte er auf Italienisch transportieren. Als wäre auch das sittenwidrig – wobei man heutzutage doch alles und jeden mit Ausnahme des Finanzbeamten umarmt und es sogar inklusive Kuss! ein wichtiger außenpolitischer Akt ist – bot ihm das Programm an: „Der Trimm-dich-Pfad.“ „Wie du mir, so ich dir.“ Und: „Ich hab dich ganz doll lieb.“ Bei der letztgenannten Formulierung hätte ich ganz schnell Reißaus genommen. Wie gut, dass der Herr die Übersetzung kritisch prüfte und verwarf.
Inzwischen ist bei mir die Erotik sowieso im Keller und selbst, wenn ich mein Sätzlein noch adäquat übersetzt kriegen sollte, wäre es nunmehr das Ergebnis einer mühevollen Recherche und Vokabelarbeit. Spontaneität und Authentizität sind dahin, und das sind bekanntlich wichtige Faktoren der Erotik. Die Moral von der Geschichte ist: Schuster, bleib bei deinem Leisten. Und Julia, bleib bei deiner Sprache. Sag es, wie du es denkst und ausdrücken kannst und lass das Verromantisieren durch südeuropäischen Anstrich. Aber dass das Programm gesiegt hat, wurmt mich doch!

Teilen mit: