Schwarze Wände, schummriges Licht, schlichte Einrichtung, günstige Preise: Das ist das Konzept der sogenannten Killfish-Bars. Ende 2012, als ich in St. Petersburg studierte, ging ich gelegentlich mit meinen Kommilitonen dorthin. Schon seinerzeit gab es dort ein Rabattsystem mitsamt Clubkarte, welches ich nie wirklich verstanden habe. Jedenfalls habe ich nie das bezahlt, was in der Getränkekarte stand. Aber das war egal, die Getränke waren trotzdem sehr günstig.

Neben Studenten waren die anderen Gäste häufig viel zu junge Jugendliche. An der Eingangstüre hingen Warnschilder. Das Mitbringen von Schusswaffen war verboten, es gab Face-Control und Dresscode. Zwei wirklich grimmig dreinblickende und furchtbar stämmige Typen setzten an der Türe das Hausrecht durch. Tatsächlich wohl nur eine Maßnahme, um die wirklich allerschlimmsten Fälle auszusortieren.

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Auf meinen Reisen durch das riesige Russland bin ich in den folgenden Jahren immer wieder auf die Killfish-Bar gestoßen. Ob im arktischen Murmansk, im kaukasischen Wladikawkas oder im fernöstlichen Chabarowsk: Killfish wuchs zu einer Kette heran, deren Ableger an jeder noch so fernen Ecke des Landes aus dem Boden sprossen. Obwohl ich auch immer mal wieder dort einkehrte, interessierte ich mich aber sonst nicht weiter für das Unternehmen – bis mir vor Kurzem auf meiner Facebook-Timeline eine Werbeanzeige der Killfish-Bar in Almaty entgegensprang.

Zu den Hochzeiten gab es 58 Killfish-Bars in 38 Städten Russlands, Belarus` und Kasachstans. Heute werden auf der offiziellen Homepage immerhin noch ganze 25 Bars gelistet, davon eine in Almaty, wo es vor einigen Jahren sogar mal zwei waren. Auch in Astana gab es eine. Was ist passiert?

Die erste Killfish-Bar wurde Ende 2009 von den beiden Russen Dimitri Jewsejew und Dimitri Kostjachin in Sankt Petersburg eröffnet. Nach nur etwas mehr als einem Jahr waren es derer bereits acht. Es ging steil nach oben, das Geschäftsprinzip war radikal. Die Bars eröffneten außerhalb der Zentren, an Orten, an denen die Raummieten um ein Vielfaches geringer waren. Ebenso setzte man bei der Innenausstattung nur auf das Nötigste. Für das Publikum sollten die günstigen Preise und das beim besten Willen nicht nachvollziehbare Rabattsystem sorgen. Gäste konnten gegen Getränkerabatte ihre Freunde anwerben, diese wiederum weitere Personen. Ein klassisches Schneeballsystem. Brachte auch das keine Gäste in eine jeweilige Bar, war man nicht pingelig, Standorte direkt wieder aufzugeben, in manchen Fällen noch im selben Monat der Eröffnung.

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Hinzu kam, dass das Unternehmen, welches sich zwischenzeitlich zur größten Kneipenkette Russlands gemausert hatte, mit dem Gesetz in Konflikt geriet. Eine Reihe von Vorwürfen und Rechtsverstößen kamen zusammen. Dabei spielte die Monopolstellung ebenso eine Rolle wie der mangelnde Datenschutz bei Kundendaten, unlautere Werbemaßnahmen oder auch das ominöse, undurchsichtige Preissystem. All das scheint dem Betreiberunternehmen wohl ziemlich zugesetzt zu haben. Anders wäre die große Reduzierung an Standorten kaum zu erklären.

Aber die Killfish-Bar existiert noch. Ich stehe an der Ecke Tole Bi/Rosybakijewa in einer großen, dunkelgrauen Plattenbausiedlung. Das grelle Licht der Bar strahlt in die dunkle Nacht. Ich öffne die massive Stahltüre, sehe die Warnhinweise: Face-Control, Dress-Code! Aber es sind keine grimmigen Türsteher da. Auch sonst ist nicht viel los. Ich sehe ein paar langhaarige, schwarz gekleidete Rocker-Grufties in einer dunklen Ecke. Ich bestelle ein Bier. Was es kostet und warum, verstehe ich noch immer nicht. Ich setze mich an einen Tisch und blicke um mich. Hier ist alles exakt genauso wie damals in Petersburg. Es ist alles beim Alten geblieben.

Philipp Dippl

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