In der Botschaft der Republik von Kasachstan in Berlin fand ein „Runder Tisch“ zum Thema „Bildungs- und Wissenschaftskooperationen zwischen Kasachstan und Deutschland: Stand und Perspektiven“ statt. Neben Vertretern aus verschiedenen Ministerien waren auch Repräsentanten führender Bildungs- und Wissenschaftseinrichtungen aus der Bundesrepublik Deutschland anwesend.
Eingeleitet wurde das Symposium mit einem Grußwort des Botschafters der Republik Kasachstan, S. E. Nurlan Onzhanov. Er wies darauf hin, dass das Jahr 2025 vom Präsidenten der Republik Kasachstan zum „Jahr der Facharbeitsberufe“ erklärt wurde. Das oberste Ziel dieser Kampagne ist es, die technische und berufliche Bildung in Kasachstan zu modernisieren. Gleichzeitig soll das Jahr der Fachberufe auch dazu beitragen, solche Werte wie Fleiß und Professionalität zu fördern. Diese und weitere Komponenten sollen es ermöglichen, dass Kasachstan international weiterhin auf höchstem Niveau wettbewerbsfähig ist. Dazu bedarf es hochqualifizierter Fachkräfte, die dann ein nachhaltiges industrielles Wachstum sicherstellen können.
Um die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit Kasachstans voranzubringen, sollen international bewährte Managementpraktiken eingeführt werden, das professionelle Niveau der Lehrkräfte gesteigert werden sowie die akademische Mobilität der Studierenden gefördert werden.
Besonders in strategischen Schlüsselbranchen wie beispielsweise der Energiewirtschaft, der Landwirtschaft, dem Bauwesen, der Leichtindustrie, der Wasserwirtschaft, in Transport und Logistik sowie in der Nahrungsmittelproduktion und vielen weiteren Wirtschaftszweigen werden in Kasachstan hochqualifizierte Fachkräfte benötigt.
Gemeinsame Universitätsprojekte
In diesem Zusammenhang sprach der Botschafter über die dynamische Entwicklung der kasachisch-deutschen Partnerschaft im Bildungsbereich. Weiter erläuterte der Botschafter diverse Kooperationen und Gründungen von Universitätsprojekten und erwähnte in diesem Zusammenhang auch die Kasachisch-Deutsche Agraruniversität in der Stadt Türkestan. Diese Initiative wurde im Februar 2024 ins Leben gerufen. Sie zielt darauf ab, junge Fachkräfte für die Agrarwirtschaft auszubilden, und somit gleichzeitig den Schwerpunkt Agrarwirtschaft in der Region Türkestan zu stärken.
Vor der Eröffnung der Diskussion mit Fachbeiträgen wurde Prof. Dr. Rommel, Präsident der Deutsch-Kasachischen Universität (DKU) in Almaty, für seine Dienste und für sein Engagement in den bilateralen Beziehungen beider Länder feierlich geehrt. Auf Beschluss des Staatspräsidenten Kassym-Schomart Tokajew verlieh der Botschafter dem Präsidenten der DKU den Staatsorden Dostyk 2. Grades.
Prof. Dr. Rommel eröffnete die Diskussion und verwies in seiner Rede auf die
geopolitischen Veränderungen, die die Republik Kasachstan in ein besonderes Licht rückt. Als Präsident einer eher anwendungsorientierten Hochschule verwies Prof. Rommel auf die Wichtigkeit langfristiger Projekte, die gerade im Bereich der dualen Ausbildung eine große Rolle spielen.
Die Herausforderung dieses Systems ist es, unterschiedliche Ausbildungsformate miteinander in Einklang zu bringen. Und somit die Unternehmen davon zu überzeugen, Geld in die Ausbildung zu investieren, um am Ende der Ausbildung hochqualifizierte Fachkräfte im Unternehmen zu halten.
Entwicklungsperspektiven des Bildungssystems
Als nächster Redner trat mit Peter Pfaffe ein Vertreter von iMOVE auf, dessen Zuständigkeit für die Region Zentralasien ideal zur Thematik des „Runden Tisches“ passte. „iMOVE – Training in Germany“ unterstützt deutsche Bildungsdienstleister auf ihrem Weg in internationale Märkte. Zudem fördert iMOVE die Fachkräftegewinnung für Deutschland. Es ist eine Initiative des deutschen Bundesministeriums für Bildung und Forschung, die beim Bundesinstitut für Berufsbildung (bibb) angesiedelt ist. Mit dem Slogan „Training – Made in Germany“ wirbt iMOVE im Ausland für deutsche Kompetenz in der beruflichen Aus- und Weiterbildung.
Der Referent stellte unter anderem die Frage in den Raum, wie eine engere Kooperation zwischen Kasachstan und Deutschland im Bereich der beruflichen Bildung möglich sein kann. Er bot auch gleich eine Antwort an, indem er betonte, dass diese Kooperation durch privatwirtschaftliches Engagement getrieben sein sollte. Er verwies darauf, dass nicht alles, was in Deutschland Berufsbildung betrifft, auch immer ein duales Ausbildungssystem sein muss. Viele standardisierte Ausbildungen finden ebenso in großen Industrieunternehmen statt wie auch im Bereich handwerklicher Firmen.
Im Anschluss an die Vorträge fand als zentrales Element des „Runden Tisches“ eine Podiumsdiskussion statt, deren Thema war die „Duale und berufliche Bildung“. In einer lebhaften Diskussion tauschten sich Experten über die Entwicklungsperspektiven des Berufsbildungssystems aus.
Tobias Bolle, Leiter der Internationalen Berufsbildung bei der DIHK, betonte, dass die DIHK ausländische Industrie- und Handelskammern und Delegationen bei der Umsetzung der dualen Ausbildung, dem Aufbau von Kompetenzen, der Entwicklung von Bildungsprogrammen und der Schaffung nachhaltiger Initiativen unterstützt. Er betonte die Bedeutung der Verbreitung des deutschen dualen Ausbildungsmodells, die gerade darin bestehe, dass es Unternehmen und jungen Fachkräften in vielen Ländern ermöglicht, von einem hohen Ausbildungsstandard bei ihren Nachwuchskräften zu profitieren.
Als letzter Redner sprach der Leiter der Politikabteilung der Firma Knauf, Christopher Dürr. Er berichtete über die Aktivitäten des Ausbildungszentrums der Firma Knauf in Kasachstan, das einen wesentlichen Beitrag zur Entwicklung der Berufsbildung in Kasachstan leistet. Ebenso berichtete Christopher Dürr über die langjährige Praxis von Knauf, die Auszubildenden nach dem Abschluss ihrer Ausbildung in das Unternehmen zu übernehmen. Das oberste Ziel ist es immer, die Auszubildenden mit abgeschlossener Ausbildung optimal in den laufenden Betrieb des Unternehmens zu integrieren. Somit kann beispielsweise für das Unternehmen eine bessere Planungssicherheit gewährleistet und einem Fachkräftemangel vorgebeugt werden.
Kulturelle Herausforderungen in Kasachstan
Den Abschluss der Veranstaltung bildete eine Frage-und-Antwort-Runde mit dem fachkundigen Auditorium, in deren Verlauf die Teilnehmer vielversprechende Bereiche der Zusammenarbeit und mögliche gemeinsame Projekte im Bereich der Hochschul- und Berufsbildung diskutierten.
Prof. Dr. Rommel erwähnte, dass es in Kasachstan oft eine Herausforderung ist, junge Menschen in einem Unternehmen zu halten. Aus zahlreichen Bewerbungsunterlagen ist ersichtlich und festzustellen, dass die jungen Menschen in Kasachstan sehr schnell wechselwillig sind. Dies bedeutet wiederum für die Unternehmen, dass sie besondere Anstrengungen unternehmen müssen, um dies zu verhindern. Zum Beispiel muss das Unternehmen seine Attraktivität für die Auszubildenden steigern, um so die entsprechenden Fachkräfte von morgen an das Unternehmen zu binden.
Des Weiteren stellte sich in der Diskussion heraus, dass in Kasachstan die Familie eine große Rolle bei der Auswahl des Berufs eines zukünftigen Auszubildenden spielt. So ist es eine zusätzliche Aufgabe von Unternehmen, auch die Eltern in die Gespräche mit einem Bewerber oder einer Bewerberin einzubinden. Oft ist es den Eltern wichtiger, dass ihre Kinder arbeiten gehen, als dass sie eine Berufsausbildung absolvieren. Viele Haushalte benötigen jeden Tenge. So muss in den Unternehmen überlegt werden, wie ein attraktives Vergütungssystem für Auszubildende in Kasachstan angeboten werden kann.
In seinem abschließenden Statement verwies der Botschafter auf die Unterstützung von Seiten der Regierung von Kasachstan. Er bezeichnete die Deutsch-Kasachische Universität als Leuchtturmprojekt. Ein großes Ziel in diesem Zusammenhang ist, dass immer mehr deutsche Berufseinrichtungen wie Berufsschulen oder deutschen Unternehmen, die in Kasachstan tätig sind, aktiv in die Netzwerke von Ausbildungszentren und Kammern eingebunden werden. Mit großer Begeisterung verwies S. E. Nurlan Onzhanov nochmals auf Prof. Dr. Rommel: „Wir brauchen Enthusiasten, so wie Herrn Prof. Dr Rommel, der Projekte vorantreibt.“
Das Veranstaltungsformat war ein voller Erfolg. Der „Runde Tisch“ bestätigte das große Interesse beider Seiten an der weiteren Entwicklung der Bildungs- und Wissenschaftspartnerschaft. Gleichzeitig zeigte sich, dass ein solches Veranstaltungsformat zu einer wichtigen Plattform für den Erfahrungsaustausch, für das Knüpfen neuer Kontakte und das Festlegen weiterer Schritte der Zusammenarbeit hervorragend geeignet ist.
Christian Grosse