Wie pakistanische Gäste die Tage nach den Krawallen erlebten

In Bischkek ist es am Wochenende zu mehreren gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen jungen kirgisischen Männern und pakistanischen, ägyptischen sowie indischen Studenten gekommen. Insgesamt waren über 800 Menschen an dem Konflikt beteiligt und versetzten die kirgisische Hauptstadt vor allem am Abend des 17. Mais in den Ausnahmezustand. Ein Statement des kirgisischen Innenministeriums beschreibt den Ablauf der Ereignisse.

Am Abend des 12. Mai sollen demnach vier aggressive kirgisische Männer in einer Pizzeria im Osten Bischkeks eine Gruppe von ägyptischen und pakistanischen Gästen nach Zigaretten gefragt haben. Es entwickelte sich eine verbale Auseinandersetzung, die eskalierte, als einer der Kirgisen einem der Ausländer ins Gesicht schlug.

Die Pakistaner flohen daraufhin zu ihrem Wohnheim nahe der Internationalen Universität Kirgisistans, konnten die Verfolger jedoch nicht abschütteln. Die vier Kirgisen stahlen Bargeld im Wert von 2.800 Dollar aus dem Wohnheim und fingen an, Studentinnen zu belästigen. Daraufhin attackierten aufgebrachte Pakistaner die Eindringlinge und verletzten einen von Ihnen mit Knüppeln.

Rassistische Gesänge und Verletzte

In den sozialen Medien verbreitete sich rasend schnell ein Video von dem Vorfall und diente einigen Kirgisen als Anlass, ihre Wut über die steigende Anzahl von migrantischen Arbeitskräften in Kirgisistan auf die indischen und pakistanischen Bewohner des Wohnheims zu projizieren. So erreichten rund 700 radikale junge Männer am Freitag das Wohnheim und prügelten auf ausländisch aussehende Bewohner ein.

Die Ausschreitungen verschoben sich anschließend auch auf die Straßen von Bischkek, wo Teile des Mobs rassistische Gesänge brüllten und ethnische Minderheiten belästigten. Nach offiziellen Angaben mussten im Laufe der Nacht 41 Ausländer im Krankenhaus medizinisch versorgt werden.

Kirgisen protestieren mit Ausländern gegen Gewalt

Am folgenden Morgen entschieden sich 540 pakistanische Studierende notgedrungen, Kirgisistan zu verlassen und nach Pakistan zurückzukehren. Pakistans Premierministers Shahbaz Sharif ordnete an, ihnen Heimflüge zu ermöglichen. Zudem wurde allen Bürgern Pakistans von der pakistanischen Botschaft empfohlen, vorerst nicht ihre Wohnung zu verlassen.

Auch die indische Botschaft empfahl Studierenden aus Indien, sich an ihren Wohnsitz zu begeben und nicht im Freien aufzuhalten. Der Außenminister Indiens Subrahmanyam Jaishankar bat die Studierenden, einen ständigen Austausch mit der der indischen Botschaft zu suchen.

Des Weiteren kam es zu polizeilich geschützten Demonstrationen gegen die rassistisch-motivierten Gewaltexzesse der letzten Nacht, die vor allem Pakistaner und besorgte Kirgisen besuchten. Es tauchten Im Laufe des Samstags Videos in den sozialen Netzwerken auf, die zeigten, wie Kirgisen den verstörten Bewohnern des Wohnheims Verpflegung bereitstellten und den guten Willen des Großteils der kirgisischen Bevölkerung versicherten.

Am Sonntag besuchte der stellvertretende Leiter des kirgisischen Kabinetts, Edil Baisalow, das Wohnheim und bat um Entschuldigung. Er versicherte den Studierenden, dass ihre Verwandten sich keine weiteren Sorgen um sie machen müssten und die kirgisischen Autoritäten die volle Verantwortung für ihre Sicherheit übernehmen würden. „Die Ereignisse einer Nacht reflektieren nicht die Einstellung unseres Volkes gegenüber Ihnen“, so Baisalow.

Angst und Spannungen auch in den Tagen danach noch spürbar

Auf den Straßen der kirgisischen Hauptstadt herrschte dennoch auch in den Tagen nach den dramatischen Ereignissen eine teils gespenstische Stimmung. Viele ausländische Touristen waren eingeschüchtert und trauten sich weiterhin nicht aus ihren Unterkünften. Gewaltbereitschaft und nationalistische Stimmungen waren vereinzelt zu spüren. Gegenüber der DAZ sprachen einige Menschen aus der betroffenen Personengruppe über ihre Erlebnisse und Gefühle, die von Angst und Unsicherheit geprägt waren.

Die indischen Medizinstudenten Nadi und Pahul etwa, die die DAZ beim Einkaufen im Supermarkt traf, belegen einen Großteil ihrer Kurse online und wollen das Land innerhalb der nächsten Wochen verlassen. Obwohl am Sonntag bereits eine Entwarnung der indischen Botschaft in Kirgisistan veröffentlicht wurde, blieb die Furcht vor rassistisch motivierten Übergriffen bei vielen groß.

Der 25-jährige Ali aus Pakistan, der zur Zeit der Unruhen seinen Urlaub in Bischkek verbrachte, sprach von einer besorgniserregenden Entwicklung. „Ich denke, es gibt einige Missverständnisse in Kirgisistan. Im Endeffekt sind wir alle Menschen und sollten versuchen, friedlich miteinander umzugehen.“ Weil am 17. Mai auch Hostels von gewaltbereiten Nationalisten angergriffen und beschädigt worden waren, fühlte er sich selbst in den Räumen der Unterkunft nicht sicher.

Dem möchte die Regierung Kirgisistans entgegentreten. Der kirgisische Präsident Sadyr Schaparow kündigte an, dass die Polizei künftige Ausschreitungen schneller auflösen werde und Gewalttäter ohne Beachtung ihrer Nationalität oder ihrer Staatszugehörigkeit hart bestraft werden würden.

Hauke Schenck

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