Kasachstan gilt traditionell als ein teetrinkendes Land. Trotzdem wird das Lager der Kaffeetrinker immer größer: Der Import von Kaffee hat sich in den letzten zehn Jahren von 411 auf 1.560 Tonnen erhöht, während der Import von Tee bei den gleichen 29.000 Tonnen geblieben ist. Experten sind davon überzeugt, dass Tee und Kaffee auf dem kasachischen Markt eine Symbiose darstellen und keine entgegensetzten Spieler sind. Unsere Autorin und unser Redakteur vertreten zwei Blöcke und präsentieren ihre Karrieren als Tee- und Kaffeegenießer.

Aizere: Als ich Schülerin war, wollte ich Barista werden. Damals kam Starbucks erst auf unseren Markt, suchte nach Mitarbeitern, und alle Jugendlichen wollten sich in einem neuen modernen Beruf versuchen. Ein paar Jahre später geriet mein Traum in Vergessenheit, weil ich eigentlich keinen Kaffee trank und mir noch weniger vorstellen konnte, ihn jeden Tag für andere Leute zu kochen.

Während meines Austauschsemesters in Deutschland fand ich am Kaffee Geschmack. Deutsche sind echte Kaffee-Genießer. Meine Mitbewohnerin hatte eine kleine Kaffeemaschine und trank jeden Morgen Kaffee, statt zu frühstücken. Schnell habe ich mich daran gewöhnt. Kaffee gibt Energie, weckt einen auf, wenn man um 6 Uhr morgens am Bahnhof stehen muss, und hilft dabei, wachzubleiben, wenn es in einer langen Vorlesung gerade einmal nicht so spannend zugeht. Außerdem ist es auch ein guter Anlass, neue Menschen kennenzulernen.

„Ganz ohne Tee kann ich nicht“

Am ersten Tag meines Praktikums bei der DAZ hat mich Christoph Strauch, der ifa-Redakteur, gefragt, ob ich Kaffee trinke. So bin ich seine Verbündete im Lager der Kaffeetrinker gegen den teetrinkenden Rest der Redaktion geworden. Aber eigentlich bin ich ein Doppelagent: Nach einer Tasse Kaffee von Christoph brühe ich mir eine kleine Teekanne und gehe zur russischen Redaktion, um mit ihnen Imbiss dazu zu nehmen. Ganz ohne Tee kann ich nicht.

Den kasachischen Spruch „al endı özımız şäi ışeiık“ („Wollen wir nun selbst Tee trinken!“) sollte jede Person, die die kasachische Kultur besser verstehen möchte, kennen. In der Regel sagt man das nach einem Toi – einer Familienfeierlichkeit –, wenn man spät nach Hause kommt, und vor dem Schlafengehen noch etwas häuslichen Tee trinken möchte. Jede Familie hat eigene Tee-Rituale: Man trinkt Tee ganz heiß oder mit Wasser verdünnt, mit oder ohne Milch, aus Tassen oder aus Pialas, die ganz voll oder fast leer gefüllt sein müssen. Meine Mutter brüht immer frischen schwarzen Tee auf und gießt ihn nach dem Ziehen-lassen zwei Mal in ihre Piala hin und zurück in die Teekanne, um den Tee „mit Sauerstoff zu sättigen“.

„Manchmal gebe ich vor, eine echte Kaffee-Expertin zu sein“

Wenn Kasachen zum Tee einladen, sollte man eine eigenständige Mahlzeit erwarten und hungrig kommen. Jedes Mal, wenn meine Mutter Tee möchte, stellt sie den ganzen Kühlschrankinhalt auf den Tisch heraus. Unbedingt dabei: Butter und Käse, Kerne und Nüsse, Brot und Kekse, Marmelade, Zucker und Schokolade. Manchmal auch Quark und Sahne dazu – wie kann man sonst überhaupt Kekse essen?

Wenn ich mir einen Kaffee zum Mitnehmen hole, mag ich es, ein bißchen zu schauspielern und dem Barista Fragen zu stellen, als sei ich eine echte Kaffee-Expertin. In meinem Freundeskreis mögen wir es, neue Cafés zu entdecken. Oft bestellen wir Kaffee, sitzen mit Laptops herum, und betreiben so genanntes „Caféworking“. In den Pausen diskutieren wir, ob der Kaffee geschmeckt hat und wo es den besten Kaffee gibt. Heimlich sehne ich mich aber nach der Frische eines Tees.

„Wenn Kasachen zum Tee einladen, sollte man eine eiganständige Mahlzeit erwarten und hungrig kommen.“

Christoph: Den ersten Kaffee-Exzessen gab ich mich als Jugendlicher bei uns im Familienkreis hin. Gemäß bekannter Stereotype über Deutsche hatten meine Großeltern einen gnadenlos durchgetakteten Tagesrhythmus, dem sich auch zeitlich alles andere unterzuordnen hatte. Kaffee getrunken wurde immer um 14:30 Uhr. Oma servierte dann Kuchen und einen Trunk, der so schwarz war wie die Nacht, und große Mengen an Kaffeesahne absorbierte, ehe der Farbton sich aufhellte. Kalte Schweißausbrüche und zitternde Hände waren die Regel nach zwei Tassen. Oma selbst war schon an die Stärke gewohnt und schüttelte sich lediglich kurz nach dem letzten Schluck, gefolgt von einem Spruch wie: „Das ist ja Gift.“

Die halbe Welt verbindet mit Deutschland vor allem eins: Bier trinken. Das ist sicherlich nicht ganz an den Haaren herbeigezogen – dennoch sind ausländische Gäste immer wieder überrascht, zu erfahren, dass eigentlich Kaffee der Deutschen Lieblingstrunk ist, und nicht Bier. Laut dem Deutschen Kaffeeverband (ja, es gibt in Deutschland für alles Vereine und Verbände) trinken die Bundesbürger pro Jahr durchschnittlich 162 Liter Kaffee – fast einen halben Liter pro Tag.

Stylishe Frappuccinos und Kaffee aus Meißner Porzellan

Die Art und Weise, Kaffee zu genießen und zuzubereiten, unterscheidet sich jedoch stark und spiegelt sich bei uns auch die Generationsunterschiede wider. Natürlich gibt es in jeder Stadt angesagte Ketten à la Starbucks, die bei der hippen Jugend ebenso beliebt sind wie bei Start-up-Angestellten, die bei der Arbeit mit dem Laptop in atmosphärischer Umgebung stylishe Frappuccinos schlürfen. Nicht weit entfernt findet man aber oft auch schicke traditionelle Kaffeehäuser im Jugendstil, in denen sich tendenziell eher ältere Gäste an ihrem Kaffee oder Cappuccino laben.

Viele moderne Haushalte haben heute zudem filigran designte Kaffeemaschinen, in die man Kapseln mit gefühlt Hunderten von exotischen Geschmacksrichtungen einsetzen kann. Bei meinen Großeltern dagegen wird noch mit der Hand gemahlen und der Kaffee anschließend in Tassen aus Meißner Porzellan kredenzt.

Kaffee oder Tee? Hauptsache man sitzt beisammen!

In Kasachstan erlebe ich die Dinge natürlich anders als in Deutschland. Offenbar ist man hier Tee eher zugeneigt. Auch auf Arbeit habe ich wenig Kaffee-Verbündete, mit denen ich mich gegen die Tea-Party-Bewegung behaupten könnte. In Deutschland hat der Kaffeeverband vor zwei Jahren erhoben, dass sich in 97 Prozent der Betriebe Mitarbeiter einen Kaffee am Arbeitsplatz holen können. 57 Prozent der Arbeitsstätten böten ihren Mitarbeitern Kaffee zudem kostenfrei an.

Bei uns musste ich mich dagegen in der ersten Arbeitswoche erst einmal auf die Suche nach einer behelfsmäßigen French Press machen – gemeinsam mit den beiden ersten Praktikanten, die ebenfalls aus Deutschland kamen und natürlich auch ihre tägliche Dosis brauchten. Das heißt aber nicht, dass die Redaktion nicht auf das Wohl ihrer Mitarbeiter bedacht sei: Der Teeschrank ist stets gefüllt – und nicht selten sitzt man in der Mittagspause einträchtig bei seinem bevorzugten Heißgetränk zusammen. Egal ob das nun Kaffee ist oder Tee.

„ausländische Gäste sind immer wieder überrascht, zu erfahren, dass eigentlich Kaffee der Deutschen Lieblingstrunk ist, und nicht Bier.“

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