Seit Jahrtausenden zieht die usbekische Stadt Buxoro (ausgesprochen wie „Buchoro“ – Anm.d.Red.) Reisende aus aller Welt an. Einst eine blühende Handelsstadt an der Seidenstraße, fasziniert sie heute mit ihrer gut erhaltenen historischen Altstadt, die den Satus als UNESCO-Weltkulturerbe genießt. Und dieses Jahr feiert Buxoro eine Premiere, denn die Stadt ist Gastgeberin der ersten internationalen Biennale Usbekistans.

Rezepte für gebrochene Herzen

Unter der Überschrift „Recipes for Broken Hearts“ stellen bis zum 20. November in Buxoros UNESCO-Stätten usbekische Künstler:innen, daneben aber auch fast ebenso viele internationale Kunstschaffende ihre Werke aus. Diana Campbell, die künstlerische Leiterin der Biennale, erklärt auf der Website, wie es zu dem Titel kam. Während das Herz eine wichtige Rolle in der Kunst spiele, könne auch Buxoro als wirtschaftliches und intellektuelles Zentrum der Region mit diesem verglichen werden.

Die Stadt bringe seit Jahrtausenden Menschen aus aller Welt auf der Suche nach einer tieferen Bedeutung im Leben zusammen. Einen solchen Austausch könnten auch Rezepte bieten, für Heilmittel, für die Liebe oder für Gerichte. Wie diese mit dem Herzen zusammenhängen, zeige schon eine alte Sage um die Entstehung des zentralasiatischen Gerichts Pilav: Demnach sei es von dem islamischen Arzt und Philosophen Ibn Sina als Mittel gegen den Liebeskummer eines Prinzen erfunden worden. So vermischen sich unter dem Titel „Recipes for Broken Hearts“ Fortschritt, Wissensaustausch, Geschichte, Tradition und Mythen.

Das spiegelt sich auch in den auf der Biennale gezeigten Werken wider wie in den Ikat-Teppichen, die sich durch die gesamte Altstadt ziehen. Entlang der Wasserstraßen Buxoros können Besucher:innen dieses Werk (‘Longing’) des Kollektivs Hylozoic/Desires und Rasuljon Mirzaahmedovs betrachten. Das Muster der Stoffe erinnert an ein Herz und soll die zentrale Bedeutung des Aralsees für die Region verkörpern. Die Farben sind an die Farbschattierungen des Sees angelehnt, wie sie auf den Satellitenbildern der letzten siebzig Jahre zu finden sind.

In jeder Vollmondnacht wird entlang der Teppiche eine Performance gezeigt. Sie soll symbolisch den Regen heraufbeschwören, um den Aralsee wiederherzustellen. Während die Werke also den Verlust aufzeigen, soll die Performance eine Heilung davon verkörpern. Denn der Aralsee hat auch eine emotionale Bedeutung für die Region. So mischt sich Mystik und Geschichte mit der Zukunft Zentralasiens.

Kunst schafft Gemeinschaft

Auch andere Werke bringen den Besucher:innen die Region wie auch verschiedene Kulturen näher. So erzählt die aus Usbekistan stammende Daria Kim in ihrem Werk „Hive Settlers“, das in Zusammenarbeit mit anderen entstand, die Geschichte der sogenannten Korjo-Saram, der unter Stalin nach Zentralasien deportierten Koreaner:innen. Die Plastik eines Bienenschwarms wurde in Anlehnung an die Küche der Korjo-Saram aus Reismehl geformt. Die Bienen sitzen auf Honigwaben in Form von Muqarnas, das wiederum ein typisches Stilelement der islamischen Architektur ist. So verbindet das Werk beide Kulturen und soll auch das zwischen den Koryo-Saram und den Usbek:innen geteilte Verständnis von Arbeit und Gemeinschaft darstellen.

Daria Kim ist eine von vielen Künstlerinnen in Buxoro. So kommt es, dass die Biennale auch die Geschichten von Frauen erzählt, von den gesellschaftlichen Einschränkungen, die sie erfahren, aber auch von ihrer Stärke und ihrem Zusammenhalt. Daneben sind auch viele internationale Künstler:innen vertreten. Sie bringen eigene Erzählungen mit nach Buxoro. Und so wird die Stadt erneut zum Treffpunkt der ganzen Welt.

Eine Chance für Zentralasien

Die Biennale in Buxoro hat nicht nur für die Stadt, sondern auch für ganz Zentralasien eine herausragende Bedeutung. Sie steht exemplarisch für die stetig wachsende Kunstszene der Region. Seit Jahren stellen zentralasiatische Künstler:innen auf Biennalen aus. In Kasachstan öffnete jüngst das erste private Kunstzentrum des Landes. Verschiedene kleine Filmfestivals zogen außerdem Aufmerksamkeit auf sich. Die Biennale könnte diese Entwicklung auf eine neue Stufe heben und der zentralasiatischen Kunst breite internationale Anerkennung verschaffen.

Leonore Franz

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