Gastbeitrag des Präsidenten der Deutsch-Kasachischen Universität, Prof. Dr. Wolrad Rommel

Liebe Leserinnen und Leser,

die Redaktion der DAZ hat mich gebeten, dass ich als Präsident der Deutsch-Kasachischen Universität regelmäßig zur Feder greife, um aktuelle Themen anzusprechen, die für uns alle von Bedeutung sind. Das mache ich gerne als Brückenbauer zwischen Deutschland und Kasachstan – oder sagen wir besser zwischen Europa und Zentralasien: So versteht sich die DKU.

Europa braucht Kasachstan, und Kasachstan braucht Europa. Das ist nicht einfach, weil gerade am Weltganzen an vielen Ecken gleichzeitig gezogen wird. Corona, Klimawandel, Krieg, Islamismus, die globale Wirtschaft, sozialen Frage und Migration: Alles zieht in die unterschiedlichsten Richtungen. Es ist keine klare Richtung sichtbar, die sich daraus ergibt. Wir leben in einer sich dynamisch verändernden Welt.

An der Deutsch-Kasachischen Universität bilden wir inmitten dieser Dynamik junge Menschen aus. Für sie hat die Zukunft schon längst begonnen. Sie lernen in dieser Welt, so wie sie ist, ihr Leben mutig und eigenständig in die Hand zu nehmen und zu gestalten. Darauf möchte ich Ihren Blick mit meinen Beiträgen richten. Ich möchte ansprechen, was jungen Menschen in Kasachstan und uns allen Möglichkeiten eröffnet und ihnen und uns eine positive Perspektive und Orientierung gibt. Hierbei werde ich Sie an der „Wissenswerkstatt“ unserer Universität teilnehmen lassen. Als Wissenschaftler wollen wir in der Welt nicht nur erforschen und entdecken, was in ihr passiert, sondern auch wie wir in ihr handeln können.

Folgen des Klimawandels werden immer deutlicher sichtbar

Wir haben uns weltweit in ein neues Zeitalter der nachhaltigen Entwicklung begeben. Auch Kasachstan hat sich der Klimaneutralität bis 2060 verpflichtet. Das ist ein ambitioniertes Ziel angesichts der gewaltigen Vorhaben, die damit verbunden sind. Das beginnt sowohl im Kleinen als auch im Großen. Die Medien zeigen uns immer wieder Bilder, die den Klimawandel sichtbar machen. Hitze, Dürre, Wassermangel oder etwa Überschwemmungen. Das alles deutet darauf hin, was auf uns zukommt, wenn wir nicht lernen, die globale Erwärmung zu stoppen. Der Weg in die Nachhaltigkeit wird uns vermittelt als Verzicht auf lieb gewonnene Gewohnheiten oder Konsum. Das ist kurzfristig gedacht und berücksichtigt nicht die wirtschaftlichen und sozialen Chancen, die mit einer nachhaltigen Entwicklung verbunden sind. Der Markt für grüne Produkte und Technologien ist ein schnell wachsender Markt. Man sollte diesen Trend nicht verschlafen.

Doch der eigentliche Weg der Nachhaltigkeit liegt jenseits von Klimawandel, Raubbau an Ressourcen und Verzicht. Das Umdenken in Richtung Nachhaltigkeit hat neue Technologien hervorgebracht. Sie werden der Motor der Entwicklung in Gesellschaft und Wirtschaft sein. Wir sind auf dem Weg in das Zeitalter des Wasserstoffs. Energie werden wir zukünftig aus Wasserstoff gewinnen. Das ist das Öl der Zukunft.

Anders als bei Öl oder Gas wird Wasserstoff für uns Menschen eine unerschöpfliche und umweltfreundliche Energiequelle sein: Wasserstoff ist das am häufigsten vorzufindende Element auf unserer Erde. Wir können mit Wasserstoff umweltfreundlichen Strom erzeugen. Wir finden das Element in gebundener Form und unerschöpflicher Menge insbesondere im Wasser vor. Wenn Wasserstoff in einer Brennstoffzelle mit dem Sauerstoff aus der Luft reagiert und Strom erzeugt, dann entsteht dabei reines Wasser. Noch ist nicht alles für die vollständig umweltfreundliche Stromgewinnung aus Wasserstoff technisch ausgereift. Das wird sich in den nächsten Jahren ändern. Die Produktionskosten für die Gewinnung von grünem Wasserstoff werden erheblich sinken und damit die Preise.

Große Dinge beginnen im Kleinen

Der Weg in das Zeitalter des Wasserstoffs ist allerdings ein Projekt von vielen Generationen. Es wird eine Welt entstehen, in der Energie keine knappe Ressource mehr ist, sondern für beliebige Zwecke uns in jeder Menge frei zur Verfügung steht. Das werden wir, die wir jetzt leben, allerdings nicht mehr erleben können.

Das Erreichen einer nachhaltigen Entwicklung in Gesellschaft und Wirtschaft erscheint aus dieser Perspektive als ein kleinerer Zwischenschritt. Doch große Dinge beginnen im Kleinen. Daran muss ich immer denken, wenn ich auf unserem Innenhof unsere großen Müllcontainer betrachte, wo alles achtlos durcheinander hineingeworfen wird. Noch denken und handeln wir nicht in Kreisläufen. Wir haben kaum im Sinn, was nochmals gebraucht werden kann und wie viel an Schadstoffen unsere bunten Konsumgüter produzieren. Auf unserem Weg in das Zeitalter des Wasserstoffs gehört als erstes einmal das Erlernen von Denken und Handeln in Kreisläufen dazu, woran mich mein Blick auf die Mülltonnen erinnert. Das ist einfach gesagt, wenn man aus einer Welt voller Überfluss kommt. Man muss aber auch nicht die Fehler wiederholen, die andere gemacht haben. Wer Fehler vermeidet, ist schneller und besser als die anderen. Kasachstan hat das Potenzial dazu. Das zeigt die Entwicklung der letzten 30 Jahre.

Wolrad Rommel

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