Immer wieder werden in Kasachstan Frauen Opfer von schwerer häuslicher Gewalt. Ein besonders aufsehenerregender Prozess erschüttert aktuell das Land. Die Resonanz reicht bis in die deutsche Hauptstadt.

Im Zentrum Berlins haben am Wochenende mehrere Dutzend Menschen gegen häusliche Gewalt in Kasachstan protestiert. Die Protestierenden, die sich am Bahnhof Potsdamer Platz versammelten, hielten Transparente nach oben, auf denen unter anderem härtere Strafen für die Täter und mehr Rechte für Frauen gefordert wurden. Auf Russisch, Englisch und Deutsch hieß es unter anderem: „Wir brauchen keine Blumen, sondern Sicherheit“, „Der Platz der Frau ist dort, wo sie will“ oder „Echte Liebe tut nicht weh“.

Der Protest ging dabei nicht von größeren bekannten NGOs aus, sondern von einzelnen Privatpersonen. Auch männliche Teilnehmer waren unter den Protestierenden. „Meine Idee, eine friedliche Streikdemonstration zur Unterstützung der Frauenrechte in Kasachstan zu organisieren, wurde von vielen in Berlin lebenden Kasachstanern angenommen“, kommentierte die Organisatorin Symbat Serikowa gegenüber der DAZ. Auch mit der deutschen Polizei habe es demnach keine Probleme gegeben: „Ich habe die Behörden im Voraus darüber informiert. Dadurch war es recht einfach, sich sowohl auf den Zeitpunkt als auch auf den Ort der Aktion zu einigen.“

Prozess gegen Ex-Wirtschaftsminister rüttelt das Land auf

Die Aktion geschah insbesondere vor dem Hintergrund des Prozesses gegen Kasachstans ehemaligen Wirtschaftsminister Kuandyk Bischimbajew. Die Anklage wirft ihm vor, im vergangenen Jahr seine Ehefrau Saltanat Nukenowa mit besonderer Brutalität in der VIP-Kabine eines Restaurants ermordet zu haben. Bischimbajew selbst verneint seine Schuld und erklärte vor Gericht, seine Frau sei nach erheblichem Alkoholkonsum im Streit gestürzt.

Videoaufnahmen, die vergangene Woche im Gericht ausgewertet wurden, belasten den Ex-Politiker jedoch schwer. Darauf ist unter anderem zu sehen, wie Bischimbajew auf seine Frau eintritt. Außerdem wurde bekannt, dass er statt eines Krankenwagens eine Wahrsagerin rief, als das Opfer das Bewusstsein verlor, und dass er einen Verwandten bat, belastendes Videomaterial zu löschen.

Initiativen versuchen, auf Probleme aufmerksam zu machen

„Wie viele meiner Landsleute habe ich in den letzten Tagen den Prozess um den Mord an Saltanat Nukenova aktiv verfolgt“, sagte Demo-Organisatorin Serikowa. „Die schockierenden Details dieses Falles und das Ausmaß des Problems der häuslichen Gewalt in unserem Land erlauben es mir nicht, unbeteiligt zu bleiben.“

Das laufende Verfahren sorgt in Kasachstan für großes öffentliches Interesse. Immer wieder kommt es zu Fällen häuslicher Gewalt, die nicht geahndet werden. Im Sinne des Konzepts von „Ujat“ (kasachisch für „Scham“) findet vielmehr oft eine Täter-Opfer-Umkehr statt und Frauen werden von anderen Mitgliedern der Gesellschaft für das Scheitern von Ehen verantwortlich gemacht. Mit feministischen Aktionen und Protesten – v. a. rund um den Internationalen Frauentag am 8. März – versuchen feministische Initiativen seit Jahren, auf die Missstände im Land aufmerksam zu machen.

DAZ

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