Almaty zieht mit seiner schnell wachsenden Kunst- und Kulturszene immer mehr internationale Aufmerksamkeit auf sich. So listet CNN Travel Almaty in „Where to go in 2025“ als eine der attraktivsten Reiseziele für das Jahr 2025 – wie die DAZ bereits am 9. Januar 2025 berichtete. Dabei bewirbt CNN Travel auch das Tselinny Center of Contemporary Culture, welches im Frühjahr 2025 seine Türen im Herzen Almatys nach umfassendem Umbau wiedereröffnen wird.

Um einen Einblick in den Umbau, die geplante Wiedereröffnung und die Projekte des Tselinny Kulturzentrums zu erhalten, habe ich mich mit der Direktorin Jamilya Nurkalieva direkt vor Ort auf der Baustelle getroffen.

Vom Sowjet-Kino zum Center of Contemporary Culture

Jamilya Nurkalieva erzählt von der bewegten Geschichte des Gebäudes. Ursprünglich gebaut im Stil des sowjetischen Modernismus, war dieses einst eines der größten Kinos der Stadt. In den 2000er Jahren wurde das ehemalige Tselinny Kino erstmals zu einem multifunktionalen Komplex umgestaltet, der danach unter anderem auch einen Nachtclub und eine Pizzeria beherbergte.

Nach dem Erwerb des Gebäudes durch Kairat Boranbayev, dem Gründer des Tselinny Centers, beginnt im Jahr 2018 dann eine umfassende Renovierung. Unter der Leitung des renommierten britischen Architekten Asif Khan soll das Gebäude des ehemaligen Tselinny Kinos zu einem modernen Zentrum für zeitgenössische Kultur umgestaltet werden.

Um einen „dialogischen“ und „völlig transparenten“ Planungsprozess des Umbaus zu ermöglichen, habe sich das Tselinny Center „der Öffentlichkeit geöffnet und die Türen nicht verschlossen“, erinnert sich Nurkalieva. Denn das Tselinny Center wollte der Bevölkerung die Gelegenheit geben, den Renovierungsprozess „Schritt für Schritt mitzuerleben“ und ihn durch Kommentare aktiv mitzugestalten.

Der ehemalige Kinoraum soll künftig als multifunktionaler Raum für „Filmvorführungen, Ausstellungen von zeitgenössischer Kunst, Konzerte [und] Performances“ genutzt werden, führt die Direktorin aus. Ergänzt wird das Zentrum durch ein Café mit Terrasse, die an sonnigen Tagen zum Verweilen einlädt, sowie durch einen Buchladen und einen Design Store. Im oberen Stockwerk entstehen Ateliers und Bildungsräume, während der hintere Teil des Gebäudes den Mitarbeitenden des Tselinny Centers als Büroräumlichkeiten dient. Ein besonderes Highlight wird künftig im dritten Stock aufwarten – dort plant Architekt Asif Khan ein Restaurant, das mit seinem spektakulären Ausblick auf die majestätischen Berge im Süden der Stadt locken soll.

Bedeutung bewahren trotz Modernisierung

Um „die Bedeutung dieses Raums zu bewahren“, soll trotz der Renovierung Bestehendes erhalten und die ursprüngliche Substanz nicht zerstört werden, betont Jamilya Nurkalieva. Dieses Vorgehen stieß aufgrund der teils maroden Bausubstanz jedoch nicht überall auf Verständnis. Die Direktorin führt aus, dass die Sicherung des Gebäudes aufgrund der seismischen Lage der Stadt ein besonders kostspieliger Aspekt war. Doch der Umbau hielt auch schöne Überraschungen bereit – ein lang verloren geglaubtes Kunstwerk von Yevgeny Sidorkin wurde wiederentdeckt und restauriert.

Die Entscheidung, den Namen des ehemaligen Tselinny Kinos beizubehalten, war eine bewusst getroffene Wahl – trotz der problematischen Geschichte, die mit dem Namen verbunden ist. Das Tselinny Projekt, auf Deutsch als Neuland-Kampagne bekannt, wurde unter Nikita Chruschtschow ins Leben gerufen. Dieses war aufgrund seiner sozialen und ökologischen Auswirkungen „sehr problematisch“ und habe zu „einer ökologischen Katastrophe für Kasachstan“ geführt, erklärt Jamilya Nurkalieva. Mehr Informationen zur Neuland-Kampagne und deren Auswirkungen finden Sie im Artikel der DAZ vom 17. November 2020.

Nurkalieva betont, dass der Name nicht aus ideologischen Gründen beibehalten wurde, sondern um die kulturelle Bedeutung des Gebäudes für die Menschen in Almaty zu bewahren. Gleichzeitig biete der Name eine Gelegenheit, sich kritisch mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen. „Für uns [ist er] ein Werkzeug und ein Einstiegspunkt, um in die Diskussion zu gehen“, so die Direktorin.

Im Hier und Jetzt: Die Projekte des Tselinny Centers

Die interdisziplinären Projekte des Tselinny Centers sind vielfältig und kreisen laut Nurkalieva alle um die drei Kernthemen Gender, Glaube und Ökologie. Ziel sei es, eine „Verbindung zwischen unserer Vergangenheit und der Gegenwart [zu schaffen], um sich unsere Zukunft vorzustellen”. Um diese Vision zu verwirklichen, arbeitet das Tselinny Center mit Menschen aus der lokalen, regionalen und internationalen Kunstszene und Wissenschaft zusammen.

Das Tselinny Center teilt seine Arbeit in zwei eng miteinander verbundene Kategorien: Here („Hier”) und Now („Jetzt“). Im Bereich Here dreht sich „alles um das Visuelle, also alles, womit man sich physisch beschäftigen kann”. Now hingegen legt den Fokus auf Projekte, die Forschung und Wissensaustausch fördern. Mit seinem hauseigenen Verlagsprogramm Tselinny Publishing veröffentlicht das Zentrum laut Webseite „Forschungsarbeiten über kulturelle Prozesse in Kasachstan und Zentralasien”. Ergänzt wird dies durch Horizon Anthology, eine Zeitschrift mit Beiträgen von „Künstler:innen, Kurator:innen und Wissenschaftler:innen”.

Ein weiteres zentrales Projekt ist das Scholar-in-Residence Program, das den Austausch zwischen internationalen Wissenschaftler:innen, der lokalen Kunstszene und der lokalen akademischen Gemeinschaft anregt und neue Projekten anstößt. Darüber hinaus widmet sich das Projekt Documentation der Digitalisierung „physischer Daten” verschiedener Institutionen, um sie „Forschenden auf der ganzen Welt zur Verfügung zu stellen”.

Die Projekte entstehen im Austausch mit dem Beirat des Tselinny Centers, welcher durch erfahrene und bekannte Persönlichkeiten in der regionalen und internationalen Kunstszene sowie der Wissenschaft besetzt ist. So ist das Tselinny Center durch eine horizontale Organisationsstruktur gekennzeichnet und versteht sich als „weiblich geführte Institution”, wie Nurkalieva aufzeigt. Denn der Gründer selbst sei nicht in die „kuratorischen, künstlerischen und konzeptionellen Prozesse” eingebunden.

Ein Zentrum für Dialog, Identität und kritisches Denken

Für Nurkalieva zeichnet sich das Tselinny Center insbesondere dadurch aus, dass es keine permanente Sammlung besitzt, sondern mit „Geschichten und Menschen” arbeitet. Ziel sei es, die „intellektuelle Fähigkeit von uns allen [zu stärken], uns zu treffen, zusammen zu denken und gemeinsam etwas zu schaffen”. Es gehe dabei „nicht um zeitgenössische Kunst, sondern um das, was in uns vorgeht”, erläutert die Direktorin.

Das Tselinny Center möchte mit seinen vielfältigen Projekten unterschiedlichste Zielgruppen und Menschen jeden Alters ansprechen und durch seine vielfältigen Aktivitäten „kritisches Denken” fördern. Dabei stehen besonders universelle Fragen im Mittelpunkt: „Es geht um Identität, um die Suche und um das Verständnis, wer wir im Raum [und] in der Zeit“ sind, so die Direktorin.

Wiedereröffnung des Tselinny Centers

Die Eröffnungsfeierlichkeiten unter dem Titel „Barsakelmes“ sind für Ende April 2025 geplant. Darüber hinaus veranstaltet das Tselinny Center im Herbst 2025 die Korkut Sonic Arts Triennale zum Thema „Rites of Eternal Wind“, bei welcher der Fokus auf auditiven Elementen liegt – als Hommage an das „mündliche Erbe der Nomadenkultur”.

Alle neuesten Informationen zu den Aktivitäten des Tselinny Center of Contemporary Culture sind auf der Webseite sowie auf dem Instagram-Profil tselinnycenter verfügbar.

Alina Knobel

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