Am 26. August 2022 besichtigte eine Gruppe von 12 kasachischen Unternehmern die hochmoderne Biogasanlage der Berliner Stadtreinigung im Ortsteil Ruhleben, die 2013 in Betrieb genommen wurde. Die Führung unternahm der Direktor der Anlage, Herr Wilhelm Winkelmann, es übersetzten Frau Galina Nurtasinowa, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Deutsch-Kasachischen Gesellschaft e. V., Berlin, und Dr. sc. nat. (habil.) Peter Enders, Honorarprofessor an der Kasachischen Nationalen Pädagogischen Abai-Universität in Almaty. Die kasachischen Teilnehmer interessierten sich für fast alle Aspekte, angefangen damit, welches Material verarbeitet wird, bis hin zu finanziellen und technischen Details; sie stellten viele Fragen bereits während der Einführung durch Direktor Winkelmann vor dem Rundgang.
Eine Unternehmerin möchte Biogas aus Kuhdung herstellen und fragte nach konkreter Zusammenarbeit für sie und ihre Geschäftspartner. Sie erhielt das Angebot, ihre Planungsunterlagen zu begutachten, wenn diese fertiggestellt sind (im Moment gibt es wohl noch gesetzliche Hindernisse für ihr Vorhaben, ist Biogas nur für die private Nutzung erlaubt, nicht jedoch für die industrielle).
In Deutschland gibt es etwa 9.500 Biogasanlagen, die zum großen Teil Mais, Rinder- oder Schweinegülle verarbeiten. Die Refinanzierung erfolgt meistens über das Erneuerbare-Energien Gesetz (EEG). Oft versorgen sie nahe gelegene Gewerbebetriebe oder Schwimmbäder mit Wärme und speisen Strom in das öffentliche Stromnetz ein; das gibt es auch in anderen Ländern.
Möglichkeiten der Zusammenarbeit ausloten
Anders als bei herkömmlichen Biogasanlagen werden in Berlin keine Energiepflanzen wie Mais oder Roggen benötigt; die viel gescholtene Konkurrenz zwischen Tank und Teller wird vermieden. Es findet eine aufwendige Aufbereitung des Gases statt, sodass es sogar ins öffentliche Erdgasnetz eingespeist werden kann und wird. Dank dessen lassen sich sehr viele Kunden erreichen, auch weiter entfernte. Die Unternehmerin lud Direktor Winkelmann nach Atyrau ein. Dieser antwortete, er käme gern, es komme jedoch darauf an, was für eine Anlage sie letztlich errichten wolle.
Seine Anlage wurde von der Strabag Umwelttechnik GmbH erbaut, die weltweit tätig ist. Sie selbst betreiben diese Anlage, sind jedoch kein Ingenieurbüro, das Planungsleistungen anbietet. „Was wir bzw. ich persönlich für Sie tun können“, ergänzte er, „ist, dass wir die Konzeptionierung begleiten und Ihnen eine zweite Meinung dazu geben: Ist das Konzept schlüssig, wurde an alles gedacht usw.“ Um eine solche Anlage effektiv zu betreiben, braucht es übrigens gut geschulte Mitarbeiter. Vielleicht gibt es auch hier Möglichkeiten der Zusammenarbeit?
Renditechancen für Privatinvestoren
Ein anderer Unternehmer fragte, ob es in dieser Branche Nischen für kleine und mittlere Unternehmen gäbe und welche Art der Abfallverarbeitung für diese besonders rentabel sei. Am rentabelsten sind Metall- und Kunststofftrennung, doch es bleibt dabei: Abfall ist Abfall nicht zuletzt deshalb, weil nicht viel Geld damit zu verdienen ist. Übrigens sprechen alle über Recycling, aber es gibt gar nicht so viel davon. PET oder Folien in reiner Form z. B. bringen etwas Geld. Aber das ist meistens Handarbeit. In Deutschland gibt es sehr viele Verbundmaterialien, die sich nur schlecht oder gar nicht trennen lassen und aus denen dann nur einfache Gegenstände hergestellt werden können, z. B. Kaffeebecher zum Mitnehmen, oder Ersatzbrennstoff.
Die Anlage hat 30 Mio. € gekostet, hinzu kamen 10 Mio. € für die Vorbereitung des Grundstückes (früher befand sich hier eine Panzerfabrik), Planungs- und Genehmigungskosten. Diese Investition refinanziert sich über die Abfallgebühren. Für private Investoren kann sich das ebenfalls rentieren, wenn die Technologie zum Bioabfall am Standort passt und der Gaspreis hoch ist, wie jetzt gerade. Diese Aussage bezieht sich insbesondere auf die Verwertung von Speiseresten.
Es kommt auf das Material an
Mit Abfall Geld zu verdienen ist nur dann möglich, wenn es eine staatliche Unterstützung in Form von Gebühren oder einen Entsorgungsauftrag gibt. Die hiesige Biogasanlage arbeitet kostendeckend, jedoch nicht gewinnorientiert. Es gibt in Deutschland privatwirtschaftliche Biogasanlagen nur für Speisereste. Diese Anlagen sind technisch einfacher, deshalb ist die Investitionssumme etwas geringer, und die Gasausbeute ist höher. Das ist vermutlich auch für Kasachstan interessanter. Dabei ist für Kasachstan vermutlich zu beachten, dass Anlagen wie die besuchte sich erst ab 40.000 Tonnen Bioabfall pro Jahr lohnen; entsprechend groß muss ihr Einzugsgebiet sein. Bei kleineren Mengen sind andere Techniken vorzuziehen.
„Ganz wichtig ist auch die genaue Kenntnis des Materials“, betonte Direktor Winkelmann. Welche Stoffe werden angeliefert, welche Stoffmischung geht in die Anlage? Für unterschiedliche Eingangsmaterialien benötigt man unterschiedliche Anlagen. Der Bioabfall aus der Stadtmitte ist flüssiger als derjenige aus den Randgebieten und Vororten, der mehr Gras enthält, und sei deshalb schlechter über Förderbänder zu transportieren. Ebenso wichtig ist der Energiegehalt des zu verarbeitenden Materials, wieviel Gas aus ihm entsteht. Das ist entscheidend dafür, ob sich eine Verwertung durch Fermentierung überhaupt lohnt, oder ob es nur für die Kompostierung taugt.
In Berlin kam die politische Zielstellung des Eigentümers Berlin hinzu. Sie bestand darin, so viel Kohlendioxid wie möglich zu vermeiden. Deshalb wird das erzeugte Gas nicht – wie oftmals üblich – einfach in einem Blockheizkraftwerk verbrannt.
Abfalltrennung aus Kostengründen, nicht Idealismus
In der Biogasanlage werden jährlich 75.000 Tonnen Bioabfall zu klimaneutralem Biogas vergärt. Der Bioabfall stammt aus Berliner Haushalten, die diesen in braunen Abfalltonnen sammeln. Seit einigen Jahren sind alle berliner Haushalte gesetzlich zur Abfalltrennung verpflichtet; außer der braunen Tonne für Küchen- und Gartenabfälle gibt es gelbe Säcke für Plastik- und Metallverpackungen, blaue Tonnen für Papier und Pappe sowie graue oder schwarze Tonnen für den übrigen Abfall, der in anderen Anlagen verwertet wird.
Außerdem gibt es extra Sammelbehälter für weißes, grünes und braunes Glas. Die Gebühr für die Biotonne ist geringer als für die Restmüll-Tonne, um die Berliner zur Abfalltrennung zu stimulieren. In Gesprächen mit Delegationen aus aller Welt erweist es sich immer wieder, dass die Bürger allein über die Kosten zur Abfalltrennung zu bewegen sind; nur ganz Wenige tun es aus Idealismus. Die Entsorgung der Verpackungen durch die gelben Säcke ist deshalb kostenlos, obwohl sie sehr teuer ist. Sie finanziert sich über einen geringen Aufpreis auf die Verpackung von Waren. In anderen Bundesländern ist das ähnlich, allerdings wird in ländlichen Gebieten der Bioabfall oft im eigenen Garten kompostiert.
CO2-Einsparungen durch Nutzung von Kompost
Das erzeugte Gas wird zum Betanken der 160 gasbetriebenen Müllfahrzeuge benutzt, das erspart jedes Jahr rund 2,5 Mio. Liter Diesel. Außerdem wird das Biogas wie gesagt in das öffentliche Gasnetz eingespeist, Gärreste werden zu Kompost und Flüssigdünger aufbereitet und an Gartenbau- und Landwirtschaftsbetriebe verkauft. Wird dagegen Bioabfall kompostiert, entfallen die Klimagutschriften für die Nutzung des gewonnenen Biogases. Trotzdem können gut betriebene Kompostanlagen fast klimaneutral betrieben werden, da die Nutzung von Kompost zu Klimagutschriften in Form von CO2-Einsparungen führt.
Insgesamt wird durch das Berliner Anlagenkonzept die Atmosphäre jährlich um 13.800 Tonnen Kohlendioxid entlastet, das entspricht 3.000 Mittelklasse-Pkw.
Ich danke der Berliner Stadtreinigung für die Möglichkeit der Besichtigung und Hn. Direktor Winkelmann für seine vorzüglichen Erklärungen der Anlage und Antworten auf die Fragen der kasachischen Unternehmer sowie hilfreiche Ergänzungen zum Text.