Alexander Ganz-Kuhl ist studierter Schauspieler am Theater Chemnitz in Sachsen. Seit November 2023 und noch bis Juni unterstützt er das Deutsche Theater in Almaty als Regisseur. Wir haben mit ihm über seine Schauspieltätigkeit, seine Zeit in Zentralasien und über das bevorstehende I. Internationale Deutsche Theaterfestival gesprochen.

Alexander, wie kamst du zu deinem Beruf als Schauspieler?

Meine Großeltern waren ein Schauspielerpärchen, mein Großvater sogar auch Schauspieldirektor. Daher schwebte das Theater immer irgendwie familienbedingt im Raum. Ich persönlich habe mich fürs Theater aber erst in meiner Jugend interessiert, ungefähr mit 13 Jahren. Ich habe den Jugendclub in meiner Heimatstadt Zittau besucht und angefangen, dort zu spielen.

Natürlich ging ich noch zur Schule, kam aber relativ schnell mit dem Schauspielensemble in Kontakt und durfte auch direkt bei Produktionen mitspielen. Mit 17 Jahren war ich bei einem Vorsprechen an der Hochschule für Musik und Theater in Leipzig und wurde auch direkt als einer von 16 Auserwählten unter 800 Bewerbern genommen, konnte mein Abitur abbrechen und mein Studium starten.

Ist das Theater für dich Beruf oder Berufung?

Ich finde, das eine bedingt das andere. Ich wünsche jedem, dass der Beruf auch Berufung ist; Arbeit sollte in gewisser Weise auch Spaß machen. Wenn man an das glaubt, was man macht, dann macht es auch Spaß. Ich habe aber auch keine Angst zu sagen, dass ich irgendwann nicht mehr daran glaube: Ich kette mich nicht an das Theater fest und bin offen dafür, vielleicht irgendwann auch was ganz anderes zu machen.

Wie kamst du zu deinem Interesse an einer Assistenzarbeit in Zentralasien?

Ich wollte eigentlich zuerst als Assistent nach Kirgisistan, das hat aber aufgrund von Visaregelungen leider nicht geklappt. Vor zwei Jahren war ich aber schonmal dort und habe mich ein wenig in das Land verliebt, daher kam ich auch zurück. Der ausschlaggebende Grund war aber der sowjetisch-kirgisische Autor Tschingis Aitmatow. Sein bekanntes Werk „Djamila“ war in der ehemaligen DDR Pflichtlektüre in der Schule. In meiner Jugend habe ich viel Aitmatow gelesen und wollte sein Heimatland besuchen. Generell erweckte das dann mein Interesse an der Region Zentralasien.

Gibt es Unterschiede zwischen dem Theaterspielen in Deutschland und in Zentralasien?

Das Deutsche Theater in Almaty reiht sich in die europäischen Traditionen des Schauspielens ein, daher ist es häufig sehr ähnlich und ich sehe kaum Unterschiede. Das Theater in Almaty hat aber eine größere körperliche Fantasie, sprich was man mit seinem Körper alles machen und ausdrücken kann.

Das „Nemezki“ ist natürlich ein kleines Theater mit einem kleinen Budget. Daher versucht man, anstatt Geschichten mit großen Bühnenbildern zu erzählen, sie eher mit dem Körper, durch Tänze und Gesang zu verwirklichen. Es wird hier kreativer mit Handlungen umgegangen, welche man in Deutschland wahrscheinlich einfach nur mit einem Bühnenbild präsentieren würde.

Woran arbeitest du hier gerade?

Als ich hierherkam, konnte ich gleich an der Produktion von „Herr und Frau Peachum“ von Bertolt Brecht mitwirken. Ich bewarb mich hier als Regisseur, und bekam dann von Natascha Dubs den Roman „Wolgakinder“ in die Hand gedrückt. Daran arbeite ich gerade mit sieben Studierenden.

Der Roman spielt von 1916 bis 1938, also kurz vor der Deportation der Wolgadeutschen nach Sibirien und Zentralasien. Es geht um einen deutschen Schulmeister, Jakob Bach, aus dem deutschen Dorf Gnadental, der sich in eine Schülerin verliebt. Die junge Frau wird bei einer Vergewaltigung schwanger und stirbt tragischerweise bei der Geburt. Der Protagonist muss das Kind alleine großziehen, noch dazu ist er seit dem Vorfall stumm. Das Kind wächst ohne Sprache auf, trifft dann einen Waisenjungen, der ihm die russische Sprache beibringt. Daraus entwickelt sich dann noch eine schöne Kindheitsgeschichte.

Der Roman erzählt eine lange Geschichte. Ich versuche jetzt, in einzelnen Puzzleteilen zu arbeiten. Es ist natürlich manchmal auch schwierig für die Darstellerinnen und Darsteller, das Ganze im Kopf zusammenzusetzen, aber bisher läuft es ganz gut.

Kannst du schon Näheres zum I. Internationalen Deutschsprachigen Theaterfestival „Spielbergata“ erzählen, welches ja kommenden Monat in euren Räumlichkeiten stattfinden wird?

Für das Festival sind meines Wissens nach mein Stück „Wolgakinder“ sowie ein Stück, angelehnt an das Gedicht „Der kleine König“ von Herold Belger, eingeplant. Ebenfalls soll noch eine kleine Jugendproduktion stattfinden. Mehr weiß ich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht, bin aber auch sehr gespannt auf das Festival.

Wenn du dich entscheiden müsstest: Kino oder Theater?

Theater. Ich finde das Theater beim Spielen und auch beim Zusehen einfach spannender. Selbst wenn man mehrmals das gleiche Stück auf die Bühne bringt, ist jeder Theaterabend ein anderer. Fehler, die auf der Bühne passieren, sind nur manchmal sichtbar.

Andererseits sieht man aber auch ab und zu, wie sich aus diesen Fehlern neue Dinge auf der Bühne entwickeln. Es kann sein, dass ich den Text vergesse, aber meine Mitspielerin oder mein Mitspieler kennt meinen Text in diesem Moment oder führt den Dialog so, dass ich wieder zu meinem Text finde. Es entstehen dadurch schöne, aber manchmal auch kuriose Momente auf der Bühne.

Andererseits finde ich Film eigentlich auch spannend. Ich muss zugeben, ich stand noch nicht so viel vor der Kamera. Aber beim Film spielt man für eine Linse; ich kann Szenen wiederholen, wenn ich Fehler mache, das kann man beim Theaterspielen eben nicht. Ich mag auch das Theaterensemble in der großen, dauerhaften Struktur.

Dabei probt man auch gemeinsam sechs Wochen, hat eine Premiere und spielt das Stück anschließend noch unzählige Male. Bei einer Filmproduktion hat man 30 Drehtage, und das war‘s dann. Und live vor einem Publikum zu spielen gefällt mir viel mehr.

Wer sind deine Vorbilder?

Einmal mein Namensvetter, der Schweizer Schauspieler Bruno Ganz. Er ist leider bereits verstorben, mir gefällt aber sein Charakter und auch die Art, wie er spielte. Tschingis Aitmatow, den ich hoch und runter lese. Ingeborg Bachmann, die deutschsprachige Lyrikerin. Und um vielleicht noch eine Schauspielerin zu nennen, Martina Gedeck, die unter anderem in der Verfilmung des Tagebuchs von Anne Frank gespielt hat. Diese Persönlichkeiten inspirieren mich alle auf ihre eigene Art und Weise.

Wie geht es nach deiner Zeit in Almaty weiter?

Ich werde nach der Premiere von „Wolgakinder“, die übrigens am 18. Mai ist, noch etwa einen halben Monat hier in Almaty bleiben, um noch etwas Zeit mit dem Ensemble zu verbringen und vielleicht noch in die Berge zu gehen. Anschließend möchte ich noch Freunde in Kirgisistan besuchen, sprich meine Reise dort beenden, wo sie für mich angefangen hat.

Mitte Juli fliege ich wieder nach Deutschland, um in August wieder in Chemnitz mit meinem Ensemble zu spielen. Die Zeit am Deutschen Theater hat mir wichtige Erfahrungen eingebracht, andererseits war es durch die Sprachbarrieren aber auch eine Herausforderung für mich.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Annabel Rosin.

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