Die Nationale Akademie der Wissenschaften der Republik Kasachstan befindet sich heute in einem herrschaftlichen Anwesen im Zentrum von Almaty. Der gesamte Gebäudekomplex nimmt einen ganzen Straßenblock ein und beeindruckt durch seine palastartige Architektur im besten Stile des sozialistischen Klassizismus. Bis heute ist insbesondere ein Name ganz besonders mit der Akademie der Wissenschaften verbunden: der des Geologen und Wissenschaftlers Qanysch Imantajuly Sätbajew.
Qanysch Imantajuly Sätbajew wurde am 12. April 1899 in dem Aul Nr. 4 im heutigen Bajanaul bei Pawlodar geboren. Zwischen 1909 und 1911 besuchte er die Dorfschule und schloss im Jahr 1914 die Russisch-Kasachische Schule in der Stadt Pawlodar mit Auszeichnung ab. Es folgte eine Ausbildung am Lehrerseminar der Stadt Semipalatinsk. In dieser Zeit steckte sich Sätbajew mit Tuberkulose an und hatte daraufhin zeitlebens mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen. Er bereitete sich auf den Hochschulabschluss vor, doch musste aufgrund der Verschlimmerung seines Gesundheitszustandes für fast ein Jahr in sein Heimatdorf zurückkehren. Die Doktoren glaubten, die frische Luft in seiner Heimat würde ihm gut tun, und empfahlen ihm, viel Kumys zu trinken. Sein Studium würde er allerdings nie wieder aufnehmen können.
Im Jahr 1921 lernte Qanysch Sätbajew den russischen Professor Michail Antonowitsch Ussow aus Tomsk kennen. Unterhaltungen mit Ussow weckten das Interesse Sätbajews an der Geologie und er beschloss, trotz seiner Krankheit nach Tomsk zu gehen und sich an dem dortigen Technischen Institut zu bewerben. Sätbajew wurde tatsächlich zugelassen, doch seine Gesundheit verschlechterte sich abermals. Er kehrte in sein Heimatdorf zurück und führte die Ausbildung im Fernstudium fort.
Michail Antonowitsch Ussow, der sich nun oft in Bajanaul aufhielt, wurde zum Mentor von Sätbajew und unterstützte ihn bei dem Fernstudium. In dieser Zeit arbeitete Sätbajew ebenfalls an einem Schulbuch für Algebra, welches er im Jahr 1924 fertigstellte. Es war das erste Algebra-Schulbuch in kasachischer Sprache. Mit einer deutlichen Verbesserung seiner Gesundheit konnte Qanysch Sätbajew schließlich an das Institut nach Tomsk zurückkehren und dieses im Jahr 1926 erfolgreich abschließen. Sätbajew war der erste qualifizierte kasachische Bergbauingenieur und Geologe.
Dank Qanysch Sätbajew wurde die weltgrößte Kupferlagerstätte entdeckt
Nicht viel später, im Jahr 1932, etablierte die Akademie der Wissenschaften der UdSSR eine Außenstelle für die Fachbereiche Botanik und Zoologie in Alma-Ata. Qanysch Sätbajew wurde derweil in die Stadt Atbasar in der Region Aqmola in Nordkasachstan geschickt, um dortige Kupfervorkommen zu erforschen. Die damaligen Spezialisten glaubten, die dortigen Kupfervorkommen würden in den folgenden 10 bis 15 Jahren versiegen. Sätbajew widersprach dem und vermutete große Vorkommen in der Region Zhezkazgan. Die Arbeiten zur Erforschung der Bodenschätze in dem Gebiet waren ab den Jahren 1928 und 1929 erfolgreich. Qanysch Sätbajew stieß im Gebiet zwischen Ulutau und Zhezkhazgan auf große Erzvorkommen.
Für Sätbajew bestanden die größten Probleme bei der Ausbeutung der Bodenschätze in der völlig ungenügenden Infrastruktur in dem Gebiet Zhezkazgan. Er wurde bei der Akademie der Wissenschaften der Sowjetunion vorstellig und präsentierte seine Forschungsergebnisse der dortigen Kommission. Diese unterstützte sein Vorhaben im Bau einer neuen Eisenbahnmagistrale Balchasch – Karaganda – Zhezkazgan. Nun begannen weit ausgedehnte Forschungsarbeiten in dem Gebiet. Dabei stellte sich bald heraus, dass man in der Lagerstätte Zhezkazgan auf die seinerzeit weltgrößte bekannte Kupferlagerstätte gestoßen war. Qanysch Sätbajew erhielt für seine Erforschung im Gebiet Zhezkazgan im Jahr 1940 den Leninorden, die höchste Auszeichnung der Sowjetunion, verliehen.
Der Zeitgeist der Stalinschen Nachkriegsjahre
Zu Beginn der 1940er Jahre existierten in der Kasachischen SSR 12 Universitäten, 11 Forschungsorganisationen, 2 landwirtschaftliche Experimentalstationen, 6 Fabrikforschungsabteilungen, ein botanischer Garten, ein zoologischer Park und verschiedene weitere Forschungseinrichtungen. Im August 1944 beschloss die Führung der Kasachischen Sowjetrepublik die Gründung einer eigenen Akademie der Wissenschaften. Am 1. Juni 1946 schließlich erfolgte Gründung der Akademie der Wissenschaften der Kasachischen SSR. Zu deren ersten Präsidenten wurde kein Geringerer als der Geologe Qanish Sätbajew gewählt.
Seit dem Jahr 1953 befindet sich die Kasachische Akademie der Wissenschaften in ihrem jetzigen Gebäude im Zentrum von Almaty. Das Gebäude wurde nach den Entwürfen des Architekten Aleksej Schtschussew errichtet. Schtschussew starb zwar bereits im Mai 1949 in Moskau, doch er hat sich einen Namen insbesondere als Architekt zahlreicher Gebäude im Stile des sozialistischen Klassizismus gemacht. Er war es, der unter anderem das Lenin-Mausoleum auf dem Moskauer Roten Platz entwarf. Sein Architekturstil spiegelt auf besonders prägnante Weise den Zeitgeist der Nachkriegsjahre unter Josef Stalin wieder. Die Besonderheit im Falle der Kasachischen Akademie der Wissenschaften ist aber, dass er in den klassizistischen Bau auch zentralasiatische Elemente und Formen mit einfließen ließ.
Qanysch Sätbajew wollte in Alma-Ata bleiben
Qanisch Sätbajew verließ seinen Posten als Akademiepräsident im Jahr 1952. Sein Nachfolger in dieser Position war Dinmuchamed Kunajew, der spätere erste Sekretär der Kasachischen Sozialistischen Sowjetrepublik. Kunajew blieb Präsident der Akademie bis zum Jahr 1955. In den Jahren der Sowjetunion wuchs die Akademie stetig an und umfasste Anfang der 1980er Jahre 31 wissenschaftliche Einrichtungen. Im Jahr 1996 fasste Kasachstan auf Beschluss seines Präsidenten die Nationale Akademie der Wissenschaften mit der Kasachischen Akademie für Agrarwissenschaften und dem Ministerium für Wissenschaft und neue Technologien zu einer einzigen Behörde zusammen. Diese Zusammenlegung währte jedoch nur drei Jahre.
Nach dem Ausscheiden Qanysch Sätbajews aus der Akademie der Wissenschaften der Kasachischen SSR wurde ihm die Position des Vorsitzenden der Zweigstelle Ural der Akademie der Wissenschaften der UdSSR angeboten. Sätbajew lehnte dies ab und bevorzugte es, in Alma-Ata zu bleiben. Hier wurde er der Direktor des Instituts für geologische Wissenschaften. Sätbajew beschäftigte sich weiterhin mit der Erforschung der Bodenschätze. Im Vordergrund standen dabei die Vorausbestimmung von Lagerstätten von Metallen und deren Kartografierung in Zentralasien. Für die Leistungen in diesem Bereich wurde die Forschungsgruppe um Sätbajew im Jahr 1958 abermals mit dem Lenin-Preis ausgezeichnet.
Sätbajews Name ist omnipräsent
Qanysch Sätbajew starb am 31. Januar 1964 nach schwerer Krankheit in Moskau. Er wurde auf dem Zentralfriedhof in Alma-Ata beigesetzt. Seit dem Jahr 1968 befindet sich ihm zu Ehren ein Denkmal auf seinem Grab. Doch das Gedenken an den großen Geologen Sätbajew findet sich heute überall im öffentlichen Leben Kasachstans. Die Stadt Sätbajew im Gebiet Karaganda trägt seinen Namen, daneben besitzt praktisch jede Stadt Kasachstans eine Sätbajew-Straße. Auch existieren zahlreiche wissenschaftliche Institute und Einrichtungen mit seinem Namen.
Doch damit nicht genug, so erhielt der Asteroid 2402, der am 31. Juli von dem sowjetischen Astronomen Nikolaj Tschernych entdeckt wurde, den Namen Sätbajew. Daneben existiert das Mineral Satpaevit mit der chemischen Verbindung 6Al (OH)3×3v (O2OH)×2v {O (OH)2} sowie ein Gletscher und Berggipfel im Dschungarischen Alataugebirge welcher nach dem berühmten Wissenschaftler benannt wurde. Man kann sich also sicher sein, dass man dem Namen des Geologen Qanysch Sätbajew noch öfter auf den Straßen Almatys und Kasachstans begegnen wird.