Am 28. November wählt Kirgisistan ein neues Parlament – erstmals seit der Wiedereinführung des präsidentiellen Systems im Land. Der Wahlkampf hat offiziell bereits am 29. Oktober begonnen. Wir geben einen kleinen Überblick über die Lage im Vorfeld der Wahlen.

Was ist die Ausgangslage?

Im April 2021 konnte sich Präsident Sadyr Schaparow mit seinem Projekt einer Verfassungsänderung durchsetzen. Diese zementiert den Umbau Kirgisistans von einem parlamentarischen zu einem präsidentiellen System. Dazu gehört nicht nur, dass das Staatsoberhaupt künftig nach einer Legislaturperiode wiedergewählt werden kann und der Regierungschef sich dem Staatschef unterordnet. Auch eine Reduzierung des Parlaments – Schogorku Kenesch – und seines Einflusses sind Teil der neuen Bestimmungen.

Während bei den letzten Wahlen noch 120 Sitze zu vergeben waren, sind es nun nur noch 90. Dabei kommt ein gemischtes Wahlsystem zur Anwendung: 54 der Sitze werden über Parteilisten in den jeweiligen Wahlbezirken vergeben, wobei eine Drei-Prozent-Hürde gilt. Um die übrigen 36 Sitze ringen Einzelkandidaten nach dem Mehrheitswahlrecht. Die Wähler in Kirgisistan wählen das erste Mal ein neues Parlament, seit die mutmaßlichen gefälschten und kurze Zeit später annulierten Wahlen im Oktober 2020 zum Sturz des damaligen Präsidenten Sooronbai Scheenbekow führten.

Wer tritt an?

Um die 54 Listenmandate konkurrieren 1046 Kandidaten von insgesamt 21 Parteien. Für die Einzelwahlkreise haben 335 Kandidaten alle erforderlichen Dokumente eingereicht. Wie schon bei vorangegangenen Wahlen hat es auch diesmal eine Reihe von Parteineugründungen seit den letzten Wahlen gegeben, während ehemals tonangebende Parteien nicht mehr antreten. Letzteres betrifft etwa die „Sieger“ der annulierten Wahlen vom Oktober 2020 – die damals Scheenbekow-nahe Birimdik und die Partei Mekenim Kirgisistan des chronisch unter Korruptionsverdacht stehenden Geschäftsmannes Rajimbek Matraimow. Von den „alten Bekannten“ wieder mit dabei sind die nationalistisch angehauchte Partei Butun Kirgisistan und die sozialistische Ata-Meken.

Zu den Neugründungen mit Aussicht auf Erfolg zählen unter anderem Ischenim und Yntymak. Beide gelten Medienberichten zufolge als Sympathisanten von Präsident Schaparow und seinem wichtigsten Verbündeten Kamtschybek Taschiew, Chef des nationalen Sicherheitsrates. Das Gleiche gilt für Ata-Schurt Kirgisistan, eine Art Nachfolgerin der Partei, die Schaparow und Taschiew in den 2000er-Jahren gründeten. Taschiews Sohn Tai-Muras etwa trat im April für Ata-Schurt Kirgisistan bei den Stadtratswahlen in Dschalal-Abad an. Ein weiterer Newcomer, der dem Duo tendenziell positiv gegenübersteht, ist El Umutu. Die Partei hat vor allem sehr junge Mitglieder und definiert sich als Antikorruptionspartei.

Die mangelnde Stabilität des kirgisischen Parteiensystems ist auch Thema eines aktuellen Berichts der Wahlbeobachtungsmission, die die OSZE kürzlich eingerichtet hat. Darin heißt es, dass bereits vor Oktober 2020 traditionelle Parteien ihren Einfluss zugunsten von neuen Kräften eingebüßt hätten. „Das hat zur weiteren Fragmentierung einer überwiegend persönlichkeitsorientierten Landschaft geführt.“

Wie läuft die Wahlkampagne aktuell?

In dem OSZE-Bericht heißt es weiter, dass die bisherige Wahlkampagne schleppend angelaufen sei. Werbetafeln und Wahlplakate würden nur allmählich hochgezogen, der Hauptteil der Wahlkampfaktivitäten finde in den sozialen Medien statt. Das verwundert nicht, wenn man bedenkt, dass Kirgisistan seit Oktober 2020 bereits vier Wahlen und zwei Referenden erlebt hat. Auch in der Bevölkerung hat sich eine gewisse Wahlmüdigkeit schon bei der Präsidentenwahl und dem Verfassungsreferendum gezeigt. Die Wahlbeteiligung betrug jeweils unter 40 Prozent. Angesichts dessen sprechen Beobachter von einer mangelnden Bereitschaft der Parteien, größere Summen in den Wahlkampf zu investieren.

Für Aufsehen sorgte die Zentrale Wahlkommission, als sie vor einer Woche erste Zahlen zu Einnahmen und Ausgaben der Parteien im Wahlkampf veröffentlichte. Diese zeigen, dass unter den fünf Schwergewichten jene vier Parteien auftauchen, die mehr oder weniger offene Sympathien für Präsident Schaparow und seinen Kurs hegen. Ausgerechnet die Antikorruptionspartei El Umutu sah sich zudem kürzlich mit Vorwürfen konfrontiert, Geld von Oligarch Matraimow anzunehmen. Hintergrund ist ein Interview von Parteichef Bolot Ibrahimow vom März, in welchem er den ehemaligen Zollbeamten nach dessen Verhaftung verteidigt.

Sind faire Wahlen zu erwarten?

Präsident Schaparow hat im Vorfeld der Wahlkampagne große Versprechen abgegeben. „Ab sofort werden alle Wahlen sauber sein“, verkündete er Mitte Oktober auf einer erweiterten Regierungssitzung. „Dafür werde ich alles mir Mögliche tun.“ Zudem kündigte er an, den Einsatz administrativer Ressourcen zu Wahlkampfzwecken zu unterbinden, und drohte Staatsdienern mit Entlassung und harten Strafen, sollten diese für irgendeine Partei oder einen Kandidaten Wahlkampf betreiben.

Gegen einen sauberen Ablauf des Wahlabends spricht allerdings schon, dass unabhängige Beobachter zum Teil nicht zugelassen sind, um den Auszählungsprozess am 28. November zu begleiten. Explizit betroffen ist hiervon die unabhängige Nachrichtenseite kloop.kg, die gegen die entsprechende Entscheidung der Zentralen Wahlkommission Beschwerde eingelegt hat. Laut eigenen Angaben haben Anhänger der Beobachtungskampagne des Mediums allein bei den Stadtratswahlen im April 800 Verstöße festgestellt und 192 Beschwerden bei den Wahlkommissionen eingereicht.

Die OSZE hat, wie bereits erwähnt, für die Wahlen im November eine eigene Wahlbeobachtungsmission gestartet. Sie kam damit einer Einladung der staatlichen Behörden nach.

cstr.

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