Kasachische Aktien haben sich zuletzt sehr stark entwickelt. Die Unternehmen profitieren von der globalen Konjunkturerholung und steigenden Rohstoffpreisen. Erster Teil unserer neuen Serie über kasachische Aktien.

Wer zuletzt die Entwicklung an den internationalen Finanzmärkten beobachtet hat, musste sich verwundert die Augen reiben. Während sich einige Industrieländer von Lockdown zu Lockdown hangelten und Impfkampagnen zum Teil nur schleppend vorankamen, eilten die einschlägigen Aktienindizes von Hoch zu Hoch. In den USA hat der breitgefasste S&P 500 erstmals in seiner Geschichte die Schwelle von 4.000 Punkten überschritten. Ebenfalls zum ersten Mal sprang der deutsche Leitindex DAX auf über 15.000 Punkte. Chinesische Aktien jagten schon im Vorjahr von einem Hoch zum nächsten.

Doch auch der kasachische Leitindex KASE konnte sich der Euphoriewelle nicht entziehen. Im Gegenteil: Seit dem Coronatief im März 2020 hat der Index mehr als 50 Prozent zugelegt. Allein seit Jahresbeginn 2021 steht ein Plus von knapp 18 Prozent zu Buche. Eine solche Performance ist selbst für Schwellenländer erstaunlich. Verwunderlich ist sie dennoch nicht. Denn während 2020 die Gewinner des Stay-at-Home-Trends durch die Decke gingen, drehen seit einigen Monaten die Aktien jener Unternehmen groß auf, die damals besonders unter die Räder gekommen waren: Airlines, Touristik- und Freizeitkonzerne – aber auch und vor allem Zykliker aus dem Finanz-, Rohstoff- und Energiesektor.

Kasachische Aktien zum Teil verdoppelt und verdreifacht

Genau letztere prägen die kasachische Wirtschaft und so auch den kasachischen Börsenleitindex. Von seinen acht Unternehmen stammen zwei aus dem Bereich Finanzdienstleistungen (Halyk Bank, Bank CenterCredit) und zwei aus dem Rohstoffsektor (KAZ Minerals, KazTransOil). Außerdem sind ein Bergbauunternehmen (Kazatomprom), ein Energieversoger (KEGOC) und zwei Telekommunikationsunternehmen (KazakhTelecom und Kcell) dabei. Den höchsten Anteil am Index hat Schwergewicht Kazatomprom mit 16,3 Prozent, gefolgt von der Halyk Bank mit 15,6 Prozent.

Der weltgrößte Uranförderer ist auch eines der Performance-Monster im Index. Allein seit Anfang November hat sich der Kurs der Aktie im Wert verdoppelt. Betrachtet man den Zeitraum vom Corona-Tief Mitte März aus, ist nur KAZ Minerals besser. Dessen Aktien haben sich seitdem sogar fast verdreifacht. Bei den Aktien des Erdöltransporteurs und Pipelinebetreibers KazTransOil stehen auf Jahressicht immerhin 40 Prozent Wertzuwachs zu Buche. Corona – war da was?

Kasachstan abhängig von Rohstoffpreisen

Ja, war es. Denn natürlich hat Corona 2020 auch in der kasachischen Wirtschaft Bremsspuren hinterlassen. Vor allem die Abhängigkeit von Rohstoffpreisen stellte das Land vor große Probleme. Steuereinnahmen aus dem Öl- und Gassektor machten 2019 knapp die Hälfte des kasachischen Staatsbudgets aus. Die Ölpreise aber brachen durch den Shutdown der Weltwirtschaft binnen kürzester Zeit ein. Um sie zu stabilisieren, einigten sich die OPEC+-Staaten darauf, weniger Öl zu fördern, woran sich auch Kasachstan beteiligte. Laut dem Nationalen Statistikbüro wurden in Kasachstan von Juni 2020 bis einschließlich Februar 2021 nur noch 51,6 Millionen Tonnen Rohöl gefördert – nach 60,8 Millionen Tonnen im Vorjahreszeitraum. Darunter litten freilich auch die Ölexporte.

Der Rückgang des kasachischen BIP nimmt sich dagegen eher bescheiden aus, da es in den Bereichen Bau, Landwirtschaft und Industrie lief. Ein Minus von 2,6 Prozent nannte Wirtschaftsminister Ruslan Dalenow Anfang Januar für das abgelaufene Jahr 2020. Und für 2021 hält Präsident Tokajew bereits wieder 3 Prozent für möglich. Das klingt erst einmal gut, reicht aber nicht ansatzweise an die 18 Prozent Kursgewinn heran, die der KASE-Index seit Jahresbeginn gemacht hat. Auch wenn an der Börse bekanntlich die Zukunft gehandelt wird – man staunt, wie weit hier der aktuelle Zustand und künftige Erwartungen auseinanderdriften.

Grüne Energien und E-Mobilität treiben kasachische Aktien

Tatsächlich aber spielen mehrere Faktoren zyklischen Aktien in die Hände, wie sie den KASE-Index dominieren. Da sind vor allem die weltweiten Konjunkturhoffnungen, beflügelt von Erfolgen an der Impffront, der wirtschaftlichen Erholung in Asien und gigantischen Investitionen in den USA. Mitte März hat die US-Notenbank ihre Wachstumsprognose für 2021 von 4,2 auf 6,5 Prozent erhöht. Präsident Biden stellte vergangene Woche ein Infrastrukturpaket in Höhe von 2 Billionen US-Dollar vor, mit dem unter anderem Straßen, Brücken, Flughäfen und das Eisenbahnnetz modernisiert werden sollen. Und das chinesische Statistikamt meldete im März, dass die Industrieproduktion im Reich der Mitte im Januar und Februar um 35,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr gewachsen sei – wobei erwähnt sei, dass China 2020 zu jener Zeit bereits Städte abriegelte und die Industrieproduktion herunterfuhr.

Nichtsdestotrotz treibt all das die Nachfrage nach Rohstoffen und deren Preise in die Höhe. Brummt die Industrieproduktion, wird mehr Öl und Gas nachgefragt – auch weil erneuerbare Energien bislang nur einen Teil des Bedarfs abdecken und ihre Herstellung teilweise nicht profitabel ist. Wobei sich auch das nach dem Willen der USA, Chinas und der EU ändern soll: Biden hat die USA erst kürzlich in das Pariser Klimaabkommen zurückgeführt, China will 2060 klimaneutral sein, und auch in Deutschland soll laut dem Erneuerbare-Energien-Gesetz bis 2025 zwischen 40 und 45 Prozent des verbrauchten Stroms grün sein. Dadurch wächst die Nachfrage nach Metallen, die auch in Kasachstan abgebaut werden. Vor allem Kupfer ist in Wind- und Solaranlagen, aber auch im Bereich der E-Mobilität unverzichtbar. Weil neben Platzhirsch Tesla nun auch zahlreiche traditionelle Autokonzerne – von Volkswagen über Daimler bis hin zu Toyota und Hyundai – in den Riesenmarkt eingetreten sind, dürfte auch der Bedarf an Kupfer steigen.

KAZ Minerals profitiert von Kupfer-Rallye

Kein Wunder also, dass das Metall Ende Februar so viel wie zuletzt 2012 kostete und der Preis vom Corona-Tief aus um etwa 80 Prozent gestiegen ist – sehr zur Freude von KAZ Minerals, das sein Geld hauptsächlich mit der Kupferförderung verdient. Nebenbei profitiert das Unternehmen mit Sitz in London aber ebenso von steigenden Preisen für andere Metalle. Denn in seinen Minen in Kasachstan und Kirgisistan stellt es im Zuge der Kupferförderung auch Gold, Silber und Zink als Nebenprodukte her. Auch der Preis für Silber hat sich vor kurzem gegenüber dem Corona-Tief verdoppelt und ein neues Acht-Jahreshoch erreicht, während es für Zink seit April 2020 immerhin um rund die Hälfte nach oben ging. Vor diesem Hintergrund erscheint auch die Kursverdreifachung in den letzten zwölf Monaten in einem anderem Licht.

Etwas anders laufen die Dinge im Uransektor, wo der Preis seit einem Jahr stagniert. Dass Uranförderer wie Kazatomprom im gleichen Zeitraum ihren Börsenwert deutlich gesteigert haben, liegt an einigen Besonderheiten des Uranmarkts. Betreiber von Kernkraftwerken und andere Kunden schließen meist langfristige Lieferverträge mit den Anbietern ab, die nicht an den aktuellen Spotpreis gebunden sind, sondern oft darüber liegen. Verknappt sich das Angebot, schlägt sich das erst mit einiger Verzögerung im Preis nieder.

China und Russland setzen auf Atomkraft

Doch eine solche Verknappung zeichnet sich schon seit einigen Jahren ab, weil durch die anhaltend niedrigen Uranpreise auch Investitionen in Minen zurückgefahren wurden. Die Nachfrage dürfte dagegen in den nächsten Jahren erheblich steigen. Vor allem China setzt nämlich beim Streben nach Klimaneutralität auf den Bau neuer Atomkraftwerke. Ähnliches schwebt in der EU Frankreich und den Visegrád-Staaten vor. Auch Russland baut mehr Atomkraftwerke, und die USA haben noch unter Donald Trump beschlossen, eine strategische Uran-Reserve aufzubauen. Marktbeobachter rechnen also damit, dass an steigenden Uranpreisen früher oder später kein Weg vorbeiführt.

Der Boom an den Rohstoffmärkten insgesamt könnte noch eine ganze Weile anhalten. Investmentbanken wie Goldman Sachs sprechen gar schon vom Beginn eines neuen „Superzyklus“. Gemeint ist eine sehr lange Phase steigender Preise, wie es sie von 2000 bis 2011 zuletzt gegeben hat. Sollte es so kommen, dürften kasachische Unternehmen weiter profitieren – und kasachische Aktien damit ebenso.

Christoph Strauch

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