Ich warte und warte, dass die Welt zu mir kommt. Das tut sie aber nicht. Seit vielen Monaten tobt irgendwo da draußen das Weltgeschehen – die Finanzkrise, ein neuer amerikanischer Präsident, Streit um die Gaspipelines und so weiter und so weiter – und wenn ich nicht ab und zu in der Zeitung darüber lesen oder andere Menschen darüber sprechen hörte, dann kriegte ich wohl nichts davon mit.

Wahrscheinlich kommt der böse Schrecken erst noch, wenn alles viel, viel teurer wird oder ich Aufträge verliere oder … oder die Folgen schleichen sich kaum merkbar in meinen Haushalt, ohne dass ich es mitbekomme. Oder ich laufe ständig blind an den offensichtlichen Zeichen vorbei. Oder wir leben hier in Westeuropa in einem Kokon unter dem EU-Schutzmantel … oder die Erde zerfällt langsam aber sicher, zerbröselt uns gewissermaßen unter dem stehenden Fuße … oder die Weltereignisse und ihre Wirkungen werden schlichtweg überschätzt.

Ältere weise Menschen, die schon viel erlebt und gesehen haben, lassen sich von kleineren Ereignissen, die für uns Jungspunde noch groß wirken, nicht mehr so aus der Ruhe bringen. Für sie ist vieles, wenn nicht alles nur Wiederholung, Kinkerlitzchen. Es verführt zudem dazu, in den vermeintlich unterschiedlichen Vorgängen und Ereignissen so etwas wie ein Grundprinzip zu erkennen, mit dem sich vieles, wenn nicht alles erklären lässt. Dann könnte man sich getrost zurücklehnen und das Weltgeschehen entspannt beschauen, weil man sowieso weiß, was da vor sich geht und wo das hinführt.

Zuletzt haben wir bei meinem Freund Dima versucht, die größeren Zusammenhänge einiger Weltereignisse zu erfassen. Aljoscha war unser Wortführer, der ungebremst versucht, den Dingen auf den Grund zu gehen. Aljoscha versteht es, in ein Gesamtbild kunstvoll historische, politische, wirtschaftliche, kulturelle, spirituelle und astrologische Aspekte einzuflechten. Dabei verlieren wir dann schnell den Faden, allein Aljoscha behält den Überblick. Aber macht ja nichts. Übrig bleibt der Gesamteindruck, dass alles wahnsinnig komplex ist, es mindestens tausend verschiedene Ansätze gibt, das Sein in der Welt zu begreifen; dass alles möglich ist; dass wir zwischen Logik, Zwangsläufigkeit und Zufall stolpern und wabern. Und dass man am Ende gar nichts wirklich weiß.

Da ich damit in aller Konsequenz auch nicht mehr weiß, ob ich wirklich was bewirken kann – Prinzip Flügelschlag von einem Schmetterling – oder ob der Welt eh wurscht ist, was ich tue oder lasse, mir aber grad mal danach ist, die Welt mir wurscht sein zu lassen, ziehe ich mich mal getrost aus der Welt und auf mein Sofa zurück und widme mich Literatur und Musik. Denn auf die Klassiker ist Verlass, sie haben Bestand, vermitteln Unvergänglichkeit, Ruhe und Entspannung. Mit Bach im Hintergrund wirkt das, was Frau Merkel so meint, tut und lässt, banal. Und eines Tages stecke ich meine Nase wieder ins Weltgeschehen und tue so, als ob alles ganz bewegend wäre und ich mit am Rad der Zeit drehen kann.

Julia Siebert

13/02/09

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