Der Corona-Lockdown zwingt Schüler und Lehrer zum Improvisieren. In Kasachstan hat am vergangenen Montag das neue System des Fernunterrichts begonnen. Fünf Schülerinnen berichten in der DAZ über ihre Eindrücke und Erfahrungen. Ihr Fazit für die erste Woche fällt gemischt aus.

Dana Gabitowa, Gymnasium Nr. 68 in Almaty, 15 Jahre

Seit dem 6. April sitze ich zu Hause im Fernunterricht, wie 2,5 Millionen kasachische Schüler. Am ersten Tag gab es einige Schwierigkeiten beim Zugang zum Bildungsportal, aber jetzt funktioniert alles ganz gut. Wir haben einen coolen Chat mit Lehrern, in dem wir Fragen über neue Themen stellen können. Und natürlich versuchen wir, uns gegenseitig bei der persönlichen Kommunikation zu helfen – weil wir verstehen, wie groß die Last ist, die die Lehrer jetzt haben. Persönlich mag ich diese Art der Ausbildung sogar, sie erweitert die Möglichkeiten zur eigenständigen Bildung. Die Qualität des bewältigten Materials und die dafür aufgewendete Zeit hängen natürlich nur von mir ab. Generell denke ich, dass der Fernunterricht das gesamte Bildungssystem in Kasachstan positiv beeinflussen wird. Alle Fehler, die der Fernunterricht offengelegt hat, werden meines Erachtens vom Bildungsministerium und der gesamten Regierung in Zukunft verbessert.

Arina Belotskaja, Gymnasium Nr. 46 in Nur-Sultan, 16 Jahre

Eine Woche Homescooling ist fast vorbei. An der Schule 46, wie wahrscheinlich überall an den Schulen Kasachstans, waren die Lehrkräfte und Schüler in keiner Weise darauf vorbereitet. Nach einer kurzen Erprobungswoche des Online-Unterrichts fiel die Wahl auf die Videokonferenz-App „Zoom“, die wir für Online-Meetings mit unseren Lehrern nutzen. Aber unser Lernprozess basiert mehr auf selbstständigen Arbeitsleistungen, das heißt Wochen-Lern-Plänen mit Aufgaben, die wir erfüllen und bis zu einer Deadline an die Lehrkräfte versenden.

Das Hauptproblem ist für mich, dass die meisten Lehrkräfte den Lernprozess nicht nutzerfreundlich organisieren. Besonders unpraktikabel für Schüler ist folgendes Vorgehen: Übungen ins Heft schreiben, abfotografieren, danach eine Word-Datei mit diesen erstellen und auf die Webseite „Kundelik“ hochladen, die bestenfalls einmal pro Stunde funktioniert.

Dennoch arrangiere ich mich mit dieser neuen Bildungsmethode und versuche, daraus Erfahrungen zu ziehen bzw. mir mehr Selbstdisziplin und Zeitmanagement anzueignen.

Darja Losa, Gymnasium Nr. 18 in Almaty

Die Stunden bei uns fangen um 8:30 Uhr an. Die Schüler der Klasse 10a und die Fachlehrer haben eine gemeinsame WhatsApp-Gruppe, wo die Aufgaben und Erklärungen der neuen Themen jeden Schultag verschickt werden. Außerdem bieten die Lehrer zusätzliche Informationsquellen an, die beim Verständnis der neuen Informationen helfen können. Wenn die Schüler Fragen haben, dürfen sie gerne die Lehrer privat fragen. Erledigte Hausaufgaben schicken die Schüler per E-Mail oder via WhatsApp, damit die Lehrer sie überprüfen und beurteilen.

Obwohl die Schüler mit dem Homeschooling erst vor einer Woche begonnen haben, sind schon manche Vor- und Nachteile erkennbar. Worin liegen nun die Pro-Argumente? Das Homeschooling fördert die Entwicklung der Eigenständigkeit. Die Schüler haben Aufgaben und Termine, aber wie sie es schaffen werden, entscheiden sie selbst. Niemand außer den Schülern ist für die Ergebnisse der Ausbildung verantwortlich. Hinzu kommt, dass das Homeschooling das Verantwortungsbewusstsein weiterentwickelt. Wenn das Thema unverständlich ist, dann sollen die Schüler selbständig dafür sorgen, alle Fragen klarzustellen.

Der wichtigste Einwand ist, dass es keinen persönlichen Kontakt mit den Lehrern gibt. Daraus folgt, dass Wissenslücken entstehen können. Das ist problematisch, denn einige Schüler verfügen über wenig Motivation und geben sich keine Mühe, den neuen Unterrichtsstoff zu begreifen. Aus all dem kann man den Schluss ziehen, dass es noch viele Aufgaben zu lösen gibt, beziehungsweise dass es noch an Kompetenzen und einem geregelten Schulsystem mangelt. Wenn die Probleme gelöst werden können, könnte das Homeschooling wertvolle Früchte tragen.

Darja Kartaschowa Gymnasium Nr. 10 in Öskemen

Seit Beginn des vierten Viertels haben wir auch in Öskemen Fernunterricht. Alle Fächer, die wir in der Schule lernen, finden auf verschiedenen Online-Plattformen statt, zum Beispiel via „Google classroom“ und „teams“, weil sie nicht nur für Lehrer, sondern auch für Schüler bequem sind. Die Lehrer schicken uns den Videounterricht und die Aufgaben, die wir dann machen müssen.

Ich denke, dass das Homeschooling viele Nachteile hat. Schüler und Lehrer arbeiten sehr lange am Computer, deshalb werden sie schneller müde. Außerdem nimmt Homeschooling viel Zeit in Anspruch. Auf der anderen Seite ist es für einige Schüler von Vorteil, weil sie sich wohl fühlen, wenn sie selbst lernen können.

Alua Abai, Gymnasium Nr. 18 in Almaty

Wegen der Quarantäne müssen die Schüler aus vielen Ländern die Schule “online” besuchen, und auch bei uns gibt es darüber einiges zu berichten. Die Stunden in meiner Schule fangen um 8:30 Uhr an und enden um 13 Uhr, aber das hängt natürlich von der Zahl der Stunden ab. Jede Unterrichtseinheit dauert 30 Minuten, aber ich bemühe mich, jedes Thema gut zu verstehen. Deshalb kommt es vor, dass ich für jede Unterrichtseinheit circa eine Stunde statt der üblichen 30 Minuten aufwende. Zwischen den Einheiten gibt es fünf Minuten Pause. Normalerweise höre ich um 15-16 Uhr auf, zu lernen.

Um 13 Uhr beginnen die Fernsehsendungen in russischer und kasachischer Sprache, wo sie die Schulthemen klar erklären. Jeder Fernunterricht dauert circa zehn Minuten, und es gibt nur drei Stunden für jede Klasse pro Tag. Dank dieser Sendungen kann man bestimmte Themen besser verstehen, die man durch eigenständiges Lernen nicht gut verstanden hat.

Wie meine Stunden ablaufen: Jeder Lehrer schickt uns die Arbeitsbegleitkarte mit Übungen und der Hausaufgabe, die wir termingemäß einhalten müssen. Gemäß diesem Plan erledigen wir alle Aufgaben und schicken sie dem Lehrer per WhatsApp oder E-Mail. Alle Zensuren werden im elektronischen Tagebuch «Kundelik» vergeben. Wenn man Fragen hat oder wenn man etwas nicht verstanden hat, kann man den Lehrer danach per WhatsApp fragen. Bislang ist erst eine Woche im Homeschooling abgelaufen, trotzdem kann ich schon daraus einen Schluss ziehen. Eine solche Ausbildung hat auf jeden Fall Vor-und Nachteile. Meiner Meinung nach ist das Homeschooling eine gute Erfahrung. Manche Schüler sind dank dieser Ausbildung selbständiger geworden, weil sie jetzt selbst lernen müssen und es keinen Lehrer gibt, der persönlich alles erklärt.Außerdem ist Homeschooling eine gute Möglichkeit, um sich an die Ausbildung der Zukunft zu gewöhnen. Denn es ist durchaus möglich, dass künftige Schüler auch online lernen werden.

Zhanel Jambulatowa, Nazarbayev Intellectual School für Physik und Mathematik in Almaty

Als Schülerin der Nazarbayev Intellectual School für Physik und Mathe in Almaty habe ich, wie alle Schüler, seit dem 6. April Fernunterricht. Dieser läuft nach dem existierenden Stundenplan, jedoch nur 20 Minuten pro Stunde online. Als Portal nutzen wir Zoom oder Teams. Die Hausaufgaben mache ich abends, so dass ich keine Langeweile habe.

Für mich ist diese Unterrichtsform unangenehm, weil ich mich am Computer angespannt fühle und außerdem herrscht zu Hause keine Schulatmosphäre. Ich verliere die Konzentration und mein Lernwille schwindet. Meine Mutter ist eine echte Alarmistin und schickt mich dreimal am Tag in den Laden am Haus, um unsere Vorräte aufzubessern. Nur mein Papa sieht die ganze Situation entspannt und glaubt an eine weltweite Verschwörung. So wasche ich oft meine Hände und lege mich oft auf die Couch, um die Welt zu retten.

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