Die 33 Geschäftsbanken Kasachstans spielen eine wichtige Mittlerrolle in der Wirtschaft. Sie sammeln frei Geldmittel und vergeben sie in Form von Krediten an Wirtschaftssubjekte, die diese Mittel benötigen. Ohne eine ausreichende Kreditversorgung könnte eine moderne Wirtschaft nicht so schnell expandieren, wie dies heute üblich und notwendig ist. Die für das Jahr 2006 für das hiesige Bankensystem veröffentlichten Zahlen lassen wieder viel Licht, aber auch nicht weniger Schatten erkennen. So haben sich die Gesamtaktiva aller Banken zusammen, also die Summe aus Einlagen, Eigenkapital und Kreditaufnahme der Banken selbst (z. B. über die Ausgabe eigener Schuldverschreibungen) zu 2005 fast verdoppelt. Innerhalb nur eines Jahres!
Das ist ein mehr als ein enormer Zuwachs, der jedoch sofort auch viele Fragen aufwirft. Als Vergleichsmaßstab dient der Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts, der mit etwa 10 Prozent unvergleichlich niedriger ausfiel als das genannte Wachstum der Bankenaktiva. Es muss also Faktoren geben, die die fast zehnmal schnellere Steigerung der genannten Kennziffer bewirkt haben. Einen Einfluss hat sicher die Legalisierung von Vermögenstiteln, einen weiteren das wachsende Einkommen der Bevölkerung und der Unternehmen. Doch den größten Anteil dürfte die Kreditaufnahme der Banken im Ausland haben, wodurch der Koeffizient der Außenschulden Kasachstans weiter drastisch angestiegen ist. Das sind nur zum geringen Teil Schulden des Staates, sondern von Privatunternehmen. Dennoch können Gefahren, hiervon ausgehend, akut werden. Doch das ist unter den gegenwärtigen Bedingungen des hohen Zuflusses von Devisen keine aktuelle Gefahr. Diese würde erst relevant, wenn die Preise für die kasachischen Exportwaren drastisch fallen würden.
Im Moment sehe ich die Hauptgefahren im Geschehen auf den Finanz-Binnenmärkten. Bereits in den vergangenen Jahren sind die Banken bereits förmlich im Geld geschwommen und hatten Probleme, ausreichend rentable und sichere Objekte für die Vergabe dieser Mittel in Form von Krediten zu finden. Der dadurch entstandene Druck zur Mittelvergabe hat auf jeden Fall bewirkt, dass die Prüfung von Kreditanträgen tendenziell leichtfertiger wurde. Dieses Szenario ist in der Geschichte der Weltwirtschaft sehr oft zu beobachten gewesen. Es hat zwar nicht automatisch, aber dennoch ausreichend oft zu schweren Banken- und in der Folge zu Wirtschaftskrisen geführt. Die real vorhandene Überschussliquidität der Geschäftsbanken bewirkt nun in Verbindung mit den ebenfalls sehr stark wachsenden Staatsausgaben die unerwünscht hohe Inflation wesentlich mit. Ebenso ist sie entscheidend für die klar überhöhten Immobilienpreise mitverantwortlich. Letztere nehmen in jüngster Zeit geradezu dramatische Züge an. Und nicht zuletzt treibt diese Überschussliquidität auch die Börsenkurse hierzulande in Höhen, die sehr weit vom wirklichen Wert der Aktien entfernt sind.
Insgesamt nehmen die Gefahren für den Finanz- und den Bankensektor Kasachstans im Moment jedenfalls sehr schnell zu. Im Jahr 2006 hat sich der Anteil der „faulen“ Kredite, das sind Kredite, deren Rückzahlung in den Sternen steht, von schon bedenklichen 39 Prozent 2005 auf 45 Prozent im vergangenen Jahr erhöht. Mit anderen Worten, fast die Hälfte aller Kredite ist – sicher in unterschiedlichem Maße – mit Fragezeichen weil mit Rückzahlungsproblemen versehen. Das ist ebenso beeindruckend wie das Wachstum der Bankenaktiva, nur eben mit negativem Vorzeichen. Beachtet man außerdem, dass bei den in der letzten Zeit infolge des hohen Anteils an faulen Krediten zwangsweise liquidierten Banken die wahren Größen dieser Problemkredite deutlich größer waren, als vor dem Liquidierungszeitpunkt offiziell angegebenen, kann es einem schon einen Schauer über den Rücken jagen. Das Bankensys-tem Kasachstans ist keinesfalls so gut, wie es von verschiedenen interessierten Seiten immer dargestellt wird. Natürlich ist es relativ entwickelter als das Usbekistans oder Tadschikistans, in einzelnen Punkten auch das Russlands. Doch das kann die Bürger Kasachstans kaum beruhigen, deren Geld letztlich überwiegend in den faulen Krediten steckt und dessen Rückkehr, noch dazu mit den versprochenen etwa zehn Prozent Zinsen, gar nicht so sicher oder sogar schon konkret bedroht ist. Ob es den Organen der Geldsteuerung gelingt, das Ruder noch rumzureißen ist keinesfalls sicher. Kurzfristig werden auf jeden Fall die ungesunden Tendenzen im Geldbereich eher nicht abnehmen. Das heißt, der Normalbürger muss mit einer nach wie vor zu hohen Inflation und mit einer anhaltenden Überhitzung des Immobilienmarktes leben. Zusätzlich sollte er sich auch schon auf weitere Bankenzusammenbrüche vorbereiten. Vier bis fünf Banken könnte es in der nächsten Zeit noch erwischen, bloß welche?
Bodo Lochmann
23/03/07