Das nationale Kunsthandwerk hat in Usbekistan eine lange Tradition. Die Kenntnisse der Handwerker und Meister werden seit jeher von Generation zu Generation weitergegeben und bis heute als kulturelles Erbe in sämtlichen Bereichen der Handwerkskunst erhalten.


Die Handwerkskunst nimmt einen wichtigen Platz im kulturellen Erbe Usbekistans ein. Ihre Anwendungsgebiete sind sehr vielfältig. Sie reichen von der Seiden-Papierherstellung und der damit verbundenen Miniatur-Seidenpapiermalerei über die Verarbeitung von hochwertigen Stoffen zur Herstellung von Kleidung sowie von komplexen Schmuckornamenten in der Juwelierkunst, die Holzschnitzerei, die Teppichweberei, die Keramikkunst und die Verarbeitung von Kupfer bis hin zur Kunst der Messerschleiferei. Auch die Seiden- und Goldstickerei, die bis weit über die Grenzen Usbekistans bis heute bekannt ist, gehört dazu.

Besonders zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang die Stadt Bukhara. Goldornamente von dortigen Handwerkern schmücken die Museumsausstellungen in Usbekistan. Sie werden in Museen im Ausland aufbewahrt – darunter in Russland, Indien, Indonesien, China und Sri Lanka. Buchara-Zarduzis – feste Stickereien mit goldenem Hintergrund – sind unverzichtbare Exponate auf internationalen Ausstellungen.

Bukhara - Die Kuppeln der alten Basare
Bukhara – Die Kuppeln der alten Basare

Bukhara, eine der ältesten Städte Usbekistans, war einst eine der Drehscheiben auf den alten Handelswegen an der Seidenstraße und spielte so für Handelsreisende eine zentrale Rolle. Die Stadt war berühmt für ihre architektonischen Denkmäler und Moscheen, die teils bis heute erhalten sind. Zudem ist Bukhara als „Stadt der Medresen“ bekannt geworden. Darüber hinaus prägten zahlreiche große Persönlichkeiten die Stadt und die Region mit ihrem Wirken: etwa der Mediziner ibn-Sina (Avicenna), die Dichter Rudaki und Firdausi oder der Universalgelehrte Al–Farabi.

Eine kurze Geschichte der Goldstickerei in Bukhara

Die Goldstickerei als Kunst war einzigartig. Die exklusive und schöpferische Arbeit der Meister wurde erst als solche zur Kunst entwickelt. Die Geheimnisse der Goldstickerei wurden mündlich überliefert und waren deshalb für Außenstehende nicht nachzuvollziehen. Sehr lange Zeit war sie fest in den Händen der Männer, die komplexe Techniken beherrschten. Später wurden diese Geheimnisse den weiblichen Familienmitgliedern beigebracht, so dass seitdem Frauenhände die Goldstickerei perfektioniert haben.
Neben den Kleidern waren auch Haushaltsgegenstände mit goldenen Nähten verziert. Dazu gehören Lula-Bolish-Polster, Takyacha-Kissenbezüge, Djoypush-Bettdecken für Hochzeitsbetten, Takhmonpush-Vorhänge für Nischen, Djoynamos-Gebetsteppiche, Chimillik-Vorhänge zum Trennen der Wohnung.

Kopfbedeckung eines Emirs (Ark Zitadelle Bukhara), Goldstickerei auf Samt
Kopfbedeckung eines Emirs (Ark Zitadelle Bukhara), Goldstickerei auf Samt

Viel Aufmerksamkeit wurde der Dekoration von Kopfbedeckungen gewidmet – vor allem der Tyubeteika als am weitesten verbreiteter Art von Hüten. Die spezifische Bukhara-Art von Tyubeteika besteht aus goldenen Fäden und ist Teil des Kostüms der Hofaristokratie. Später wurde es zum obligatorischen Element der Hochzeitssuite und des Jungenkleides.

Wann exakt die Goldstickerei ihren Weg nach Usbekistan nahm, ist nicht eindeutig zu datieren. Wahrscheinlich verbreitete sie sich von Babylon auf andere Länder der Region und kam somit auch nach Usbekistan. Nach archäologischen Funden ist auf dem Territorium von Usbekistan die Goldstickerei seit dem Altertum bekannt. Auf einzigartigen Resten von Wandmalereien aus dem 6. bis 8. Jahrhundert im Palast von Afrasiab, einem Vorläuferort des heutigen Samarkand, wurden Darstellungen von Menschen in eleganter goldbestickter Kleidung identifiziert.

Als offizielle Hofkunst florierte die Goldstickerei auch am Hof des Amir Timur, der am Ende des 14. Jahrhunderts als zentralasiatischer islamischer Militärführer eines in Samarkand ansässigen mongolischen Stammesverbandes und Eroberer in Erscheinung trat. Die Goldstickerei wurde immer weiter entwickelt. Im 17. Jahrhundert erhielten davon zwei russische Botschafter, Boris und Semen Pazukhan (1669-1671), besondere Kenntniss. In ihren Memoiren konnten sie sich daran erinnern, dass der in Bukhara ansässige Dschaniden-Khan Abudlaziz-Khan, der von 1647–1680 regierte, ihnen goldbestickte Gewänder, Hüte und Gürtel schenkte. Die Fortsetzung der Goldstickerei und, damit verbunden, die weitere Perfektionierung handwerklicher Techniken, erfolgte am Hofe der Emire von Bukhara im 18. Jahrhundert bis zum Ende des 19. Jahrhunderts. Eine beträchtliche Anzahl von Stickereien aus dem Besitz der Emire von Bukhara Nasrullo (1827-1860), Abdulahad-Khan (1895-1911) und Alim-Khan (1911-1920) sind bis heute in Museen erhalten geblieben.

Im 19. und 20. Jahrhundert war die Goldstickerei mit Samtstoff besonders beliebt. Neben Samt, Wollstoffen und Seide wurde aber auch Leder bestickt. Samt wurde grundsätzlich für die Stickerei auf Mänteln benutzt, Seidenstoffe für die Gewänder, Kopftücher und Gürtel. Halbseidenstoffe wurden für die Herstellung von Gebrauchs-und Verbrauchsgütern, wie beispielsweise Gebetsteppiche oder Kissenbezüge, eingesetzt.

Goldstickerin mit 50 Jahren Berufserfahrung
Goldstickerin mit 50 Jahren Berufserfahrung

Als Grundlage für die Goldstickerei wird Samt in gesättigten Farben wie blau, schwarz, violett, kirschrot, fliederfarben und braun besonders gerne verwendet. Diese prächtige Leinwand verstärkt die Wirkung der Goldstickerei, und die Fäden glänzen auf ihr noch stärker. Es gibt mehr als vierzig Techniken.

Für Frauen wurden Ledergaloschen bestickt. Um ein luxuriöses Aussehen zu erzielen, werden viele Produkte zusätzlich mit Edelsteinen und Halbedelsteinen verziert: Diamanten, Perlen, Smaragde, Rubine, Saphire. Außerdem wurden diese Erzeugnisse mit Gold-, Silber- und vergoldeten Plaketten in verschiedenen Formen eingearbeitet.

Es gibt eine Vielzahl von Fäden und Techniken, um unterschiedliche Texturen zu erzeugen. Die Gold- und Silberfäden waren dünne Metallfäden, die dicht auf Seide gesponnen wurden. Für die Herstellung von goldenen Fäden wurden silberne Fäden vergoldet. Solche Fäden waren bereits in Babylon und im alten Ägypten bekannt. Neben Goldfäden wurden auch gefärbte gesponnene und nicht gesponnene Seide verwendet.

Herausforderungen der Goldstickerei in der Gegenwart

Bei einem Besuch in der „Bukhara Gold Embroidery Factory“ hatte unsere Redaktion die Möglichkeit, tiefe Einblicke in die Goldstickerei zu gewinnen und mit den Mitarbeiterinnen ins Gespräch zu kommen.

Die meisten Mitarbeiterinnen sind bereits im Ruhestand, arbeiten jedoch weiter in der Goldstickerei, da dies ein wichtiger Aspekt der Kommunikation und des gemeinsamen Miteinanders ist. Mitunter arbeiten einige Handwerkskünstlerinnen bereits seit 40 oder 50 Jahren in der Goldstickerei. Aktuell ist der Nachwuchs in der „Bukhara Gold Embroidery Factory“ durch junge Stickerinnen gesichert. Dennoch ist es eine große Herausforderung für die Unternehmensleitung, entsprechendes Personal zu finden und auszubilden.

Die Handwerkskunst der Goldstickerei ist mit vielen Schwierigkeiten verbunden. Die Arbeit erfordert äußerste Präzision, ein hohes Maß an handwerklicher Geschicklichkeit, und vor allen Dingen Ausdauer und Konzentration. Die größte Herausforderung besteht darin, sich lange Zeit auf einen Punkt zu konzentrieren. Dies erfordert von den Augen maximale Anstrengung, wodurch im Laufe der Zeit die Sehstärke nachlässt. Daher tragen alle Mitarbeiterinnen Brillen. Die einseitige Arbeitsbelastung für Hände und Handgelenke sowie die damit verbundene leicht nach vorn gebeugte Körperhaltung, die oft zu Rückenproblemen und anderen Schmerzen führt, machen regelmäßige Pausen und gymnastische Übungen unbedingt erforderlich.

Auftragsarbeit an einem 30 m langen Vorhang
Auftragsarbeit an einem 30 m langen Vorhang

Auch hier werden die Arbeitsweisen und Techniken mündlich von Generation zu Generation im Sinne von „Learning by Doing“ weitergegeben. Eine Ausbildung im klassischen Sinne mit einem offiziellen Berufsabschluss ist nicht erforderlich.

Sehr kompliziert ist es, die Zwischenräume der Muster mit entsprechenden Farben zu besticken. Um einen Millimeter Wegstrecke mit einem Goldfaden zu besticken, sind 32 Stiche erforderlich. Daher sind Auftragsarbeiten mit sehr viel Zeit verbunden und zeitlich schwer kalkulierbar. Dies hängt von der Komplexität der Muster, der Farben und der Länge/Breite des Objektes ab. Aktuell werden für einen drei Meter langen Vorhang ca. fünf Monate Arbeitszeit inklusive Spätschichten einkalkuliert. Eine Auftragsarbeit für einen Vorhang von 30 Metern Länge und 15 Metern Breite kann zwischen ein und drei Jahren Zeit in Anspruch nehmen.

Zu Zeiten der ehemaligen Sowjetunion wurden viele staatliche Aufträge, hauptsächlich vom Militär, erteilt. Unter anderem wurden Auszeichnungen, spezielle Wappen und Dienstgradabzeichen für Generäle und hohe Funktionäre gestickt.

Die Materialien wurden aus der 1881 von Franzosen gegründeten Moskauer Seidenfabrik „Shcherbakov“ geliefert. Diese galt viele Jahre lang als ein bedeutendes Unternehmen der Textilindustrie in der UdSSR, in dem über hundert Arten von Seidenstoffen hergestellt wurden. Das Unternehmen produzierte unter anderem Kleidersamt, Jacquard- und bedruckte Stoffe für Kostüme oder Pelze mit glatter und geflochtener Oberfläche.

Zentrale Mustersequenz aus einem rechteckigen Teppich
Zentrale Mustersequenz aus einem rechteckigen Teppich

Heute werden die Materialien aus unterschiedlichsten Regionen importiert. Unter anderem spielt eine Fabrik in Frankfurt am Main eine wichtige Rolle. Dort werden Stoffe – unter anderem Samtstoffe – maschinell produziert. Mit hoch-moderner Technologie werden Muster von Goldstickereien auf diese Stoffe gestickt. Die importierten Stoffe in Bukhara werden jedoch in Handarbeit vor Ort bestickt. Die „Bukhara Gold Embroidery Factory“, 1930 gegründet, ist die einzige Fabrik, die in Zentralasien hochwertige Goldstickereien produziert.

Um auch zukünftig konkurrenzfähig zu sein, werden permanent neue Materialien, Muster und Arbeitstechniken entwickelt. Besondere Aufmerksamkeit legt man auf die wissenschaftliche Untersuchung von Mustern, das Studium der Methoden, Typen oder Namen des Nähgoldes. Die Meister, Künstler und Schnitzer von Mustern machen nicht Halt, sondern erfinden neue Nähte und Stiche, Muster und Ornamente, wobei sie die Traditionen ihrer Vorfahren bewahren; sie beherrschen neue Technologien und führen sie in die Produktion ein.

Referenzen sind genug vorhanden. Unter anderem wurde ein Vorhang speziell für die Eröffnung des „Shanghai Cooperation Organisation Summit 2022“ in Samarkand, an dem acht Staatspräsidenten teilnahmen, fertiggestellt. Oder auch ein Gebetsteppich für die Kaaba in Mekka, Saudi Arabien. Und nicht zuletzt das Teppichkunstwerk zur Eröffnung des ersten „Gold Embroidery and Jewelry Festival“ im Mai 2022, welches von nun an alle zwei Jahre stattfindet.

Die Goldschmiede von Buchara unterscheidet mehrere Arten von Goldstickereien: die feste Bestickung des Hintergrunds mit Gold („zarduzi-zaminduzi“), das Nähen nach einem Scherenschnittmuster („zarduzi-gulduzi“), eine kombinierte Nähtechnik, die die ersten beiden Arten miteinander verbindet („zarduzi-gulduzi-zaminduzi), das kombinierte Nähen („zarduzi-berishimduzi“) und eine Kombination von Goldstickerei mit aufgenähten Pailletten („zarduzi-pulyakchaduzi“).

Hauptteppich zur Eröffnung des ersten „Gold Embroidery and Jewelry Festival“ im Mai 2022
Hauptteppich zur Eröffnung des ersten „Gold Embroidery and Jewelry Festival“ im Mai 2022

Die Goldstickerei hat in den letzten Jahrzehnten wieder an Popularität zugenommen. Mit der diesjährigen Eröffnung des „Gold Embroidery and Jewelry Festival“ im Mai 2022 in Bukhara werden klare Ziele verfolgt.

Die Ziele des Festivals sind die Identifizierung talentierter Kunsthandwerker, die Beschleunigung der Entwicklung von Goldstickerei und Schmuck, die Anziehung von Touristen, die Organisation von Volksfesten, sowie Aufführungen von Folklore-Ensembles und Gruppen von Seiltänzern, Askiyachi und Komödianten, ferner Handwerkerkurse und Künstlergassen.

Ein weiteres Ziel des Festivals ist es, Schmuck und Kunst als nationale Marke auf die internationale Ebene zu bringen, Touristen durch die Demonstration der nationalen kulturellen Traditionen des usbekischen Volkes anzuziehen, als auch das Festival in der ganzen Welt bekannt zu machen und zu fördern.

Text und Fotos: Christian Grosse

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