Die Deutsche Sprache war in den Nachkriegsjahren in Usbekistan besonders beliebt. Welchen Einfluss der usbekische Präsident heute darauf ausübt, darüber und mehr erzählt uns der Präsident des Deutschlehrerverbandes Prof. Dr. Churram Rachimow im dritten Teil unserer Serie „Deutsch in Zentralasien“.

Herr Rachimow, erzählen Sie bitte etwas über sich. Wie kamen Sie zur Deutschen Sprache und zu Ihrer Position als Präsident des Deutschlehrerverbandes Usbekistans?

Ich bin 1951 in der Familie eines Kriegsteilnehmers am 2. Weltkrieg geboren. Von Kindheit an erzählte unser Vater über die Kriegszeiten und seine Erlebnisse. Deutschland hat er immer als Vorbild in vielen Hinsichten gelobt. In der Schule lernten wir als Fremdsprache Deutsch. Durch den Einfluss meines Vaters war ich besonders gut darin. Dazu hat auch unsere Deutschlehrerin Masuda Kurbanowa beigetragen. Ich erinnere mich noch an folgende Situation: Ich stritt mich einmal mit meinen männlichen Klassenkameraden so sehr, dass mir einer von ihnen auf den Kopf schlug, so dass ich weinen musste. Anschließend sagte Frau Kurbanowa zu mir: „Weine nicht. Du lernst doch besser als der Andere. Wer handstark ist, besiegt nur Einen, wer wissensstark ist, besiegt Tausende.“ Das war für mich ausschlaggebend und entscheidend für meine weitere Berufswahl zur Ausbildung als Deutschlehrer und weiter für Germanistik als Berufsfach.

Wie würden sie den aktuellen Status der deutschen Sprache in Ihrem Land beschreiben?

Ich würde sagen, befriedigend. Aber der Weg dorthin war nicht leicht: Im Dezember 2012 kam ein Erlass des Ersten Präsidenten Karimow „Über die Vervollkommnung des Fremdsprachenunterrichts“. Demnach musste im ganzen Lande ab September 2013 als Fremdsprache hauptsächlich Englisch gelernt werden. Alle Lehrkräfte für andere Sprachen, unter anderem auch für Deutsch, mussten innerhalb von vier Monaten für den Englischunterricht umgeschult werden. Das wollten die meisten nicht, das konnten viele auch nicht. So kam es im ganzen Land zu einer Arbeitslosigkeit der Fremdsprachenlehrkräfte; an Mittelschulen und auch an Hochschulen. Mein Lehrstuhl für Deutsch und Unterrichtsmethodik an der Pädagogischen NIZAMI-Universität mit 12 Professoren und Dozenten wurde geschlossen, die Lehrkräfte entlassen. Alle Kolleginnen und Kollegen und ihre Eltern wandten sich an mich als Vorsitzenden des usbekischen Deutschlehrerverbands mit der Bitte, in diesem Problem eine Hilfe und Lösung zu
finden.

Das waren allein für DaF über 5.000 Menschen. Ich begann für viele zentrale und lokale Zeitungen über diese kritische Situation und die Bedeutung der deutschen Sprache für unser unabhängiges Land zu schreiben. So wurden über 25 Pressebeiträge und mein Buch „Verteidigung der deutschen Sprache in Usbekistan“ auf Usbekisch und Deutsch veröffentlicht und verbreitet. So kam das Problem auch allmählich an die Regierung und Bildungsbehörden. Unser aktueller Präsident Shawkat Mirzijojew erwies sich als besonders „deutschfreundlich“. Dank seinen Beschlüssen wird heute Deutsch nicht nur als Erste Fremdsprache weiter gelernt, sondern auch ab September 2023 als Zweite Fremdsprache nach Englisch an allen Bildungseinrichtungen eingeführt.

Wie viele Schulen und Universitäten gibt es in Usbekistan, an denen Deutsch unterrichtet wird?

Die Zahl der Hochschuleinrichtungen hat sich seit 2017 deutlich erhöht und liegt nun bei circa 203. Dies ist vor allem auf die Einrichtung von Instituten Taschkenter Hochschulen in den Regionen zurückzuführen, aber auch zu einem erheblichen Teil auf die Gründung von Filialen ausländischer staatlicher oder privater Universitäten. Ebenso finden Neugründungen privater usbekischer Hochschulen mit ausländischer Beteiligung statt. Von Seiten unseres Staates wird diese Entwicklung begrüßt und aktiv gefördert, da sich somit die Zahl der verfügbaren Studienplätze erhöht und man sich gleichzeitig eine Verbesserung der Qualität im Bereich der akademischen Ausbildung insgesamt erhofft. In Usbekistan haben wir vier Fremdsprachenhochschulen, in denen zukünftige Deutschlehrer ausgebildet werden. Außerdem wird Deutsch als Fremdsprachenphilologie auch an allen 12 lokalen Universitäten unterrichtet.

Kennen Sie die aktuellen Zahlen der Deutschlernenden in Usbekistan?

In Usbekistan gibt es ca. 1.100 Mittelschulen, in 980 von ihnen lehrt und lernt man deutsch als Erste Fremdsprache. Das sind ungefähr über 48.000 Deutschlernende. An den bereits erwähnten Hochschulen studieren ungefähr 2.000 Studierende Deutsch als Fremdsprachenphilologie.

Wie viele Mitglieder zählt der Deutschlehrerverband Usbekistan aktuell und wie sieht ihre Tätigkeit im Allgemeinen aus?

Wir zählen aktuell über 320 Deutschlehrerinnen und Deutschlehrer, die auch Mitgliedsgebühren bezahlen.

Welche Unterstützung erhalten Sie dabei von Ihrer, sowie der deutschen Regierung?

Von der usbekischen Regierung bekommen wir keine finanzielle Unterstützung. Wir sind beim Justizministerium als nichtstaatliche nicht kommerzielle Organisation registriert. Von den Mittlerorganisationen werden wir sehr stark vom Goethe-Institut Usbekistan unterstützt. Beispielsweise bei der Finanzierung der Erstellung der Webseite des Deutschlehrerverbands sowie bei der Organisation der jährlichen Deutschlehrertagung in Usbekistan wird uns sehr geholfen. Usbekische Hochschulen suchen aufgrund der schrittweisen Öffnung des Landes aktuell mit Hochdruck nach Kooperationen mit deutschen Universitäten. Deutschland wurde als eines der Länder ausgesucht, dessen Bildungssystem als Vorbild dienen soll. Personenmobilität für usbekische Studierende und Wissenschaftler ist sehr zentral. Ebenfalls wünschen wir uns deutsche Hochschullehrer, die an usbekischen Hochschulen unterrichten. Hierzu sind die Stipendienprogramme des DAAD und ERASMUS+ die im Moment beliebtesten Instrumente. Die usbekische Regierung fördert über die Stiftung „El-Yurt Umidi“ (dt. „Die Hoffnung des Volkes“) seit einigen Monaten massiv Masterstudiengänge, Promotionen und Fortbildungen im Ausland.

Sind die benötigten Ressourcen für einen erfolgreichen Deutschunterricht (Lehrpersonal, Schulbücher) ausreichend gegeben?

Für einen erfolgreichen Deutschunterricht haben wir im Moment genug Lehrpersonal. Aber nach der Einführung des Deutschen als 2. Fremdsprache ab September 2023 werden wir schon einige neue Lehrkräfte benötigen. Was die Schulbücher anbetrifft, so haben wir dank der Unterstützung des Bildungsministeriums Lehrwerke des deutschen Klett-Verlags bekommen und diese an usbekische Bildungsstandarte adaptiert. Diese Lehrwerke wurden im usbekischen Verlag „Usbekiston“ in entsprechender Auflagenhöhe neu verlegt.

Worin sehen Sie die Chancen, wenn die Menschen in Ihrem Land Deutsch können?

In unserem Lande gibt es aktuell viele berufliche Chancen. Einerseits sind Deutschlehrkräfte gefragt. Andererseits haben wir gute Kontakte zu deutschen Arbeitgebern, wodurch junge Menschen mit Deutschkenntnissen von A2-B2 die Möglichkeit bekommen, nach Deutschland zu gehen und dort einen Beruf auszuüben. Außerdem gibt es in Usbekistan über 230 deutsche Institutionen, Vertretungen und Unternehmen, in denen usbekische Bürger mit Deutschkenntnissen verschiedene Arbeitsmöglichkeiten bekommen
können.

Was muss, Ihrer Meinung nach, getan werden, damit Deutsch als Fremdsprache in Usbekistan mindestens genauso beliebt wird wie die Englische?

Deutsch war in den Nachkriegsjahren und besonders vor der Wende die führende Fremdsprache in unserem Land. Diese Frage ist natürlich mit der internationalen Situation verbunden. Das hängt auch mit der nationalen Politik des entsprechenden Landes zusammen. Unser Präsident ist bezüglich Investitionen und technischer Zusammenarbeit sehr auf Deutschland fokussiert. Aber auch unsere Deutschlehrkräfte müssen motiviert Werbung für Deutschland und seine Sprache, Kultur und Literatur machen. Mich freut es sehr, dass wir durch die Regierungsbeschlüsse ab Herbst dieses Jahres Deutsch als zweite Fremdsprache in Usbekistan weiterhin lehren und lernen werden.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Annabel Rosin.

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