In diesem Jahr stehen mehrere Gedenkdaten an. Eines davon: der 85. Jahrestag der Deportation der Wolhyniendeutschen, die bereits 1936 aus dem westlichen Teil der Ukraine nach Kasachstan deportiert worden sind. Am 28. August wird an die Deportation der Wolgadeutschen und den Beginn einer großen Deportationswelle der Deutschen innerhalb der Sowjetunion vor 80 Jahren erinnert. Bereits jetzt tauchen in den sozialen Medien Ankündigungen zu Gedenkveranstaltungen auf. Sowohl in Deutschland als auch in den Herkunftsgebieten, in denen einst Deutsche gelebt haben, werden Erinnerungsprojekte gestartet. Sie sollen dazu beitragen, dass dieses dunkle Kapitel der Geschichte nicht in Vergessenheit gerät.
Erinnern gehört zu unserem Leben dazu. Die Aufarbeitung sowohl der eigenen Familiengeschichte als auch der kollektiven Vergangenheit können auf das Leben eines Menschen große Auswirkungen haben. Das Erinnern bildet einen Teil unserer Identität und kann unter anderem auch dabei helfen, transgenerationale Traumata zu bewältigen.
Doch welche zeitgenössischen Formate können bei der Erinnerungsarbeit erfolgreich eingesetzt werden? Wie kann das Erinnern gestaltet werden und wie werden heutzutage moderne Erinnerungsprojekte umgesetzt? Diese und viele weiteren Fragen rund um das Erinnern wurden am 20. März in Düsseldorf im Rahmen eines Hybrid-Seminars diskutiert. Die LmDR Landesgruppe Nordrhein-Westfalen lud bundesweit interessierte Teilnehmende dazu ein, sich per Zoom an der Diskussion zur Erinnerungskultur sowie der Entwicklung neuer Strategien zu beteiligen. Gefördert wurde die Veranstaltung durch das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen.
Handreichung zur modernen Erinnerungskultur
Das Seminar begann mit einer digitalen Teestube, bei der Dietmar Schulmeister, der Vorsitzende der LmDR-Landesgruppe Nordrhein-Westfalen und Initiator des Projekts zur Erinnerungskultur, die Teilnehmenden begrüßte. „Wir möchten im Rahmen dieser Workshop-Reihe nicht nur über die Erinnerungskultur sprechen, sondern auch moderne und umsetzbare Formate für die Erinnerungsarbeit schaffen“, erläuterte Dietmar Schulmeister zu Beginn der Veranstaltung.
Als Ergebnis des Seminars sowie der nachfolgenden Online-Workshops ist eine Handreichung geplant, die allen Orts- und Kreisgruppen der Landsmannschaft sowie nachgeordneten Vereinen zur Verfügung gestellt wird. Der erste Teil handelt von moderner Erinnerungskultur aus russlanddeutscher Perspektive und im zweiten Teil werden praktische Beispiele aufgeführt.
Nach der Eröffnung des Seminars durch Dietmar Schulmeister sprach Ewald Oster, Mitglied des LmDR-Bundesvorstandes und Vorsitzender des Kulturausschusses der Landsmannschaft, ebenfalls ein Grußwort. Dabei erläuterte er die Wichtigkeit der Bewahrung und Entwicklung der Erinnerungskultur für die Deutschen aus der ehemaligen Sowjetunion und wies auf die Erfahrung aus den bereits erfolgreich umgesetzten Projekte und Initiativen der letzten Jahre hin.
Bedarf eines intensiven Austausches
Inhalt des ersten Seminarblocks waren der Begriff der Erinnerungskultur sowie erfolgreiche Projektbeispiele. Zu diesem Thema hielt Edwin Warkentin, Kulturreferent für Russlanddeutsche am Museum für Russlanddeutsche Kulturgeschichte in Detmold, einen informativen Vortrag und stellte zahlreiche Best Practice-Beispiele zur modernen Erinnerungskultur und zu Gedenkveranstaltungen vor. Im Anschluss ging es im Rahmen einer Diskussionsrunde unter anderem darum, wie russlanddeutsche Erinnerungskultur in der Öffentlichkeit sichtbarer gemacht und was dazu beigetragen werden kann. Im Laufe des Gesprächs wurde auch der Bedarf eines intensiveren Austausches untereinander deutlich, damit bereits erfolgreich bestehende oder durchgeführte Projekte bekannter werden und als Beispiel dienen können.
Im zweiten Block der Veranstaltung sprach Tatjana Schmalz über neue Ansätze in der modernen Erinnerungskultur. Sie promoviert gegenwärtig an der Europäischen Universität Viadrina zum Thema „Die russlanddeutsche Erinnerungskultur“. In ihrem Vortrag hob sie auf der Basis ihrer Analyse hervor, dass es an der Zeit sei, innovative Formate für Gedenkveranstaltungen einzuführen. „Es ist von großer Bedeutung, dass wir mit der digitalen Entwicklung Schritt halten“, betonte Tatjana Schmalz und ergänzte anschließend: „Nur so können wir das Interesse an unserer Geschichte steigern, eine bessere Zugänglichkeit gewährleisten und die breite Öffentlichkeit dadurch erreichen.“
Die Rolle der sozialen Medien bei Erinnerungsprojekten
Im dritten Teil der Veranstaltung gab es Impulsvorträge zur russlanddeutschen Literatur und der Rolle der modernen Medien bei Erinnerungsprojekten. Den Auftakt machte Katharina Martin-Virolainen mit dem Vortrag „Russlanddeutsche Literatur: Stimmen der Erinnerung“. Dabei stellte sie Möglichkeiten vor, wie man russlanddeutsche Literatur in die Erinnerungsprojekte einbauen kann und betonte die Notwendigkeit der Einführung von innovativen Hybridformaten. Katharina Martin-Virolainen präsentierte als Beispiel einige Zitate aus den Werken von russlanddeutschen Literaturschaffenden wie Andreas Kramer, Nelli Kossko oder Ida Bender, die eindrucksvoll die Erfahrungen der Erlebnisgeneration schildern.
Dem Vortrag zur Literatur schloss sich die Präsentation von Anna Bajrakov an. Die Social-Media-Managerin sprach über die Rolle der sozialen Medien bei den Erinnerungsprojekten. Darüber hinaus gab sie den Seminarteilnehmenden viele wertvolle Tipps für die digitale Gestaltung von Veranstaltungen, setzte Impulse für eine effiziente Öffentlichkeitsarbeit und stellte einige digitale Möglichkeiten vor, die im Rahmen der Projektarbeit genutzt werden können. „Es kostet Zeit, sich mit den einzelnen Medien und Möglichkeiten vertraut zu machen, doch es zahlt sich auf jeden Fall aus“, ermutigte Anna Bajrakov die Teilnehmenden dazu, mehr mit unterschiedlichen Online-Instrumenten zu arbeiten.
Im letzten Block des Seminars wurden die Ergebnisse des Tages von der Moderatorin Katharina Martin-Virolainen und dem Seminarleiter Dietmar Schulmeister zusammengetragen. Die Teilnehmenden wurden dazu aufgerufen, die bereits erarbeiteten Methoden zu ergänzen und über Zukunftsperspektiven zu diskutieren. „Es ist wichtig, dass wir zukunftsorientiert arbeiten und uns von alten Mustern langsam lösen, wenn wir das Interesse der breiten Öffentlichkeit gewinnen möchten“, betonte Dietmar Schulmeister im Anschluss an die Diskussion.
Mehr Informationen zu den Projekten und Aktivitäten der LmDR Nordrhein-Westfalen finden Sie unter: www.lmdr-nrw.de