Warum das Ölförderprojekt „Kaschagan“ zu einem der weltweit teuersten Vorhaben für Investoren geworden ist und welche Fördermengen noch zu erwarten sind, darüber informiert Bodo Lochmann.

In den letzten Wochen hat es eine Reihe interessanter Informationen um Kasachstans Produkt Nr. 1, das Erdöl, gegeben. Es wurden gerade die Prognosen der Regierung für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung des Landes für den Zeitraum 2014 bis 2018 veröffentlicht. Das ist eher trockenes Papier, wahre Sensationen sind kaum zu entdecken, aber natürlich schimmert die entscheidende Rolle des Öls schon durch.

Im genannten Zeitraum soll die Förderung von jetzt etwa 81 Millionen Tonnen auf knapp 100 Mio. Tonnen ansteigen, eine anspruchsvolle Zielstellung, die jedoch bescheiden wirkt, wenn man sich daran erinnert, dass die Prognosen aus den Jahren 2008 für 2015 bereits bei 150 Mio. Tonnen lagen. Das diese einstige Planung längst aus den Strategiepapieren verschwunden ist, liegt vor allem am widerspenstigen Projekt „Kaschagan“ im Nordteil des Kaspischen Meers. Dort liegen enorme Erdölvorkommen, allerdings in großer Tiefe, in einem ökologisch sehr empfindlichen, früher infrastrukturseitig kaum erschlossenen Gebiet.

Zudem ist die Qualität des dort lagernden Erdöls nicht allererster Güte, da ein hoher Schwefelgehalt gegeben ist. Dennoch bemüht sich nun seit fast 20 Jahren ein Konsortium aus kompetenten internationalen Ölkonzernen um die Hebung des Schatzes. Es wurde enorm viel investiert, mehr als ursprünglich geplant. Mittlerweile haben die Investitionskosten die 50 Milliarden-Dollar-Grenze überschritten; geplant waren anfangs mal weniger als 10 Milliarden. Auch der Zeitplan ist schon längst aus dem Ruder gelaufen. Ursprünglich sollte die Förderung schon 2005 beginnen, jetzt redet man davon, dass die Probeförderung gerade begonnen habe. Zwar sind die benötigten Anlagen mittlerweile installiert, bei den ersten Probeläufen wurden jedoch genau 247 Lecks im komplizierten Leitungssystem festgestellt, aus denen leicht entzündbares Begleitgas austritt. Da der größte Teil dieser undichten Stellen unter Wasser liegt, ist deren Abdichtung schwierig.

Die Schwierigkeiten lassen es im Moment eher unwahrscheinlich erscheinen, dass die kommerzielle Förderung noch bis Anfang Oktober hinzukriegen ist. Dieser Termin aber ist vom Konsortium mit der Regierung vereinbart; wird er nicht eingehalten, gibt es Konflikte, mindestens in Form von Geldstrafen, die die Effektivität des Gesamtprojektes weiter verringern. Anfang des Jahres sind zwei Großkonzerne aus dem Projekt ausgestiegen, da sich die außerplanmäßig hohen Investitionsaufwendungen bei den heutigen Weltmarktpreisen für Erdöl wirtschaftlich nicht mehr lohnen. Die Lizenz für die Förderung ist bisher auf 40 Jahre begrenzt, zu kurz um bei den gegebenen Zeitverzögerungen die Mehraufwendungen noch herausholen zu können. Allerdings war dieser Ausstieg für Kasachstan kein allzu großes Problem, schließlich standen chinesische Investoren bereit, die die 8 Mrd. Dollar mitbrachten, um an Stelle des ursprünglichen Projektpartners zu treten. Damit befindet sich mittlerweile doch bereits etwa ein Drittel der Ölförderung Kasachstans in der Hand chinesischer Unternehmen.

Die hohen Erwartungen an das Ölfeld Kaschagan scheinen sich also eher nicht zu erfüllen, so dass in den Planungen und Prognosen eine gewisse Bescheidenheit eingetreten ist, die man auch als Hinwendung zu realistischen Bewertungen deuten kann. Danach wird im Zeitraum 2010 bis 2025 die Ölförderung in Kasachstan mit 135 Mio. Tonnen ihren Höhepunkt erreichen und damit langsam fallen. Sollten keine neuen bedeutenden Lagerstätten gefunden und erschlossen werden, so könnte die Förderung bis 2050 auf etwa 50 Mio. Tonnen fallen. Das ist zwar die pessimistischere Variante aller Prognosen, aber die klare Überschätzung der Fördermöglichkeiten in der jüngeren Vergangenheit zeigt, dass pessimistische Einschätzungen eher die realistischeren waren. Zumindest muss man diese Variante im Auge haben, denn die Umstrukturierung einer Volkswirtschaft dauert auch ihre Zeit, die leicht Jahrzehnte einnimmt.

Bodo Lochmann

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