Weihnachten setzt alle unter Stress, denn das Weihnachtsfest soll schön sein, feierlich soll es zugehen, friedlich und besinnlich. Um das zu erreichen, müssen viele Bedingungen stimmen. Und vor allem hat jeder ganz eigene Vorstellungen, was es zu einem Weihnachtsfest braucht. Das fängt schon mit der Vorweihnachtszeit an.
Derzeit werden die Städte geschmückt, Bäume aufgestellt und die Weihnachtsmärkte eröffnet. Dazu hat jetzt ein Künstlerfreund in Berlin beigetragen und hat einen Baum ganz nach seinem Kunststil gestaltet: aus Stahl, mit viel Schrott und Feuerspielen – eine Skulptur eben. Prompt gab es von einigen Bürgern harsche Reaktionen. So was will man nicht haben, man müsse ihn als Verunstalter gleich mit in den Baum hängen. Schrott im Weihnachtsbaum, wo gibt es denn so was?!
Ich für meinen Teil würde am liebsten den ganzen Kitsch in die Tonne kloppen. In meinem neuen Vorortwohnort geht es geradezu amerikanisch zu. Kleine Reihenhäuser haben viel Fläche, um große Figuren aus Lichterketten aufzustellen, vorzugsweise auf den Garagendächern. Das ist für mich als Morgenmuffel besonders früh in der Früh eine Belästigung. Wenn ich mich schon im Dunkeln auf den Weg machen muss, dann bitte ganz im Dunkeln. Na gut, setze ich eben eine Sonnenbrille auf.
Irritierender finde ich allerdings das Überangebot an Weihnachtsschmuck. Ich dachte immer, so etwas hat man mal zusammengekauft, verstaut es in einer Kiste im Keller, die man alljährlich hervorholt und wieder verwendet, wie die Karnevalskostüme. Am besten mit klarer Rollenverteilung. Papa geht in den Keller, um die Kiste zu holen, findet sie aber nicht. Mama weiß, wo sie ist, nämlich da, wo sie immer ist, beim zweiten Anlauf findet Papa sie dann doch. Papa stellt den Baum auf, und die Kinder hängen allerlei Engel und Sterne in den Baum, Papa steckt den größten Stern an die Spitze, fertig. Aber nein, immer neue Utensilien werfen die bewährten Dekorierkonzepte über den Haufen.
Und die Utensilien werden immer komplizierter. Heute wurde mir im Baumarkt in einem Demofilm gezeigt, wie man mit dem neuen Hightech-Nussknacker eine Nuss knackt. Also bitteschön, das führt doch wirklich zu weit! Wenn man jetzt schon das Nüsseknacken in einem Demofilm lernen muss, dann gibt es sicher bald eine 5-seitige 6-sprachige Gebrauchsanweisung, wie man eine Kerze anzündet. Dabei bräuchte es eher ein Handbuch, mit wem man wie Weihnachten feiert, ohne sich zu streiten.
Am besten, man macht eine professionell angeleitete Familienaufstellung. Die erste Leitfrage lautet: An welchem Tag zu welchen Schwiegereltern und zweitens, wer kocht mit wem was? Der Familienkrach ist vorprogrammiert, denn irgendwer ist immer beleidigt, insbesondere die Schwiegermütter und/ oder Schwiegertöchter, gefolgt von den Müttern und/ oder Töchtern. Da halte ich mich als Tochter einer Mutter konsequent raus und feiere traditionell mit meinem Jugendfreund Frank, damit ich mich nicht mit meiner Familie zanke, weil ich meinen Stiefvater nicht leiden kann, und die Freundin meines Bruders mich nicht leiden kann. Frank will den Krach in seiner Familie nicht miterleben, der zuverlässig von seiner hysterischen Schwester ausgelöst wird.
Wir sind ein eingespieltes Team, einer von uns kocht, der andere beschwert sich nicht. Frank darf seine amerikanische Weihnachtsmusik abspielen. Und ein klein wenig Schmuck gibt es auch, was wir eben so unterwegs oder im Haushalt finden. Aus der Ferne beobachten wir die Querelen in anderen Familien. Letztes Jahr haben wir der Mutter unserer Freundin Zuflucht in unserer kleinen Runde gewährt, weil sich ihre Tochter, also unsere Freundin, nicht mit ihrem Schwager und ihrer Nichte verträgt und keiner, außer ihrer Schwester, deren Mann leiden kann.
Die Lösung war, jeder feiert mit sich selbst, übrig blieb Mama Panic, so luden wir sie ein und hatten zu dritt viel Spaß. Dieses Jahr werden dort die Karten neu gemischt, Mama Panic ist nur im Zweierpack mit Enkelin zu haben, und wir müssten bei ihr daheim feiern. Das entfernt uns aber zu weit von unserer Tradition und Vertrautheit. Wir wollen uns nicht darauf konzentrieren, was man besser tut oder lässt, sagt oder nicht sagt. Wenn die Handgriffe stimmen, jeder seiner Rolle folgt und man sich ohne Worte versteht, dann klappts auch mit der Besinnlichkeit. Ich freue mich schon sehr auf unser kleines Fest zu zweit.
Julia Siebert
25/12/09