Der Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen, Vernor Munoz, hat sich im Rahmen einer Inspektionsreise über das deutsche Bildungssystem informiert und auch Kritik geübt:

KÖLNISCHE RUNDSCHAU (Köln)

Man kann wegsehen und verdrängen. Man kann verächtlich machen und spotten. Oder man kann ehrlich sein. Der UN-Sonderbeauftragte, Vernor Munoz, hat nach einer zehntägigen Erkundungsreise durch die deutsche Bildungslandschaft eine schonungslose Analyse des beklagenswerten Zustands des Erziehungswesens vorgelegt. Sein Urteil: In Deutschland werden die Schüler zu früh und mit verfehlten Bewertungen aussortiert. Die Herkunft entscheidet über die Bildungschancen, und die vorschulische Betreuung und Bildung ist zu teuer. Munoz hat das nicht in böser Absicht getan. Ausdrücklich erkennt er an, dass sich in Deutschland nach dem Pisa-Schock einiges bewegt hat. Aber er weist auf falsche Tendenzen hin, zum Beispiel auf den Rückfall in die bildungspolitische Kleinstaaterei im Zuge der Föderalismusreform.

MÄRKISCHE ALLGEMEINE (Potsdam)

Nun also schicken die UN einen Sonderberichterstatter in tiefer Sorge nach Deutschland, dass hierzulande der freie Zugang zu Bildung nicht gesichert sei. Über die Verfügbarkeit von Landkarten am Sitz der UN ist einstweilen nichts Näheres bekannt. Ein Blick darauf hätte aber unweigerlich zu der bestürzenden Erkenntnis führen müssen, dass kaum irgendwo auf der Welt der Zugang zu Bildung so ungehindert möglich ist wie in Deutschland. Pisa hin oder her, es spricht einiges dafür, dass der geschätzte Inspektor am falschen Ende der Welt mit seinen Bemühungen beginnt.

GENERAL-ANZEIGER (Bonn)

Die Begeisterung der deutschen Kultusminister über den Besuch des UN-Sonderberichterstatters hält sich in Grenzen. Denn ihre Befürchtung, sein Urteil über die Gerechtigkeit des deutschen Bildungssystems könne durchwachsen ausfallen, wurde bestätigt. Vernor Munoz hat mit dem deutschen System der frühen Auslese und dem Festhalten am Bildungsföderalismus Probleme angesprochen, die in der Kultusministerkonferenz am liebsten zu Tabuthemen erklärt würden. Eine ehrliche Strukturdebatte wollen sie nicht. Und so steht zu befürchten, dass der Bericht des Menschenrechtsexperten schnell in den Schubladen der Kultusminister verschwindet: gelesen, gelocht, gelagert.

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