Eine Berliner Firma hilft Unternehmen, mit Osteuropa und Zentralasien eine gemeinsame Sprache zu finden. Dafür arbeitet sie mit qualifizierten Übersetzern zusammen, die sogar die exotischsten Sprachen anbieten.
Mit 24 Jahren hat Ellen de Visser schon viel erlebt. Reisen, Austauschprogramme, Jobs als Freelancerin, und seit drei Jahren als Geschäftsführerin: Die umtriebige Niederländerin hat sich ihren Traum erfüllt und ihre eigene Übersetzungsfirma gegründet. „AccessEast“ mit Sitz in Berlin bietet als Dienstleistungen neben Übersetzungen auch Korrekturlesen und Lokalisierung, sprich die Anpassung von Texten an ein bestimmtes kulturelles Umfeld, an. Zielgruppe sind dabei Unternehmen, die in anderen Märkten Fuß fassen wollen. Das Besondere: Die Firma ist spezialisiert auf osteuropäische und zentralasiatische Sprachen.
Dabei entdeckte die Gründerin ihre Ost-Leidenschaft erst, als sie während des Studiums in Berlin an einem Russisch-Grundkurs teilnahm. „Es hat so viel Spaß gemacht, dass ich gleich an einem Austausch der Uni mit Minsk teilgenommen habe.“ Das Zusammenleben mit anderen in einem belarussischen Studentenwohnheim verstärkte die Begeisterung nur noch. Die Idee, etwas Eigenes auf die Beine zu stellen, kam de Visser dann, als sie im ukrainischen Ternopil ein paar Monate an der Uni als Gastdozentin arbeitete. „Schuld“ daran waren die Wirtschaftsstudenten, die sie auf einen Aufenthalt in Deutschland vorbereiteten: „Durch sie habe ich noch tiefer über die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Ost und West nachgedacht.“
Anschließend reiste die Niederländerin weiter durch Osteuropa, lernte Leute kennen, kam mit ihnen ins Gespräch. In den Zügen der Transsibirischen Eisenbahn auf dem Weg von Wladiwostok nach Sankt Petersburg, in der Ukraine, in Moldau, in Kasachstan. „Ich habe dort großes Potential gesehen und mir vorgestellt, dass die Länder sich noch entwickeln und die Beziehungen zu uns wachsen werden.“ Mit anderen Worten: dass es bei westlichen Firmen auch eine größere Nachfrage nach den Sprachen des Ostens geben könnte.
Von Turkmenisch bis Uigurisch
Um die zu bedienen, arbeitet „Access East“ mit einem Netzwerk aus freiberuflich tätigen Übersetzern zusammen. Obwohl für die GUS-Region Russisch am gefragtesten ist, stehen auch Übersetzer zur Verfügung, die echte Exotensprachen bedienen. Die bunte Palette reicht von den Staatssprachen aller zentralasiatischen Länder bis hin zu Uigurisch. In Zentralasien nach Russisch am häufigsten nachgefragt wird Kasachisch – schließlich ist Kasachstan in der Region das Land, in dem ausländische Firmen die meisten Projekte umsetzen.
Für die Suche nach Übersetzern greifen die Plattformen in erster Linie auf Datenbanken von Verbänden wie dem Bundesverband der Dolmetscher und Übersetzer zurück. „AccessEast“ sucht darüber hinaus den direkten Kontakt zu Universitäten in den jeweiligen Ländern. „Die Professoren an den Übersetzungsfakultäten helfen uns, Studenten zu kontaktieren“, sagt Ellen de Visser. „Dann übernehmen wir sie in unsere Datenbank, und wenn sie nach ihrem Abschluss Übersetzungserfahrungen gesammelt haben, können sie mit uns zusammenarbeiten.“ Auch Praktika seien möglich.
Ohne die Kontakte sei es schwierig, für Nischensprachen qualifizierte Übersetzer zu finden, sagt de Visser. Das liege zum Einen daran, dass man etwa in Zentralasien die Leute nicht so häufig über Plattformen wie LinkedIn finde. Zum Anderen an den Unterschieden im Bildungssystem: Andere Inhalte im Studium, andere Bildungsstandards – das mache es schwer zu wissen, welche Abschlüsse gleichwertig sind und welche nicht.
Hohe Qualitätsstandards für Firmen unabkömmlich
Dabei definiert ihre Übersetzungsfirma sich gerade über Qualität. Bei der Auswahl von Übersetzern wendet „AccessEast“ die internationale Qualitätsnorm ISO 17100 an, die bestimmte Kompetenzen und Qualifikationen vorschreibt. Dazu gehören etwa ein akademischer Abschluss im Fach Translation und fünf Jahre Vollzeit-Berufserfahrung im Übersetzungsbereich. Mitunter komme es vor, dass Unternehmen lieber auf Billigheimer unter den Übersetzungsagenturen zurückgreifen, sagt Ellen de Visser. „In den meisten Fällen leidet dann aber die Qualität der Übersetzungen.“
Da vor allem bei juristischen Texten oder technischen Anleitungen der Teufel oft im Detail liegt, können sich die Unternehmen fehlerhafte Übersetzungen freilich nicht leisten. Die Folge: Sie wenden sich an einen Dienst, der mit Qualitätsstandards arbeitet, um die Fehler korrigieren zu lassen. Das kostet Zeit und Geld.
Andere Unternehmen wiederum beauftragen gleich eigene Leute mit Übersetzungen, wenn der Abteilungsleiter etwa begeistert vom Englisch seines jüngeren Mitarbeiters ist. Auch das sieht de Visser kritisch. Zum Einen nehme das die Zeit und Arbeitskraft des Mitarbeiters in Anspruch. Zum anderen sei der kulturelle Aspekt sehr wichtig, wenn es um das Thema Lokalisierung gehe und der Mitarbeiter nicht selbst aus der Region stamme. Als Beispiel nennt sie Kasachstan, wo Russisch vor allem in den Ballungszentren für die Allermeisten Muttersprache ist. „Trotzdem ist die Kultur in Kasachstan eine andere als in Russland, was sich auch in Begriffen ausdrücken kann.“
Vom Volljuristen zum Übersetzer
Über die Qualifikationen und Spezialisierungen der Übersetzer, mit denen sie zusammenarbeitet, erfährt man dagegen Erstaunliches. Einige sind Juristen oder Ingenieure, die später ihre Freude am Übersetzen entdeckt und eine Extraausbildung draufgepackt haben. Durch ihre ursprüngliche Ausbildung, etwa zum Volljuristen, beherrschen sie bereits die in ihrem Spezialgebiet geforderte Fachterminologie –
ein großer Vorteil. Üblicherweise läuft es aber andersrum: Man macht seinen ersten Abschluss in Übersetzungswissenschaften und spezialisiert sich anschließend im Masterprogramm in ein bis zwei Bereichen. Wer Technik wählt, versteht es beispielsweise gut, Anleitungen und technische Broschüren zu übersetzen. Im Laufe der Jahre spezialisieren sich viele dann noch tiefer in bestimmten Nischen.
Das passt zu dem Ziel von „AccessEast“, sich nicht nur geographisch, sondern auch inhaltlich zu spezialisieren. Ellen de Visser nennt hier Energie, Agrarwirtschaft und Mobilität – allesamt Bereiche, die vor allem in Kasachstan immer gefragter sind. „Deshalb denken wir, dass wir Unternehmen helfen können, die sich in Zentralasien engagieren wollen“, so die Geschäftsführerin. „Man braucht ja juristische Dokumente, technische Unterlagen und Sicherheitserläuterungen für Mitarbeiter, die kein Deutsch und Englisch sprechen.“
Die größte Freude an ihrem Job empfindet de Visser, wenn sich für die Auftraggeber Erfolge einstellen. Etwa wenn ihre Firma eine Übersetzung vermittelt hat, die dem Unternehmen neue Geschäftsbeziehungen ermöglicht. „Gerade wegen meiner Faszination für Osteuropa und Zentralasien möchte ich einen Beitrag leisten, dass etwa deutsche Unternehmen dort Fuß fassen.“