Gerade in Deutschland angekommen, versucht Xenija Semkina mit ihrem Schlüsselbund den Weg zu ihrem Wohnheimzimmer zu öffnen. Doch das erweist sich schwerer als gedacht. Was muss man da alles beachten: Den richtigen Zimmerschlüssel finden, das richtige Stockwerk erreichen und dann noch die Frage beantworten, warum der Eingangsschlüssel auch das Zimmer öffnet. Aber lesen Sie selbst.
Alles war in meinen Händen: Überzeugtheit, gehobener Geist, die Kenntnis der Sprache, Erfolg und natürlich Wohlwollen! Ich verabschiedete mich von meinen neuen Bekannten, benachrichtigte die Verwandten über meine glückliche Ankunft in Berlin und beeilte mich, in das Haus zu gelangen, wo sich mein Zimmer befand. Ein glückliches Lächeln strahlte auf meinem Gesicht. Die Apfelbäume begrüßten mich. Die Zapfen an den Tannenbäumen schmückten meinen Weg zum Gebäude. In meinen Händen klimperte das Bündel diverser Schlüssel: vom Zimmer, von der Küche, vom Briefkasten und vom Haushaltszimmer.
Ich hatte die Eingangstür hinter mir zugezogen … Welch ein Unglück! Sie war nun geschlossen. Seltsam. Vor kurzem war mir das Zimmer gezeigt worden. Die Tür war geöffnet gewesen. Nun ging ein Student hinaus, und er öffnete die Tür. Was musste man nun machen? Aha, auf die Taste drücken. Die Vorrichtung war der russischen Sprechanlage ähnlich.
Wahrscheinlich sollte man die Nummer des Zimmers wählen. Ich dachte über weiteres Handeln nach. Die Zimmernummer war nun angewählt. Aber nichts geschah. Was musste man noch machen? Zurückgehen, um Hilfe bitten? Oder warten, bis jemand erneut die Tür öffnet? Unerwartet hörte ich eine Stimme hinter mir. „Hast du keinen Schlüssel?”
„Ich habe nicht nur einen“, sagte ich und hielt dem Fremden das ganze Bündel hin. Er lächelte und zeigte auf den Zimmerschlüssel. Ich verstand, dass man gerade den ins Schlüsselloch stecken muss. Die Tür öffnete sich. Ich dankte dem Fremden. Er hatte sich als mein Nachbar – ein Student aus dem Libanon erwiesen.
Ich stieg in das zweite Stockwerk hinauf. Ich überlegte unterwegs: „ Ein Schlüssel passt zur Eingangstür und auch zu allen Zimmern. Wozu gibt es dann drinnen noch Schlösser?“ Zweiter Stock. Ich ging in die Richtung meines Zimmers, steckte den Schlüssel ins Schloss und wollte ihn umdrehen, aber er drehte sich nicht. „Nur einige Minuten fort, und schon ist jemand in meinem Zimmer drin und hat von innen abgeschlossen. Und dazu noch den Schlüssel im Schlüsselloch steckengelassen!“.
Ich klopfte. Man öffnete nicht. „Scheiße!” Ich klopfte stärker. Man öffnete nicht. Ich prüfte die Nummer des Zimmers. Sie stimmte. Ich horchte an der Tür: Stille. Als ob niemand im Zimmer drin war. Wieder prüfte ich die Zimmernummer und die Schlüsselnummer. Eine Zahl stimmte nicht überein, und dass war die Zahl des Stockwerks! Wieso das?
Dabei konnte ich mich nicht irren: erster Stock, zweiter Stock. Schnell ging ich in den Flur und sah die Zahl 1, darunter die 0. Wie konnte ich vergessen, dass das Erdgeschoß in Deutschland dem ersten Stock in Russland entspricht! Es war lächerlich. Aber so erkannte ich, dass der Eingangsschlüssel nicht zu allen Zimmern passt, sondern nur die Eingangstür und das persönliche Zimmer öffnet.