Kasachstan wünscht sich eine Vereinfachung der Visavergabe für seine Bürger durch die Schengen-Staaten. Außerdem ist man in Astana besorgt über mögliche wirtschaftliche Folgen neuer Russland-Sanktionen durch die EU. Über diese und weitere Themen besprach sich Kasachstans Außenminister in dieser Woche mit mehreren ranghohen EU-Vertretern.

Kasachstans stellvertretender Premierminister und Außenminister Murat Nurtleu hat diese Woche seinen ersten offiziellen Besuch in Brüssel seit Übernahme des neuen Regierungsamtes absolviert. Am Montag traf Nurtleu den Hohen Beauftragten der Europäischen Union für Außen- und Sicherheitspolitik Josep Borrell. Die Themen auf der Tagesordnung: hochaktuell. So diskutierten die beiden Politiker Maßnahmen, „um die möglichen negativen Folgen europäischer Sanktionsregime für die kasachische Wirtschaft auszugleichen“.

Das kasachische Außenministerium bestätigte am Dienstag auf seiner Seite, dass Murat Nurtleu eine Arbeitsreise nach Brüssel unternommen habe. Der Besuch fand wenige Tage, nachdem westliche Medien über mögliche Folgen des geplanten neuen EU-Sanktionspakets gegen Russland für Kasachstan berichtet hatten, statt. Das kasachische Außenministerium ging auf den Aspekt nicht näher ein, allerdings hob EU-Vertreter Borrell in einem Twitter-Post hervor, dass es unter anderem um die Sanktionsfolgen für Kasachstan ging. Außerdem, so Borrell, hätten Konnektivität, Energie, kritische Rohstoffe und zivilgesellschaftliche Kontakte auf der Tagesordnung gestanden.

Lob für Reformen in Kasachstan

Laut dem kasachischen Außenministerium informierte Nurtleu Borrell über den Stand der politischen und wirtschaftlichen-sozialen Reformen in Kasachstan. Der wiederum fand lobende Worte: „Wir verfolgen aufmerksam die Modernisierung Ihres Landes und unterstützen die groß angelegten politischen Reformen von Präsident Tokajew, die auf den Aufbau eines gerechten Kasachstans abzielen“, so Borrell. „In diesem Jahr feiern die Europäische Union und Kasachstan den 30. Jahrestag ihrer diplomatischen Beziehungen, und in dieser Zeit haben wir eine solide Grundlage für die Partnerschaft gelegt.“

Anschließend traf Nurtleu Simon Mordue, den Chefberater von EU-Ratspräsident Charles Michel für Außenpolitik. Bei dem Gespräch verwies Nurtleu auf Michels Besuch in Astana im Oktober 2022. Außerdem lobte er dessen erstes Treffen mit den Staats- und Regierungschefs zentralasiatischer Länder als Erfolg. Deshalb solle es ein zweites Treffen in diesem in naher Zukunft geben, um die Vertiefung der interregionalen Zusammenarbeit zwischen Zentralasien und der EU voranzubringen.

EU für Kasachstan wichtigster Handelspartner

Eine symbolische Geste tat Nurtleu schließlich, als er seinen Gesprächspartnern hohe staatliche Auszeichnungen überreichte – nämlich die Dostyk-Orden ersten bzw. zweiten Grades. Damit, so Nurtleu, würdige sein Land die beiden Politiker für ihren bedeutenden Beitrag zur Stärkung und Entwicklung der Zusammenarbeit zwischen Kasachstan und der EU.

Wie die DAZ zuletzt regelmäßig berichtete, ist Kasachstan infolge von Russlands Ukraine-Invasion, der westlichen Sanktionen und der allgemeinen wirtschaftlichen Folgen für die Welt aktuell ein viel gefragter Partner – nicht zuletzt wegen seines Rohstoffreichtums. Neben China sind auch die EU und Amerika bestrebt, ihre Beziehungen zu Astana auszubauen. Aktuell ist die Europäische Union sogar der wichtigste Handels- und Investitionspartner Kasachstans. Auf die EU entfallen mehr als 30 Prozent des Außenhandels und der Auslandsinvestitionen Kasachstans. Das Land mit dem größten Volumen an ausländischen Direktinvestitionen in Kasachstan ist mit den Niederlanden ein EU-Land. Auch Belgien, Frankreich und Deutschland schaffen es in dieser Kategorie in die Top Ten.

Ende 2022 betrug der Handelsumsatz zwischen der EU und Kasachstan 39,9 Milliarden US-Dollar und lag damit 38 Prozent über dem Vorjahr. Die Exporte beliefen sich auf 32,3 Milliarden US-Dollar, die Importe auf 7,6 Milliarden US-Dollar. Gleichzeitig stieg das Investitionsvolumen europäischer Unternehmen in Kasachstan im Jahr 2022 um 23 Prozent und erreichte 12,5 Milliarden US-Dollar.

Kasachstans Bemühungen im Kampf gegen illegale Migration

Nicht weniger bedeutsam sind in den beiderseitigen Beziehungen indes auch Begegnungen von Menschen aus der Zivilgesellschaft sowie akademischer und schulischer Austausch, Zusammenarbeit im Kultur- und Sprachbereich. Um hier noch mehr Fortschritte zu erzielen, pocht die kasachische Seite darauf, dass auch die Europäer mehr Zugeständnisse in Hinblick auf Visafreiheit machen – ähnlich denen, die Kasachstan bereits EU-Bürgern einräumt.

Das Thema Visafreiheit war demnach auch auf dem Tisch, als Außenminister Nurtleu Brüssel besuchte; er sprach es bei seinem Treffen mit der EU-Kommissarin für Innere Angelegenheiten Ilva Johansson an. „Herr Nurtleu informierte den Gesprächspartner ausführlich über die Visumpolitik Kasachstans, das hohe Humankapital unserer Bürger und das Fehlen von Migrationsrisiken für die Europäische Union seitens der Republik Kasachstan“, heißt es auf der Seite des kasachischen Außenministeriums zum Ablauf des Treffens. Zudem sei es um die von Kasachstan ergriffenen Maßnahmen zum Kampf gegen illegale Migration gegangen.

Dialog zu Visaerleichterungen gestartet

Die Ausführungen Nurtleus muss man auch vor dem Hintergrund sehen, dass vor einigen Monaten Medienberichten über angebliche Erschwerungen für kasachische Bürger bei der Visumsvergabe für Aufregung und Unsicherheit sorgten. Die EU-Seite beschwichtigte allerdings schnell und erläuterte, dass lediglich auf Bitten eines Mitgliedsstaates des Schengen-Raums zusätzliche Konsultationen möglich seien, die im Einzelfall den Vergabeprozess um kurze Zeit verlängern könnten.

EU-Kommissarin Johansson zeigte sich demgegenüber offen für Gespräche über die von der kasachischen Seite geäußerten Wünsche. „Exzellentes Treffen heute mit dem stellvertretenden Premierminister Kasachstans Murat Nurtleu“, postete die EU-Vertreterin, ebenfalls auf Twitter. „Kasachstan ist ein zuverlässiger Partner der EU. Wir haben uns heute auf einen Dialog geeinigt, um die Prozesse zur Beantragung von Visa für kasachische Staatsbürger zu erleichtern.“

Nurtleu sprach der Kommissarin seinen Dank aus. Die Vereinfachung des Visa-Regimes für Kasachstaner komme nicht nur ihnen selbst entgegen, sondern verleihe auch der Zusammenarbeit zwischen beiden Seiten neue Impulse.

cstr.

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