Die Länder der Region werden zu immer beliebteren Ausflugszielen. Für bedeutende Kultur- und Naturstätten ist der touristische Andrang jedoch ein zweischneidiges Schwert. Um die negativen Auswirkungen des Massentourismus zu begrenzen und einen Mehrwert für Mensch und Umwelt zu schaffen, arbeiten Kasachstan und seine Nachbarn daher an nachhaltigen Projekten.

Als die UNESCO 1945 gegründet wurde, ging es unter anderem um den Wiederaufbau von Bildung und Kultur. Unzählige historische Bauwerke sowie kulturelle und religiöse Stätten waren vom Krieg zerstört, viele Staaten eines großen Teils ihres Kulturguts beraubt. Heute zählt dessen ursprungsnaher Erhalt zu den wichtigsten Maßnahmen, um das Hauptziel der Organisation zu erreichen – internationale Vertrauensbildung durch kulturellen und wissenschaftlichen Austausch. Dieser wird nicht zuletzt dadurch gestärkt, dass die Stätten durch ihren Status eine touristische Aufwertung erfahren – was zugleich jedoch ein Risiko darstellt, wenn Touristenströme eine unkontrollierbare Dimension annehmen.

Ein anschauliches aktuelles Beispiel dafür liefert die 6.000 Jahre alte Stadt Si Thep in Thailand, die erst Ende September in die Liste der Weltkulturerbestätten aufgenommen wurde. Seit der Eintragung wird die gut erhaltene Stätte im wahrsten Sinne des Wortes überrannt von Touristenscharen, die die historischen Bauwerke beschädigen. Auch andere Regionen haben ähnliche Erfahrungen gemacht – die Probleme im Zusammenhang mit dem Massentourismus reichen von Vermüllung über Beschädigung, Diebstahl und Schwarzmarkthandel bis hin zur Zerstörung und Vertreibung lokaler Sozalstrukturen.

Tourismus in Zentralasien nimmt Fahrt auf

Das Gur-i-Amir Mausoleum in Samarkand mit der Grabstätte Amir Temurs
Das Gur-i-Amir Mausoleum in Samarkand mit der Grabstätte Amir Temurs

Auch die zentralasiatischen Länder sind sich der Chancen und Risiken bewusst, die die erhöhte Aufmerksamkeit für ihre besonderen Kultur- und Naturstätten mit sich bringen kann. Zumal sich auch der Tourismus in der Region zuletzt stetig entwickelt hat. Weitergehende Pläne für visafreie Einreisen nach Kasachstan, neue Flugrouten internationaler Anbieter nach Zentralasien, ein internationales Tourismus-Forum in Aktau – der Strom der branchenrelevanten Meldungen reißt nicht ab.

In der UNESCO-Welterbeliste sind die jungen Republiken bislang allerdings eher unterdurchschnittlich vertreten. Von den insgesamt 1.199 Stätten, die dort gelistet sind, befinden sich heute 25 auf dem Gebiet der fünf Länder der Region. 69 weitere stehen auf der Vorschlagsliste. Immerhin haben im Vormonat im Rahmen einer gemeinsamen Nominierung von Kasachstan, Turkmenistan und Usbekistan drei neue Stätten den Welterbe-Status erlangt (die DAZ berichtete), auch häuft sich die Zahl der Anträge in den letzten Jahren.

Eine Vorreiterrolle spielt unter den Ländern Usbekistan, das bereits seit Anfang der 1990er Jahre einige Mausoleen und Moscheen aus dem 14. und 15. Jahrhundert – der Hochzeit der mittelalterlichen Seidenstraße – als Weltkulturerbestätten registrieren lassen konnte. Legenden ranken sich zum Beispiel um das Mausoleum des Nationalhelden Amir Timur, dessen Ausgrabung schon in der Sowjetunion nach den mystischen Vorstellungen mancher Zeitgenossen den Kriegsverlauf des Zweiten Weltkriegs entschieden beeinflusst haben soll.

Doch erst seit dem letzten Jahrzehnt verzeichnen die Reiseagenturen einen exponentiellen Anstieg der Tourismusströme. Zwischen 2017 und 2019 hat sich der Tourismus in dem Land verdreifacht. Dieses Jahr rechnet das Ministerium für Tourismus und Sport mit sieben Millionen Besuchern, was auch Investoren aus Europa, China, den Vereinigten Staaten und erdölreichen, arabischen Ländern anzieht. Das führt zum Ausbau der Infrastruktur, was wiederum den Tourismus begünstigt.

Austausch mit der lokalen Bevölkerung

Um die schädlichen Auswirkungen eines Massentourismus abzufedern, gibt es inzwischen zahlreiche Initiativen, die das Reisen in den Ländern der Region umwelt- und zugleich menschenfreundlich gestalten sollen. So zum Beispiel in Kasachstan, das eine ähnliche touristische Entwicklung wie das Nachbarland Usbekistan erlebt.

Im neuntgrößten Land der Erde soll bis Ende 2023 das Konzept für die Entwicklung der Tourismusindustrie der Republik Kasachstan verwirklicht werden. Dabei steht vor allem die Verbesserung der wirtschaftlichen Lage der lokalen Bevölkerung im Mittelpunkt. Die Organisation KAGIR (Kasachische Assoziation für Hotels und Restaurants), welche dieses Jahr ihren 25. Geburtstag feiert, setzt dies um, indem sie in Kontakt mit den Menschen vor Ort tritt, um die Auslastung zu regulieren und auf schnelle Veränderung zu reagieren.

„Eines unserer Hauptprojekte ist die Entwicklung von ökologischem und landwirtschaftlichem Tourismus”, sagt Raschida Schaikenowa von der kasachischen Tourismusassoziation KTA. „Wir haben bereits ein Programm zur Entwicklung nationaler Ressourcen mit den Vereinten Nationen entwickelt. Es gibt ein Schema, welches beschreibt, wie man den Druck auf Nationalparks verringern kann, aber es liegt jetzt an den Nationalparks, dieses auch umzusetzen.” Generell sei das Land aber gut auf den Tourismus vorbereitet und dabei nicht übergelastet.

Durchdachte Konzepte, wie mit dem vermehrten Tourismus umgegangen werden soll, gibt es schon jetzt, sagt Schaikenowa: „Unsere Organisation findet Dörfer, die in der Nähe von touristischen Reisezielen liegen, arbeitet mit der lokalen Bevölkerung zusammen und fragt sie, ob sie in dieser Branche arbeiten wollen. Sie können dann Unterkunft, Essen und zusätzliche Services anbieten und werden von uns beraten und ausgebildet.”

Letzte Woche war das Team der KAGIR, die eng mit der KTA zusammenarbeitet und im selben Büro sitzt, in der Region Almaty unterwegs, um die neuen Zertifikate für die Gästehäuser auszustellen. Diese sind für drei Jahre gültig.

Touristen wollen etwas anderes sehen, als sie schon kennen

Für Asel Gubaidullina von der Reiseagentur „Clever Tours” ist es wichtig, individuelle, historisch interessante Reisen anbieten zu können. Dabei bedeutet Ökotourismus auch, dass sich die Angebote nicht nur auf die größten Städte Almaty und Astana konzentrieren. „Ein wichtiger Schritt ist die Aufnahme von Direktflügen von Frankfurt nach Uralsk, welches in Nordkasachstan liegt”, sagt sie. So soll sich der Tourismus besser verteilen können.

Bisher kommen auch viele Touristen, die vor allem auf eigene Faust entdecken wollen und interessiert an der Kultur sind. Sie wollen etwas anderes sehen, als sie von zuhause kennen. Die ausgeprägte Gastfreundlichkeit der Menschen vor Ort erleichtert das freie und sichere Reisen durch die Länder. „Wir haben die Aufgabe und die dazugehörigen Regierungsprogramme, um es nicht zu verspielen und zu zerstören, auch im Hinblick auf die Welterbestätten. Das verlangt von uns viel Aufmerksamkeit”, so Gubaidullina.

Für die lokale Bevölkerung bedeutet ein Anstieg des Tourismus auch die Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Lage und die Öffnung gegenüber ausländischen Investoren, wenn sich der Tourismus besser über das Land und seine Regionen verteilt. Auch der Erfahrungsaustausch zwischen den zentralasiatischen Staaten in diesem Bereich sollte sich weiter verbessern. Denn auch in Usbekistan, Kirgistan und Tadschikistan spielt Ökotourismus eine wichtige Rolle.

Kultur ist ein Prozess. Die eindrucksvollen Bauwerke vergangener Zeiten sind definitiv einen Besuch wert – vor allem im historisch–spannenden Zentralasien. Doch darf dabei nicht die reale Erfahrung der Menschen vergessen werden, die in diesen tourismusgeprägten Orten leben. Reisen bedeutet auch Interesse an diesem Kulturaustausch und Respekt vor der Natur. Die zentralasiatischen Länder scheinen dabei auf einem guten Weg zu sein.

Christiane Schmidt

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