Viktor will mir nicht nur Russisch beibringen, sondern auch, wie man Tee kocht. Aber wenn man das eine kann, heißt es noch lange nicht, dass man das andere auch gut kann. Im Russischunterrichten ist Viktor gut.

Damit uns das Russische nicht im Hals stecken bleibt, sondern flüssig aus der Kehle sprudelt, frage ich Viktor, was er trinken will. Das Angebot ist reichhaltig, außer Kaffee, Wasser, Saft, Wein, Bier, sonstigen Alkoholika und Milch habe ich auch noch zwei Sorten Tee in petto, Pfefferminze und Kräutertee. Ob ich auch Tee habe, fragt Viktor. Beschämt, dass ich nach zwei Jahren Russland noch immer nicht weiß, dass Russen gern schwarzen Tee trinken, suche ich verzweifelt im Haushalt danach. Und finde einen überdimensionierten Beutel Tee, den ich mal beim Perser für meinen Samowar gekauft habe. Ob Russen auch persischen Tee trinken und ob man den Tee auch außerhalb von Samowaren zubereiten kann, da dieser arg verstaubt ist, frage ich mich und frage Viktor. Trinken will er ihn, so suche ich fachkundig nach einem Teeei oder Teesieb, ohne Erfolg. Man könne es auch einfach so aufgießen, so Viktor. Stimmt, jetzt fällt mir wieder ein, so habe ich es bei den Jägern und Anglern in Sibirien gesehen. Wie viel Tee ich denn in die Kanne geben soll und wie lange der Tee ziehen muss, frage ich. „Stell dich nicht so an, du wirst doch wohl wissen, wie man Tee macht?!“ Na ja, um ehrlich zu sein – ich kriege eine Sektflasche geöffnet oder ein Bierfass angestochen, aber wie man Tee kocht, weiß ich tatsächlich nicht. Normalerweise trinke ich gar keinen Tee, nur, wenn ich erkältet bin oder schrecklich friere und dann auch nur Beuteltee. Dann stecke ich den Beutel in die Kanne, kippe Wasser drüber, vergesse das Ganze und ziehe
1 Stunde später den Beutel wieder raus.

Viktor sieht nun ein, dass er mir besser hilft als mich auszumeckern, wenn er einen halbwegs anständigen Tee serviert bekommen will. Er behauptet aber nach wie vor, Tee kochen wäre sehr einfach. Na, das wollen wir aber mal sehen! Denn bei grünem Tee dürfe das Wasser nicht so heiß sein wie beim schwarzen, nur etwa 80 Grad. Woher ich denn wissen soll, ob das Wasser 80 Grad hat?! Das könne man fühlen, meint Viktor. Ja, er vielleicht, er ist ja nicht nur Russe, sondern auch Chemiker. Ich bin beides nicht und finde aber, dass ich auch ein wenig Recht damit habe, dass man sich an 80 Grad leicht die Finger verbrennen kann. Und man dürfe nur 8 Gramm für 1 Liter nehmen. Das würde man schon sehen. Ja, er vielleicht! Aber mir ist damit gar nicht geholfen. Viktor ist ein sehr guter Russischlehrer, aber wie ich ordentlich Tee koche, kann er mir nicht vermitteln.

Das erinnert mich stark an meine Großmutter. Die hat mir auch allerhand vermittelt, aber wie man einen Kuchen backt, ist bei mir nicht angekommen. Sie wandte dieselbe Lehrmethode wie Viktor an und behauptete, dass das Backen ganz einfach sei. „Da nimmt man so die Zutaten…“ Ja, aber wie viel denn, von was? „Ja, nach Gefühl, dass das so einen schönen Teig gibt…“ Im Endeffekt habe ich nach diesen Anweisungen nie irgendeinen Kuchen, nicht mal Plätzchen und schon gar keine Torte hinbekommen. Getreu dem Motto „das sieht man dann schon irgendwie“ sah man im Endeffekt nur eines – der Kuchen war zu flach, zu trocken oder zu matschig. So wird das nichts, jedenfalls nicht so bald, denn um das gewisse Gefühl zu bekommen, braucht es einige Jahrzehnte. So lange will Viktor sicher nicht warten. Da gibt es nur zwei Wege: Er muss sich seinen Tee selbst kochen oder Limonade trinken, die krieg ich auch ohne fremde Hilfe serviert.

Julia Siebert

09/11/07

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