Wie gestaltet eine Gemeinschaft ihre Zukunft, wenn sie zugleich ein reiches kulturelles Erbe trägt und in einer dynamischen, modernen Gesellschaft lebt? Die Deutschen Kasachstans haben darauf ihre eigene Antwort: durch den Dialog, durch gemeinsames Lernen und durch ein Verantwortungsbewusstsein über Generationen hinweg. Das Forum „Blick in die Zukunft“ brachte Menschen aus Kultur, Wirtschaft, Bildung und Jugendorganisationen zusammen – nicht nur um Bilanz zu ziehen, sondern auch um neue Wege zu entwerfen. Es war ein Moment des Rückblicks, aber vor allem ein Aufbruch zu neuen Horizonten.

Am 3. November fand im Nationalmuseum der Republik Kasachstan das Forum der Deutschen Kasachstans „Blick in die Zukunft“ statt. Veranstaltet wurde es von der Gesellschaftlichen Stiftung „Wiedergeburt“ mit Unterstützung des Bundesministeriums des Innern der Bundesrepublik Deutschland und in Zusammenarbeit mit der Volksversammlung Kasachstans.

Das zentrale Ereignis des Forums waren die Wahlen der neuen Leitungsstrukturen der Stiftung. Über 200 Delegierte aus allen Regionen des Landes – darunter Vertreter ethnokultureller Organisationen, verschiedener Jugendinitiativen, der Wissenschaft, Kultur und Wirtschaft – nahmen daran teil. Dies zeigte die Breite und Verankerung der deutschen Gemeinschaft in der kasachstanischen Gesellschaft.

Einheit als gesellschaftliche Ressource

Ein weiterer wichtiger Programmpunkt des Forums war eine Sektion, die dem 30-jährigen Jubiläum der Volksversammlung Kasachstans gewidmet war und unter dem Titel „Unsere Stärke liegt in der Einheit“ im Nationalmuseum stattfand. Daran nahm unter anderem der stellvertretende Vorsitzende der Volksversammlung Kasachstans Marat Asilchanow sowie Senator:innen und Vertreter ethnokultureller Organisationen teil.

Die Beiträge machten deutlich: Die Deutschen Kasachstans leisten durch ihre aktive Rolle im sozialen, kulturellen und bürgerschaftlichen Leben einen sichtbaren Beitrag zur Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts. Die Vielfalt der Kulturen wird dabei nicht als Gegensatz verstanden, sondern als wertvolle Ressource für den gemeinsamen Fortschritt.

Die Rolle der Jugend

Ein zentrales Thema des Forums wurde in einer weiteren Sektion behandelt, wo man der Frage nachging, wie die junge Generation künftig zur Entwicklung des deutschen Gemeinschaftslebens in Kasachstan beitragen kann. In diesem Zusammenhang präsentierte der Verband der Deutschen Jugend Kasachstans (VDJK) seine neue Entwicklungsstrategie für die Jahre 2026–2028. Sie zielt darauf ab, die Jugend nicht nur als Teilnehmende, sondern als aktive Mitgestaltende zu positionieren. Vorgesehen sind unter anderem die Stärkung eigenständiger Jugendinitiativen, die Erweiterung von Bildungs- und Austauschprogrammen sowie die Förderung junger Führungspersönlichkeiten, die in der Gemeinschaft Verantwortung übernehmen können.

Besonderes Gewicht erhielt die Diskussion durch die Teilnahme von Marat Asilchanow, dem stellvertretenden Vorsitzenden der Volksversammlung Kasachstans. Er betonte, dass eine nachhaltige ethnokulturelle Entwicklung nur dann möglich ist, wenn junge Menschen über echte Entscheidungsspielräume verfügen und ihre Ideen ernsthaft gehört und unterstützt werden. Die Volksversammlung, so Asilchanow, sei offen für gemeinsame Projekte, für Kooperationen und langfristige Begleitprogramme zur Stärkung der Jugendstrukturen.

Vor diesem Hintergrund unterstrich auch Kristina Larina, Vorsitzende des VDJK, die Bedeutung einer aktiven, selbstbewussten Jugend: Sie hob hervor, dass die deutsche Gemeinschaft heute vor der Aufgabe steht, die Traditionen nicht nur zu bewahren, sondern sie bewusst weiterzuentwickeln. Junge Menschen sollen dabei nicht am Rand stehen, sondern den Kurs mitbestimmen – durch eigenes Engagement, Verantwortung und moderne Formen der Zusammenarbeit. Die Jugend sei bereit, diese Rolle zu übernehmen und ihre Zukunft innerhalb der Gemeinschaft wie auch im gesellschaftlichen Leben des Landes selbstbewusst mitzugestalten.

Damit zeichnet sich ein klarer Weg für die kommenden Jahre ab: Die deutsche Jugend in Kasachstan soll als sichtbare und kompetente Kraft auftreten – verbunden mit ihren kulturellen Wurzeln, aktiv eingebunden in gesellschaftliche Prozesse und offen für neue Perspektiven der Zusammenarbeit und Teilhabe.

Made in Kazakhstan mit deutscher Qualität

Im Rahmen des Forums fand zudem eine Sitzung statt, die der Entwicklung des deutschen Unternehmertums in Kasachstan gewidmet war. In ihren Begrüßungsworten betonten Albert Rau und Murat Karimsakow die Bedeutung von Partnerschaft, Innovation und langfristig orientierter Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft, Staat und ethnokulturellen Gemeinschaften.

Anhand von Beispielen aus den Unternehmen MILCH, Rodina, Rubikom, SVS Group sowie weiteren Initiativen wurde gezeigt, welchen nachhaltigen Beitrag die deutsche Gemeinschaft zur wirtschaftlichen Entwicklung des Landes leistet – insbesondere in den Bereichen Agrarwirtschaft, Lebensmittelproduktion, Maschinenbau und regionales Unternehmertum.

Während der Sitzung wurden erfolgreiche Beispiele von Unternehmen mit deutscher Beteiligung und technologischen Lösungen vorgestellt, die sich bereits nachhaltig auf dem kasachstanischen Markt etabliert haben. Besonderes Augenmerk lag auf der Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Berufsbildungszentren sowie auf der Weiterentwicklung des dualen Ausbildungssystems, das einen wichtigen Beitrag zur Qualifizierung junger Fachkräfte leistet.

Zum Abschluss dieser Sitzung wurde ein Memorandum of Understanding zwischen der GmbH „Astana Development Center“ und der Gesellschaftlichen Stiftung „Wiedergeburt“ unterzeichnet, das eine Vertiefung der Kooperation in den Bereichen Unternehmensentwicklung, Bildung und Unterstützung regionaler Initiativen vorsieht.

Neuer Aufsichtsrat für die nächsten vier Jahre

Besondere Aufmerksamkeit erhielten kulturelle Präsentationen – darunter ein Buch über Nathalie Gellert, eine Persönlichkeit von großer Bedeutung für das deutsche ethnokulturelle Leben, eine Vorstellung über die Spruch-Tradition sowie ein Beitrag über den Künstler Wladimir Eifert.

Ein zentraler kultureller Beitrag, der die Einheit durch Erinnerung fördert, war die Präsentation des Projekts „Elektronisches Archiv der Deutschen Kasachstans“, das unter der Leitung von Julia Podoprigora realisiert wird. Es umfasst seltene Dokumente zur jahrhundertelangen Geschichte der deutschen Gemeinschaft im Land und macht dieses Erbe öffentlich zugänglich.

Der in der anschließenden eigentlichen Konferenz neu gewählte Aufsichtsrat setzt sich aus zwölf Mitgliedern zusammen: Olga Beder, Yevgeniy Bolgert, Irina Wakengut, Wladislaw Weber, Wilhelmina Herzen, Olga Kikolenko, Kristina Larina, Igor Niederer, Kristina Samosledowa, Konstantin Urich, Dmitrij Frank und Olesja Klimenko. Den Vorsitz übernimmt weiterhin Yevgeniy Bolgert.

In der abschließenden Preisverleihung wurden besonders engagierte Mitglieder der Gemeinschaft gewürdigt. Marat Asilchanow nahm an der feierlichen Verleihung von Ehrenurkunden und weiteren Auszeichnungen der Volksversammlung teil. Geehrt wurden aktive Mitglieder aus der deutschen Gemeinschaft für ihr langjähriges Engagement und ihren Beitrag zur Stärkung des interethnischen Dialogs sowie des gesellschaftlichen Zusammenhalts.

Darüber hinaus wurden im Rahmen des Wettbewerbs „Avantgarde“ Personen in mehreren Kategorien ausgezeichnet, die sich in den Bereichen Kultur, Bildung, Wissenschaft, soziales Engagement und Nachwuchsförderung besonders verdient gemacht haben. Die Preisverleihung bildete den feierlichen Abschluss der Konferenz und betonte, dass die Entwicklung der deutschen Gemeinschaft auf dem aktiven Einsatz vieler einzelner basiert – von erfahrenen Expertinnen und Experten bis hin zu jungen Initiativen, die neue Impulse setzen.

Der „Blick in die Zukunft“ würdigte das Engagement der vergangenen Jahre und zeigte zugleich, worin die Stärke der deutschen Gemeinschaft in Kasachstan liegt: im Miteinander der Generationen, im Vertrauen und in der gemeinsamen Verantwortung für das kulturelle Erbe. Damit wurde ein neuer Abschnitt eröffnet, in dem die Gemeinschaft ihre Zukunft selbstbewusst, solidarisch und offen für Neues gestaltet.

Annabel Rosin

Teilen mit:

Hinterlasse eine Antwort

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein